08.12.2011 NPD-Verbot: Sie werden es wieder vermasseln Die
Politiker, die jetzt ein neues NPD-Verbotsverfahren initiieren, haben
immer noch nichts begriffen. Das Problem ist nicht, der NPD
Verfassungswidrigkeit nachzuweisen; das wäre auch ganz ohne
Verwicklung in die Zwickauer Terrorzelle möglich. Wir haben
stattdessen ein Geheimdienstproblem. Ein Kommentar von Martin Dietzsch* Das
erste NPD-Verbotsverfahren wurde von innen torpediert. Es wurde ja
nicht nur dem Gericht, sondern auch den Vertretern der Anklage die
frühere V-Mann Tätigkeit eines geladenen Zeugen
vorsätzlich verschwiegen. Man hat die eigenen Leute in’s
offene Messer rennen lassen. Daraus sind nie Konsequenzen gezogen
worden. Statt der Verselbständigung der Geheimdienste mit
wirksamer Kontrolle gegenzusteuern, wurden deren Kompetenzen und
Aufgabenfelder immer mehr ausgeweitet. Man muss es einmal
deutlich aussprechen: Es geht bei einem NPD-Verbotsverfahren schlicht
und einfach darum, den Neonazis, also der NPD und den sogenannten
Freien Kameradschaften, den staatlichen Schutz und die staatliche
Förderung zu entziehen. Und das exzessive V-Mann Unwesen zählt nicht zur Bekämpfung, sondern zur Förderung des Neonazismus. Abbildung:
Logo der Kampagne nonpd, die von der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes — Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten
(VVN-BdA) initiiert wurde. — „Wenn die amtliche Vorgabe
ist, dass nur Linksextremisten an eine ernsthafte Gefahr von
Rechts glauben, dann darf man sich nicht wundern, wenn die bittere
Realität verharmlost und geleugnet wird.“ NRW-Innenminister
Ralf Jäger äußerte kürzlich, eine Abschaltung der
V-Männer sei unmöglich, denn sie mache die Behörden
blind. Jahrzehntelang haben die Ämter den
Rechtsextremismus durch die Brille der V-Männer des
Verfassungsschutzes betrachtet. Vielleicht sollten sie diese Brille
endlich einmal absetzen. Man hat den Eindruck, dass diese Brille von
innen verspiegelt ist und der Betrachter glaubt, er würde die Welt
sehen, in Wirklichkeit sieht er nur sein Spiegelbild. V-Leute
versprechen sich von ihrer Tätigkeit nicht nur Geld, und
staatlichen Schutz bei möglichen Strafverfahren. Sie sind und
bleiben Rechtsextremisten und füttern die Dienste mit gefilterten
Informationen, und die Dienste hören nur das, was sie hören
wollen. Wenn die amtliche Vorgabe ist, dass nur Linksextremisten an
eine ernsthafte Gefahr von Rechts glauben, dann darf man sich
nicht wundern, wenn die bittere Realität verharmlost und geleugnet
wird. Die Dienste waren blind, weil sie nur das sehen durften, was sie
sehen wollten. Es heißt, die V-Mann-Dichte im NPD-Umfeld
sei heute sogar noch höher als beim ersten Verbotsverfahren. Nach
allem, was man bisher weiß, muss man befürchten, dass
auch im engeren Umfeld der Terrorzelle Vertrauenspersonen von deutschen
Geheimdiensten tätig waren und eher zur Verdunkelung als zur
Aufklärung beitrugen und vielleicht sogar in die terroristische
Vereinigung involviert waren. Diese Möglichkeit kann zur Zeit
niemand ausschließen. Und es verwundert nicht, dass nicht nur in
der rechten Szene, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit die
irrsten Verschwörungsmythen kursieren und durch das
undurchsichtige Operieren der Geheimdienste scheinbare
Plausibilität erhalten. Dadurch erleidet unsere Demokratie
zusätzlichen schweren Schaden, dessen langfristige negative Folgen
nicht unterschätzt werden dürfen. Doch an den Pforten der Geheimdienste endet der demokratische Sektor der Bundesrepublik Deutschland. NPD-Verbot?
Das geht nur, wenn man den Diensten kräftig auf die
Füße tritt. Und wenn man den institutionellen Rassismus in
der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr verleugnet und ihn
stattdessen bekämpft. Dazu gehört Mut. Liebe Politiker,
Freiwillige bitte vortreten! – Es meldet sich niemand? Dann sei
mir die Prognose gestattet: Ihr werdet es wieder vermasseln. *Martin Dietzsch ist Mitarbeiter im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung www.diss-duisburg.de By disskursiv in Archiv-Notizen, Dietzsch on 7. Dezember 2011 http://www.disskursiv.de/2011/12/07/npd-verbot-sie-werden-es-wieder-vermasseln/ Dieser Kommentar erschien zuerst am 5.12.2011 auf publikative.org (vormals npd-blog.info). |