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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

09.11.2011

„In Springerstiefeln und im Nadelstreifenanzug“

Anti-Neofaschismus-Ausstellung der VVN-BdA in Gevelsberg eröffnet

„In Springerstiefeln und im Nadelstreifenanzug“ - so überschreibt die Westfälische Rundschau ihren Bericht über die Eröffnung der 4. Aktionswoche für Zivilcourage und gegen rechte Gewalt in Gevelsberg (7.11. bis zum 13.11.2011). Es war zugleich die Eröffnung der Ausstellung „Neofaschismus in der Bundesrepublik“, zu der Jürgen Schuh, Landesgeschäftsführer der VVN-BdA, die Eröffnungsrede hielt. Hier der Artikel der WR (mit Bild).

Ausstellung Neofaschismus

In Springerstiefeln und im Nadelstreifenanzug

07.11.2011 | 21:25 Uhr

Bei der Eröffnung im Filmriss Kino: (v.l.) Clarissa Bader (IG Metall), Barbara Lützenbürger, Bürgermeister Claus Jacobi, Jürgen Schuh (VVN) und Thomas Scherffig. Foto: Volker Speckenwirth

Bei der Eröffnung im Filmriss Kino: (v.l.) Clarissa Bader (IG Metall), Barbara Lützenbürger, Bürgermeister Claus Jacobi, Jürgen Schuh (VVN) und Thomas Scherffig. Foto: Volker Speckenwirth

Gevelsberg. „Wir möchten unsere antifaschistische Einstellung zeigen“, machte Bürgermeister Claus Jacobi gestern Abend klar. Eine Woche lang steht Gevelsberg bereits zum vierten Mal im Zeichen von Aktionen gegen Rechts.

Der Titel „Aktionswoche für Zivilcourage und gegen rechte Gewalt“ ist etwas sperrig, aber das Thema ist es halt auch. Es wendet sich vornehmlich an Jugendliche. Beispielsweise mit der gestern Abend eröffneten Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“.

Ganz bewusst hat Veranstalter VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) diesen Begriff gewählt. Beim Begriff Rechtsextremismus werde unterstellt, dass es sich um eine politische Randererscheinung unter vielen handelt. Es solle aber deutlich gemacht werden, dass die aktuelle politische Bewegung sich wenig von ihrem historischen Vorbild unterscheide.

Auch wenn das Titelbild der Ausstellung mit Reichskriegsflagge und Glatzkopf Stereotype der rechten Szene zeigt, so wird in den verschiedenen Tafeln doch auch deutlich gemacht, dass Neofaschisten keinesfalls nur Springerstiefel tragen, sondern auch im Nadelstreifenanzug zu finden sind.

In Schaubildern verdeutlicht der Ausstellung die faschistische Ideologie, zeigt die Struktur der rechten Szene auf, stellt Zusammenhänge dar und gibt Anregungen zu Gegenstrategien.

VVN-Landesgeschäftsführer Jürgen Schuh machte deutlich, warum er die Ausstellung für erforderlich hält: „Rassismus und Neofaschismus in Nadelstreifen haben längst in der Mitte unserer Gesellschaft Platz genommen.“ Die früheren Feindbilder „Juden und Bolschewisten“ seien abgelöst worden durch „Ausländer und Islamisten“. Zum Abschluss seiner emotionalen Rede stellte er klar: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“

Clarissa Bader, Bevollmächtigte der IG Metall, findet die Ausstellung „günstig platziert“. Diese ist bis einschließlich Sonntag im Filmriss-Kino in der Rosendahler Straße 18 zu sehen. Der Eintritt ist frei. Verbunden werden kann der Besuch – wie berichtet – auch mit einigen Filmen zum Thema, die in dieser Woche im Filmriss gezeigt werden.

Davon, dass nur wenige zur Eröffnung kamen, wolle man sich nicht entmutigen lassen, meinte Bürgermeister Jacobi. Auch Jürgen Schuh hängt die Ziele bewusst tief: „Wenn wir mit dieser Ausstellung auch nur ein wenig dazu beitragen können, dass Rassismus, Ausländerhass und Neofaschismus abgebaut werden, hat sich die Arbeit gelohnt.“

Jaqueline Stork, Frank Winter

Quelle: http://www.derwesten.de/staedte/schwelm/in-springerstiefeln-und-im-nadelstreifenanzug-id6054791.html

Eröffnung der Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ in Gevelsberg am 7. November 2011

Rede des Landesgeschäftsführers Jürgen Schuh zur Ausstellungseröffnung

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen  und Kollegen,

wir freuen sehr, unsere Ausstellung heute hier in Gevelsberg präsentieren zu können.

Es ist dies ein denkwürdiger Termin, denn 2011 ist der 70. Jahrestag der Deportation tausender jüdischer Mitbürger/innen aus dem Rheinland.

Dies ist die fünfte aktualisierte Fassung unserer Ausstellung seit 1985. In dieser Gemeinschaftsproduktion von VVN-BdA und Verdi stecken 25 Jahre Arbeit. Die Ausstellung umfasst auf 26 Tafeln ca. 300 Dokumente aus den letzten fünf Jahren. Sie soll einen Überblick über das Gesamtphänomen Neofaschismus geben, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Ausstellung richtet sich an den Laien. Sie ist keine Ausstellung von „Akademikern für Akademiker“.

Diese fünfte Fassung wurde bisher ca. 100 mal gezeigt. In Bürgerhäusern, Rathäusern, Gewerkschaftshäusern, Universitäten, Schulen, Kirchengemeinden, Jugendzentren, Volkshochschulen, Bibliotheken, Konferenzen, Festivals usw.

Bemüht waren wir um Objektivität bei der Beurteilung der gegenwärtigen Situation.

Diese Ausstellung gefällt nicht jedem. Es gab in den letzten eineinhalb Jahren mehrfache Versuche des „Mund-tot-machens“.

Diese beziehen sich darauf, dass wir auch nachfragen, wie sich Neofaschisten eigentlich in dieser Gesellschaft bewegen. Die Fragen nach Bezügen in die

Mehrheitsgesellschaft, Anknüpfungspunkten, inhaltlichen und personellen Überschneidungen und wenn ja, auf welchen Politikfeldern?

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

Was macht unseres Erachtens diese Ausstellung erforderlich?

Es ist die aktuelle Lage in Deutschland und in Europa, die Veranlassung ist, darüber nachzudenken, dass Faschisten und Rassisten in vielen europäischen Parlamenten, in zahlreichen deutschen Landtagen und in ungezählten Kommunalparlamenten Sitz und Stimme haben.

Rassismus und Neofaschismus im Nadelstreifen haben längst in der Mitte unserer Gesellschaft Platz genommen. In den sogenannten „Volksparteien“ können sich Rassisten wie Sarrazin und zahllose andere sicher fühlen. Das ist der Boden, auf dem Neofaschismus gedeiht.

Feindbilder werden gebraucht. Was gestern die „Juden“ und die „Bolschewisten“ waren, sind heute die Ausländer, sind die „Islamisten“. Das lenkt immer billig vom Problem ab.

Der sogenannte „islamistische Terror“ hat bisher in unserem Land zwei tote US-Soldaten gefordert. Das sind zwei zuviel.

Aber der zunehmende neofaschistische Terror, der in unseren Städten seit 1990 mehr als 150 Mordopfer gefordert hat, wird dagegen kaum thematisiert. Er wird gar von der Bundesregierung auf 49 Tote heruntergerechnet.

Seit 2001 wurden mit Bundesgeldern Projekte gefördert, die dem immer stärkeren Anstieg rechter Gewalt und dem weiteren Vordringen der Neonazis entgegenwirken sollten.

Familienministerin Christina Schröder entschied nun, Mittel aus diesem Programm in den Kampf gegen „Linksextremismus“ umzuleiten. Sie führte aber auch gleich noch einen „Gesinnungs-TÜV“ ein. Alle Projekte gegen Rechts, die staatliche Gelder erhalten, müssen sich nun zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ bekennen und sich verpflichten, alle Kooperationspartner auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen und sicherstellen, dass keine sog. Linksextremisten darunter sind.

Die Zusammenrottung der Faschisten zu ihrem „Nazionalen Antikriegstag“ im September in Dortmund wurde mit dem Einsatz von 4.500 Polizisten ermöglicht.

Die Polizei setzte eine Bürgerkriegsarmee ein, damit 700 Faschisten unbehindert grölen konnten „Nie wieder Krieg, nach unserem Sieg!“

Halb Dortmund war im Belagerungszustand. Mit Wasserwerfern, Räumpanzern, Reizgas-Einsatz und Schlagstöcken ließ der Dortmunder Polizeipräsident den Faschisten die Straße frei räumen. Es war schon merkwürdig, wie Oberbürgermeister Sierau auf der Seite der Antifaschisten und der Polizeipräsident auf der Seite der Neofaschisten gegenüberstanden.

Die Sprachregelung der Polizei lautete so:

“Die Polizei schützt nicht die Neonazis, sie schützt die Versammlungsfreiheit!“

“Blockaden stärken die Falschen“ hieß es auf Großflächenplakaten der Polizei.

Wer sich den Neofaschisten entgegenstellt, stärkt die Falschen?

Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Frank Richter hat völlig recht, wenn er sagt:

“Dann sollte man besser politisch die Handhabe dafür schaffen, dass Neo-Nazi-Demos untersagt werden“.

In politischen Kreisen wird ständig verbreitet, man könne da nichts machen.

Es ist nicht eine Frage des „Könnens“ sondern des „Wollens“.

Nach Artikel 139 Grundgesetz, der die Fortgeltung des Verbots der NSDAP betrifft,  sind alle Nachfolge- und Tarnorganisationen verboten und aufzulösen. Dieser Verfassungsartikel 139 ist nie vom Parlament gelöscht worden.

Aber der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts und spätere Bundespräsident Roman Herzog hatte erklärt:

“Mit dem Abschluss der sogenannten Entnazifizierung ist Artikel 139 obsolet geworden“.

Die „Entnazifizierung“ war für Roman Herzog abgeschlossen und damit war die juristische Grundlage beseitigt, faschistische Strukturen aufzulösen. Mit einem Federstrich entsorgte Roman Herzog den antifaschistischen Auftrag des Grundgesetzes. Dass sich die „Deutsche Nationalzeitung“ „an der Spitze des höchsten deutschen Gerichtes keinen geeigneteren Fachmann als Prof. Herzog“ vorstellen konnte, versteht sich.

Aber auch die rot-grüne NRW-Landesregierung zeigt kein rechtes „Wollen“, dem Wunsch des Gewerkschaftsvorsitzenden Frank Richter nachzukommen.

Zum Beispiel wird in einer Neuauflage der Broschüre „ANDI 3“ die Losung vieler junger Demonstrantinnen und Demonstranten „Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen“, als Aufforderung zum Gesetzesbruch diffamiert. In dieser Broschüre, die an den Schulen verteilt wird, heißt es, mit dieser Losung würden die „Linksextremisten“ ihrem politischen Gegner, den Nazis, alle demokratischen Rechte absprechen. Und genau das ist unsere erklärte Absicht.

1933 haben die Faschisten ihr Recht auf die Straße geltend gemacht. Die entsetzlichen Ergebnisse sind bekannt. Nach den gemachten historischen Erfahrungen sprechen wir hier und heute ausdrücklich Neofaschisten aller Schattierungen das Recht zu demonstrieren und das Recht auf ihre Propaganda ab! Und wenn wir uns damit nach Meinung von Polizei, Justiz und Politik strafbar machen, dann sagen wir: Wir verteidigen das Grundgesetz. Das sind wir den Millionen Opfern schuldig.

Einen absoluten Höhepunkt stellt ein zehnseitiges Exposee der Mitarbeiterin des Baden-Württembergischen Verfassungsschutzes Bettina Blank über die VVN-BdA dar. Sie erklärt zum „Schwur von Buchenwald“, (das illegale Lagerkomitee hatte das KZ vor dem Eintreffen der US-Truppen selbst befreit) folgendes:

“Für die damals (an der Befreiung) beteiligten nicht unbedingt erkennbar, war der am 19. April 1945 auf dem Appellplatz des Konzentrationslagers Buchenwald abgelegte Schwur eine Inszenierung des kommunistisch dominierten ‚Internationalen Lagerkomitees’ “. Das ist eine Geschichtsfälschung und eine Diffamierung der Überlebenden und der Befreier des KZ’s.

Der erste Ministerpräsident des Landes NRW Dr. Rudolf Amelunxen (damals Zentrum), erklärte auf dem Gründungskongress der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes am 26. Oktober 1946 in Düsseldorf vor 500 Delegierten:

“In der Ausübung der Toleranz darf und muss nur eine Ausnahme gemacht werden, nämlich die, dass es keine Freiheit gibt für die Mörder der Freiheit. Wir kennen diese und werden alles tun, um sie nicht noch einmal zum Zuge kommen zu lassen!“

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

Freie Entfaltungsmöglichkeiten für Faschisten hat Millionen Menschen das Leben gekostet.

Das darf sich nicht wiederholen! Es bleibt dabei: Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen! Nie wieder Krieg und Faschismus!

Diese Ausstellung ist ein Angebot, sich ein eigenes Bild zu machen. Machen Sie sich ihren eigenen Kopf, bevor sie unsere Kommentierungen und Einschätzungen lesen.

Wenn wir mit dieser Ausstellung auch nur ein wenig dazu beitragen können, dass Rassismus, Ausländerhass, Neofaschismus abgebaut werden, hat sich die Arbeit gelohnt.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.