08.12.2011 Wir wehren uns schon seit Jahren gegen den Terror von rechts – und gegen seine Verharmlosung durch die Behörden Alle Naziorganisationen sind zu verbieten – und die Naziaufmärsche nicht vergessen Alle
Welt ist seit Bekanntwerden des Terror-Trios aus Zwickau
„beunruhigt“ und „alarmiert“. Das war ja
„unvorstellbar“! Von wegen! Schon vor genau zehn Jahren
haben wir in Nordrhein-Westfalen das Landesinnenministerium
aufgefordert, die Neonaziaufmärsche in dem besonders vom
Naziterror betroffenen Land NRW zu verbieten und das die Nazis
begünstigende V-Leute-System abzuschalten. Und schon vor fast 20
Jahren wiesen wir auf die Bedrohung durch die Anti-Antifa und ihre
Drohliste „Einblick“ hin – sie ist das Grundmuster,
nachdem auch das Zwickauer-Trio handelte. Doch man antwortete uns: Die
bedrohlichen Aussagen der „Rechtsextremisten“ seien nur die
Antworten auf die „Linksextremisten“. Von Ulrich Sander (Dortmund), Journalist, Bundessprecher der VVN-BdA Wir
hatten die Naziaufmärsche im Ruhrgebiet als Fortsetzung verbotener
Organisationen und Aktivitäten bewertet. Wir bekamen eine Antwort!
Man forderte uns auf, die Forderung nach Verbot der neonazistischen
Aufmärsche mit gerichtsverwertbaren Informationen zu belegen. Ende
Januar 2002 hat die VVN-BdA NRW solche Belege vorgelegt. Wir
fragten: „Hält das Innenministerium etwa
Verfassungsschutzberichte von Bund und Land nicht für
gerichtsverwertbar?“ Wir verwiesen auf die politischen und
kriminelle Biographien etwa der Herren Busse, Worch, Borchardt und
Konsorten, „die früher führend bei jetzt verbotenen
Organisationen tätig waren und jetzt ihre Tätigkeit nur
schwach getarnt in freien Kameradschaften und freien
Nationalisten-Gruppen fortsetzen“ (VS-Originalton). Verwiesen
wurde auch auf eine Veröffentlichung aus der Naziszene, die damals
den Beleg dafür erbrachte, daß der Naziführer Christian
Worch sich als Nachfolger Michael Kühnens versteht, des
verstorbenen Führers der verbotenen Szene. (Informationsdienst
„Blick nach Rechts“ vom 29. November 2001) Zudem
wurde auf den terroristischen Charakter dieser Leute und ihrer
Vereinigungen hingewiesen. Seit Jahren würden Bürger von NRW
durch die terroristische AntiAntifa – mitbegründet von
Christian Worch - bedroht, ohne daß die Behörden etwas
dagegen unternähmen. „Das erstaunt und beunruhigt uns um so
mehr, als die Neonazis den Terror eines Bin Laden gegen die USA heftig
begrüßt und schon seit Jahren auf ihren Internetseiten
Selbstmordattentate mit antisemitischen Absichten propagiert
haben“, schrieben wir Die Neonazigruppen, denen vom
Bundesverfassungsgericht das demonstrative Propagieren ihrer lediglich
als „missliebige Meinung“ eingestuften Ideologie
zugestanden wurde, hätten zur allgemeinen Lynchjustiz und zur
“endgültigen Ausschaltung der politischen Gegner”
aufgerufen“ (so in der Anti-Antifa-Drohliste
„Einblick“). Weit über hundert Menschen fielen in
Deutschland seit 1990 diesem Terror zum Opfer, stellten wir schon
damals fest. Während Justiz und Sicherheitsbehörden
angeblich keine Handhabe hätten, gegen die Neonazis vorzugehen,
ist es den Behörden stets leicht gefallen, gegen linke
Antifaschisten einzuschreiten. Wir schrieben: „Als die KPD
verboten wurde und rund 10.000 Menschen wegen ihrer kommunistischen
Gesinnung eingesperrt wurden, da waren auch Mitglieder unserer
Organisation unter den Opfern dieser Verfolgungen. Darunter Lore Junge
aus Dortmund, die Kinderferienfahrten in die DDR organisierte, was ihr
als Fortsetzung der illegalen KPD ausgelegt wurde. Sie wurde zu
Gefängnis verurteilt. Jahrelang unter Hitler, aber auch unter
Adenauer war unser langjähriges verstorbenes Vorstandsmitglied
Karl Schabrod inhaftiert. Ihm wurde die Kandidatur für den
Bundestag und NRW-Landtag als Einzelperson und die Herausgabe einer
kleinen Zeitung als Fortsetzung der KPD-Tätigkeit ausgelegt. Er
wurde wiederum eingesperrt.“ Leute wie er sollten sogar ihre
Entschädigungsleistungen, die sie wegen der Leiden als
NS-Verfolgter erhalten hatte, zurückzahlen. Gegen ein
NPD-Verbot wird noch heute argumentiert, dies treibe die Kader in den
Untergrund. Das Argument ist doch wohl mit dem
„Nationalsozialistischen Untergrund“ von Sachsen und
Thüringen erledigt. Dioe NPD ist im Untergrund und in der
Öffentlichkeit tätig. Wenigstens als legaler Arm der
Terrorszene sollte sich abgeschafft werden. Es wird gesagt, es
würden Nachfolgeorganisationen der NPD geschaffen, dagegen sei
kein Kraut gewachsen. Das gilt aber nur, wenn die Schaffung von
Nachfolgeorganisationen nicht verfolgt wird, wie es beispielsweise im
Falle der FAP (Freiheitliche Arbeiterpartei) der Fall war, die verboten
wurde, während ihre Kader munter unter leicht veränderten
Namen weitermachten. Das Verbot von Nachfolgeorganisationen der Linken,
der KPD und FDJ wurde hierzulande streng durchgesetzt, das von Rechten
soll da nicht durchzusetzen sein? Zur V-Mann-Affäre des
Verfassungsschutzes von NRW wurde schon damals in der
VVN-BdA-Erklärung festgestellt: „Da fällt uns manches
ein: z.B. die Zeugen vom Hörensagen, die gegen Kommunisten in
Prozessen zu Zeiten des Kalten Krieges, eingesetzt wurden. Das waren
doch auch V-Leute, aber ihr Wort galt in den Prozessen. Sie haben mit
ihren Lügen, gegen die sich niemand wehren konnte, Tausende
Menschen ins Unglück gestoßen. Jetzt aber erhalten die Nazis
Schutz, weil es ihnen gelang, so viele V-Männer in ihren Reihen zu
haben.“ Wir appellierten an den Innenminister: „Tun
sie Ihre Pflicht: Helfen Sie, die NPD zu verbieten und die bereits
ausgesprochenen Organisationsverbote gegen Nazigruppen nachhaltig
durchzuführen. Verbieten Sie die Naziaufmärsche.“ „Mit
Verboten ist der NPD nicht beizukommen, und den ‚Freien
Kameradschaften’ schon gar nicht.“ So hieß es. Nun
wird zu recht darauf hingewiesen, dass mit Verboten zumindest der
Geldstrom aus Steuertöpfen in den NPD-Kassen gestoppt würde,
der ja weiter fließt z. B. in die „Heimatfront“ von
Thüringen und von da in den NS-„Untergrund“, wie jetzt
nachgewiesen wurde. Aber der Arm eines Parteiverbots
erreicht nicht die „freien Kräfte“, wird argumentiert.
Dieses Argument fand ich zuerst nicht in Texten der Nazis, sondern in
den ersten Stellungnahmen aus dem staatlichen Bereich zu den neuen
Organisationsformen der Nazis. Die kamen aus dem Bereich der Ämter
für Verfassungsschutz – und waren schon da, bevor die Nazis
überhaupt ihre „freien“ Kameradschaften etablierten.
Es waren ganz einfach Tipps, wie Neonazis nach Verboten ihrer
Organisationen weitermachen können, ja sogar die mörderische
Anti-Antifa legal arbeiten könne. So hieß es etwa im
nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr
1993 zum Thema „Entwicklung im Extremismus 1993“, in dem
der Extremismus als eine Einheit dargestellt wird, innerhalb derer es
„Aufschaukelungstendenzen“ von Antifaschisten und
Faschisten gäbe: Die Praxis der Linksextremisten bei der
Veröffentlichung von Fakten über Neonazis sei
„inzwischen von den Neonazis aufgegriffen und gegen linke
Gegner“ angewendet worden. Das Resultat seien die
„Anti-Antifa“ und die Drohliste „Einblick“. In
dem NRW-93er-Bericht wird zur Schwarzen Liste „Einblick“
und zu den behördlich empfohlenen Organisationsformen amtlich
argumentiert: „Organisatorisch ungebundene Aktivitäten sind
mit Verbotsmaßnahmen kaum angreifbar“, deshalb stehe der
Schritt „von der Partei wieder zur Bewegung“ ins Haus. So
hat man den Nazis Freibriefe ausgestellt! Und so wurden den
Neonazis Ratschläge zuteil: Wer keiner Organisation angehört,
kann auch keiner kriminellen oder anderweitig verbotswürdigen
Organisation angehören. Die konspirativen Organisationen, die dem
Bundes- wie Landesverfassungsschutz gut bekannt sind, werden in den
Verfassungsschutzberichten damals wie heute nicht analysiert. Und den
Nazis wurde und wird auch kein Haar gekrümmt. Wie
andere Bürger unseres Bundeslandes werden auch Mitglieder der
VVN-BdA schon seit der mit behördlichem Segen erfolgten
Gründung der „Kameradschaften“ des Christian
Worch von diesem und seiner terroristischen Anti-Antifa bedroht.
Dutzende Tote in NRW (die Fälle Lemke und Berger, die jedoch von
Polizei und Justiz verharmlost wurden, der Mord am Punk Thomas
„Schmuddel“ Schulz in Dortmund sowie die Morde des
Köln-Overather Dreifachmörders belegen es) sind seit Beginn
dieser AntiAntifa zu beklagen. Der braune Terror war seit Jahren
vorhanden, wurde aber bis zum Bekanntwerden des Zwickauer Trios nicht
in den ansonsten sehr weit ausgelegten Begriff vom Terrorismus mit
einbezogen. Es wird per Anti-Antifa zur allgemeinen Lynchjustiz, zur
“endgültigen Ausschaltung der politischen Gegner”
aufgerufen: “Jeder von uns muß selbst wissen, wie er mit
den ihm hier zugänglich gemachten Daten umgeht. Wir hoffen nur,
ihr geht damit um!” Das schrieben Worch und seine Leute 1993 im
„Einblick“ zu ihren Drohlisten – und sollte Worch
abstreiten, der Autor zu sein, so sei erinnert: Zumindest stimmte Worch
dem im Fernsehen zu. Seit jener Zeit verfolgen die Nazis in
Deutschland das Ziel, mit Terror das Land zu destabilisieren und zur
Erhebung für die “deutsche nationale Identität”
zu führen, um es “national zu befreien”.
Ausländer und „Ausländerfreunde” sollen aus dem
Land getrieben oder “ausgeschaltet” werden. Nie aufgegeben
wurde das Ziel der Schaffung “national befreiter Zonen”.
Dies auch mit vorübergehend „national befreiten
Straßen“, die per Naziaufmarsch „frei“ werden
von Juden, Linken und Ausländern. Die örtlichen
Staatsschutzbehörden bekamen jedoch seinerzeit vom
Bundeskriminalamt den Hinweis, den “Einblick” und die
„Kameradschaften“ nicht so ernst zu nehmen: Dies sei die
verständliche Antwort der Nazis auf die Anarchisten und Roten.
„Pack schlägt sich, Pack verträgt sich,“ so
dachte man im BKA. Neonazis unterliegen nicht den
Antiterrorgesetzen. Sie dürfen sich trotz ihrer Tätigkeit
für den Ant-Antifa-Terror und trotz der Fortsetzung der verbotenen
Organisationen mittels „Kameradschaften“ weitgehend
ungehindert entfalten. Im November 2001 gab es dafür einen
weiteren Beleg, dass diese Leute verbotene Organisationen fortsetzen.
Der Informationsdienst „Blick nach Rechts“ (29.11.01)
berichtete über einen internen Streit, bei dem sich Neonazis gegen
den Führungsanspruch von Christian Worch auflehnten. Worch
antwortete seinen Kumpanen: „Am Anfang war Michael
Kühnen“, dessen politische Konzepte bilden noch „heute
die Grundzüge“, denen die „Freien
Nationalisten“, die Kameradschaften also, folgen, „auch
wenn vielen das nicht immer bewusst“ sei. Kühnens Banden waren verboten – also müssen auch die Nachfolger verboten werden, meinen wir. Wir
sind nicht einverstanden, ja empört, wenn Nazis und kommunistische
Naziopfer im Zeichen des Antitotalitarismus hierzulande gleichgestellt
werden. Vielfach wird davon gesprochen, die Behörden seien auf dem
rechten Auge blind. Das Bild fordert die Gleichbehandlung von Rechten
und Linken ein. Das ist abzulehnen. Ich meine aber, dass dieses Bild
anschaulich macht: Hierzulande greift der Staat gegen Links durch und
hilft damit den Rechten. Wenn es gegen links und gegen Antifaschisten
geht, dann fallen den Staatsschutzbehörden noch immer
Maßnahmen ein und seien sie noch so grausam und ungerecht. Dann
war man immer schnell mit Verboten dabei. Herr Professor
Hans-Jürgen Papier, langjähriger
Ex-Verfassungsgerichtspräsident und als solcher an zahllosen
Genehmigungen von faschistischen Aufmärschen beteiligt, hat nun
die Latte für ein NPD-Verbot noch einmal höher gehängt.
Er sagte, die NPD könne nur verboten werden, wenn nachzuweisen
ist, dass sie insgesamt mit Terrorbanden wie jener in Zwickau
zusammenhängt und nicht nur über einzelne Mitglieder damit
verbunden ist. Dann waren also all die Forderungen, die V-Leute
abzuschalten und dann könne ein NPD-Verbot gelingen, nur leeres
Gerede? Die NPD muss ansatzweise beim Holocaust weitermachen – ja
dann? Denkt man sich das nun so? Bisher dachten wir, dass das
Strafgesetz gegen Mörder anzuwenden ist. Zu Parteiverboten braucht
es die Verfassung. Und die Verfassungswidrigkeit liegt vor. Wie
wäre es, wenn man hierzulande endlich zum Artikel 139
zurückkehrte, der noch immer im Grundgesetz steht und die 1945/46
völkerrechtlich ausgesprochenen Verbote des Nationalsozialismus
und Militarismus auch für die Gegenwart als verbindlich
erklärt? Dazu sollte man sich nun durchringen. Oder wollen wir
warten, bis alles zu spät ist? Ob es zum NPD-Verbot kommt
oder nicht, zwei Dinge sind ohnehin notwendig: Die Einbeziehung der
Naziaufmärsche in den grundsätzliche Verbotsdiskussion und
die Abschaltung der V-Leute, die Geheimdienste in den
Naziorganisationen unterhalten und die diese Organisationen in den
Geheimdiensten platziert haben. Denn die V-Leute sorgen für die
Strafbefreiung bei Naziverbrechen. Der von dem verstorbenen
VVN-Landessprecher Jupp Angenfort durch eine Strafanzeige
ausgelöste Prozess gegen die Nazi-Band Oydoxie/Weiße
Wölfe aus Dortmund-Brechten wurde dreimal vertagt und dann
schließlich eingestellt, u. a. weil die V-Leute nicht aussagen
durften. Die Mitschuld des Innenministeriums von NRW an der
rechtsterroristischen Entwicklung im Ruhrgebiet liegt auf der Hand. Wer
sich den Nazis als „Störer“ in den Weg stellte, wurde
von Minister Ingo Wolf (FDP) und von NRW-Staatsanwaltschaften
kriminalisiert und mit Haft bedroht. Und auch der neue
SPD-Innenminister Jäger hat nicht zu erkennen gegeben, dass er von
dieser Praxis absieht. Er hat wie sein Vorgänger ein
Broschüre „Andy“ in die Schulen gegeben, mit der die
Losung „Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein
Verbrecher“, die bei der Jugend sehr beliebt ist, verboten wird. Die
Nazis haben uns in ihre Drohlisten aufgenommen, malen Galgen an die
Häuser, in denen wir wohnen und Sie drohen „Wir kriegen Euch
alle“; per Internet teilen sie uns mit: „Kommt Zeit kommt
Rat kommt Attentat“ und hängen Fotos aus Buchenwald daran.
Dann steht plötzlich an dem Wohnhaus eines betroffenen Freundes:
„Buchenwald vergisst nicht.“ Wir nehmen die Drohungen ernst
und wenden uns hiermit an die zuständigen Behörden: Handeln
sie endlich – aber lassen sie sich nicht von jenen
fahrlässigen Redensarten des Ex-Verfassungsrichters Papier
beeindrucken, der gegen rechts nichts, aber auch gar nichts zustande
gebracht hat. Und der es offenbar auch nie vorhatte. Warum
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