16.02.2012 Auftakt in Dresden Tausende protestierten
gegen Neonazidemonstration in Elbmetropole. Polizei leitet
Ermittlungsverfahren gegen VVN-Bundesvorsitzenden Fink ein Am
Montag abend haben mehrere tausend Menschen in Dresden gegen einen
Aufmarsch von rund 1 800 Neofaschisten demonstriert, die die
Bombardierung der Stadt durch alliierte Streitkräfte vor 67
Jahren mißbrauchen wollten, um ihre Propaganda von einem
»Bombenholocaust« gegen die
Zivilbevölkerung zu erneuern. Antifaschistische Blockierer
erreichten, daß der Neonaziaufmarsch erheblich
abgekürzt werden mußte. Bereits in
den Mittagsstunden hatten mehr als 2700 Antifaschisten an einem vom
Bündnis »Nazifrei – Dresden stellt sich
quer!« organisierten Mahn- und Gedenkgang teilgenommen. Der
»Spaziergang« führte zu Orten
faschistischer Verbrechen oder Häuser der Täter, zum
Beispiel zur früheren Villa des Nazigauleiters Martin
Mutschmann. In den frühen Abendstunden hatten sich
außerdem über 13000 Bürger –
darunter Kulturschaffende, Politiker und Kirchenvertreter –
zu einer Menschenkette zusammengefunden, um gegen den Fackelmarsch der
Neofaschisten zu protestieren. Auch etwa 100 Fußballspieler,
Mitarbeiter und Mitglieder der SG Dynamo Dresden beteiligten sich an
der Aktion. Insgesamt bis zu 6000 Antifaschisten
nahmen unterdessen an den von »Dresden nazifrei!«
an mehreren Stellen der Innenstadt organisierten Blockaden teil. Die
Aufmarschroute der Rechten mußte daraufhin massiv
verkürzt werden. Bereits in den vergangenen zwei Jahren war es
gelungen, die Aufmarschversuche der Nazis komplett zu verhindern. Die
Polizei, die ebenfalls mit rund 6000 Beamten im Einsatz war, um die
Neofaschisten vor Protesten zu schützen, war zuvor an mehreren
Stellen mit Pfefferspray und Schlagstöcken gegen potentielle
Blockierer vorgegangen, wodurch eine bisher nicht genauer zu
beziffernde Anzahl an Personen Verletzungen erlitt. Empörung
rief vor allem eine Polizeiaktion gegen den Bundesvorsitzenden der
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der
Antifaschisten (VVN-BdA) hervor. So nahmen sächsische
Polizisten die Personalien des ehemaligen Rektors der Berliner
Humboldt-Universität, Professor Dr. Heinrich Fink, auf und
warfen dem 77jährigen vor, sich bei den antifaschistischen
Protesten 2011 in Dresden des Landfriedensbruches und Widerstandes
schuldig gemacht zu haben. Die Beamten hatten zuvor gefertigte Bilder
mit Archivmaterial aus den vergangenen Jahren abgeglichen und
behaupteten nunmehr, den Antifaschisten wiedererkannt zu haben. Dies,
obwohl Fink im vergangenen Jahr nicht hatte an den Protesten teilnehmen
können und gar nicht in Dresden war. André
Hahn, sächsischer Linksfraktionschef, der bei der Kontrolle
Finks zugegen war, kündigte am Dienstag im Gespräch
mit jW an, beim sächsischen Innenminister Markus Ulbig (CDU)
gegen das Vorgehen der Polizei zu protestieren. Zuspruch
erhielten die Blockaden indes von verschiedenen Politikern von
Linkspartei, SPD und Bündnis 90/Die Grünen.
»Ich war beindruckt, vor allem von den vielen jungen
Menschen, die gegen die Nazis erfolgreich demonstriert haben. Die Nazis
hatten gegen diese bunte Übermacht keine Chance«,
berichtete etwa Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch am Dienstag
gegenüber junge Welt. Nach diesem »Aufstand der
Anständigen« sei es an der Zeit, daß die
Zuständigen ihre Arbeit machen. »Die
verfassungsfeindliche NPD muß endlich verboten
werden«, so Lötzsch. Bei den
Neonazis selbst kam es indes zu ersten Grabenkämpfen und
Zerwürfnissen. Zwar bemühte sich die
sächsische NPD-Fraktion in einer Erklärung, den
Aufmarsch »trotz versuchter linker Blockaden und einer
verkürzten Wegstrecke als Erfolg« zu verkaufen. In
verschiedenen neofaschistischen Internetforen liest sich dies jedoch
gänzlich anders. Dort wird der Aufmarsch als
»Enttäuschung und eine Schande«
bezeichnet. Die »Marschroute« sei »ein
schlechter Witz« gewesen. »Wir machen uns zum
Gespött, wenn wir dies als einen Erfolg werten und alle, die
anwesend waren, werden dies auch einsehen müssen«,
konstatierte etwa ein Neofaschist in einem der rechten Diskussionsforen. Das
Bündnis »Dresden nazifrei!« hält
unterdessen an der Mobilisierung zu antifaschistischen Protesten am
Samstag in Dresden fest. Zwar sei momentan kein Aufmarsch von Neonazis
mehr angemeldet, dies könne sich jedoch jederzeit
ändern. http://www.dresden-nazifrei.com/ Markus
Bernhardt Quelle: Junge Welt vom 15.02.2012 |