20.12.2011 Auschwitz-Komitee: "Fremdschämen
müssen wir uns für die Ministerin
Schröder” Sieben
Sofortmaßnahmen schlagen wir Ihnen vor... Das Auschwitz-Komitee ruft die Regierenden in
einem offenen Brief dazu auf, Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten.
Besonders hart wir Familienministern Kristina Schröder (CDU)
kritisiert. Für sie müsse man sich
fremdschämen. An: Herrn
Bundespräsident Christian Wulff Frau Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel Frau Bundesministerin Dr. Kristina
Schröder Herrn Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich Herrn
Bundestagspräsident Norbert Lammert sowie an alle
Fraktionen im deutschen Bundestag Sehr geehrter Herr
Bundespräsident, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr
geehrte Damen und Herren, in großer Sorge
wenden wir uns heute an Sie. Antisemitische, rassistische und
neofaschistische Ideologie und Praxis finden Akzeptanz bis in die Mitte
der Gesellschaft. Sie, die Regierenden, tragen Mitverantwortung an den
„deutschen Zuständen“ heute, an der
Ökonomisierung des Denkens, an der Entsolidarisierung der
Gesellschaft, und, daraus folgend, an der sozialen Spaltung, die
Ängste schürt. Rassismus, Antisemitismus und
Fremdenfeindlichkeit haben heute wieder Konjunktur in Deutschland. 1.
In Zeiten, in denen hierzulande mindestens zehn Menschen von einer
rechten Terrorbande ermordet wurden, weil sie türkische und
griechische Namen trugen und mindestens 13 Jahre lang der
„nationalsozialistische Untergrund“/NSU unter den
offensichtlich rechts zugedrückten Augen der Polizei, der
Justiz und des Verfassungsschutzes wütete, 2.
in Zeiten, da 182 Tote durch Gewalt von Nazis und Neonazis in den
vergangenen 20 Jahren von den Regierenden scheinbar übersehen
wurden, obwohl doch Ausstellungen wie „Opfer rechter
Gewalt“ seit Jahren vielerorts gezeigt wurden,
einschlägige Websites und Foren mit unendlicher Mühe
von NGOs, Bürgerinitiativen und Opferverbänden ganz
öffentlich zugänglich waren und sind, 3.
in Zeiten, in denen selbst im Winter Menschen schon wieder nachts aus
dem Schlaf gerissen und abgeschoben werden,
Bürgerkriegsflüchtlinge, Roma, Familien mit Kindern,
Alte und Kranke in elende Zustände gewaltsam verbracht werden,
obwohl auch Überlebende des Holocaust, die im Exil Zuflucht
fanden, immer wieder das Bleiberecht anmahnen, 4. in
Zeiten, in denen ungeachtet zahlreicher Proteste, trotz Mahnungen von
Überlebendenorganisationen, von den Zentralräten der
Juden und der Muslime, von WissenschaftlerInnen die Fachministerin
beratungsresistent bleibt. Fremdschämen müssen wir
uns für die Ministerin Schröder, die mit ihrer so
genannten “Extremismusklausel”
Überlebendenorganisationen und seit Jahrzehnten ehrenamtlich
arbeitende Initiativen gegen rechts mit dem Generalverdacht
überzieht, nicht auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen.
Bespitzelung und Verdächtigung statt Aufklärung und
Anerkennung, Geld nur gegen Gesinnungsschnüffelei –
wie groß wird der Scherbenhaufen sein, den das Ministerium
hinterlässt?, 5. in Zeiten, in denen schon
wieder obrigkeitsstaatliches Denken Konjunktur hat, durch das Befolgen
von Befehlen und Anordnungen selbst bei Frosttemperaturen mit
Wasserwerfern auf Menschen geschossen wird, die in friedlichen
Blockaden sich mutig auf die Straßen der Städte
setzen, um marschierende Neonazis zu stoppen. Gegen die
Tränengas in gesundheits-gefährdenden Mengen
eingesetzt wird. Der Vertrauensverlust in demokratische
Zustände ist kaum zu ermessen, wenn Demonstranten weggespritzt
und anderweitig traktiert werden, Menschen bespitzelt,
überwacht und ausgehorcht werden, Mobilfunkdaten missbraucht
werden, Immunitäten von Abgeordneten aufgehoben werden, 6.
in Zeiten, in denen selbst ein Shoa-Überlebender wie Ernst
Grube, VVN-BdA-Vorsitzender in Bayern, vom Nachrichtendienst
überwacht und als Zeitzeuge diskreditiert wird, 7.
in Zeiten, in denen die NPD und neofaschistische Kameradschaften ganze
Regionen zu „national-befreiten Zonen“
erklären und die NPD immer noch nicht verboten ist mischen
wir uns ein und fordern Sie auf: Handeln Sie, jetzt! Sieben Sofortmaßnahmen
schlagen wir Ihnen vor: - Schluss mit der
öffentlichen Subventionierung neofaschistischer Organisationen
durch V-Leute, wir fordern gründliche und
parlamentsöffentliche Aufklärung der Morde selbst
sowie der Verfehlungen und Verstrickungen des Verfassungsschutzes und
der Polizei in die Morde des „nationalsozialistischen
Untergrunds“ und ähnlicher Geheimbünde
- Schluss
mit der Un-Kultur des Verdachts und der Gleichsetzung „Rot
gleich Braun“, wir fordern gründliche und
öffentliche Aufarbeitung aller Todesfälle durch
rechte Gewalt in den vergangenen 20 Jahren
- Schluss
mit den Abschiebungen, Bleiberecht für alle, insbesondere
für Rom und Sinti
- Schluss mit den
Verdächtigungen staatlich nicht kontrollierter Projekte und
Initiativen gegen rechts!
- Schluss mit der Gewalt
gegen Menschen, die ihren eigenen Körper in friedlichen
Sitzblockaden gegen Neonaziaufmärsche einsetzen, die
großen Mut beweisen und unsere Hoffnung auf eine bessere
Zukunft sind.
- Schluss mit der Kriminalisierung und
Überwachung
- Schluss mit der
Überwachung von Überlebenden des Holocaust, die
Diskreditierung ihrer Zeitzeugenarbeit wie z.B. bei Ernst Grube in
Bayern muss sofort beendet werden
Und
Sie, Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel und die Bundesregierung fordern
wir wiederum auf: Verbieten Sie endlich nach Artikel 139 Grundgesetz
und entsprechend dem Potsdamer Abkommen die NPD und alle faschistischen
Nachfolgeorganisationen, ihre Schriften, ihre Embleme, ihre
Aktivitäten! Das sind wir den Millionen Opfern der
faschistischen Verbrechen schuldig. Bitte
unterrichten Sie uns über Ihre Maßnahmen. Mit
freundlichen Grüßen Esther
Bejarano, Vorsitzende Auschwitz-Komitee in der
Bundesrepublik Deutschland e.V. |