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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

31.10.2011

Stilles Gedenken hilft nicht den Opfern - lautstarkes Wehren gegen Rechts ist angesagt!

Die Stadt hatte den Termin vergessen. Mehr als 60 zumeist junge AntifaschistInnen fanden sich am Düsseldorfer Bahnhof Derendorf ein, um dem 70. Jahrestag der Deportation von mehr als 6000 Juden in die Todeslager zu gedenken. Für die Jüdische Gemeinde sandte Michael Szentei-Heise eine Grußadresse. Vertreter des Asta der Fachhochschule Düsseldorf und der Kreissprecher der VVN-BdA Düsseldorf ergriffen das Wort. Der Beitrag der
VVN-BdA im Wortlaut:

Ansprache des Kreissprechers der VVN-BdA Düsseldorf, Jürgen Schuh, aus Anlass des 70. Jahrestages der Deportation von mehr als 6.000 Juden aus dem Rheinland 1941 vom Bahnhof Düsseldorf-Derendorf in den Tod.

Liebe Freundinnen und Freunde,
sehr geehrte Damen und Herren,

im Jahr 1941 wurden von hier – dem ehemaligen Reichsbahnhof Düsseldorf-Derendorf – mehr als 6.000 Jüdinnen und Juden aus dem Rheinland deportiert.

Sie wurden in den faschistischen Vernichtungslagern ermordet oder starben unter den furchtbaren Arbeitsbedingungen in den Arbeitslagern für den Profit deutscher Konzerne.

Der Mahn- und Gedenkstätte der Stadt Düsseldorf ist zu verdanken, dass am 2. November 2011 im Landtag NRW eine Wanderausstellung „Deportiert ins Ghetto. Die Deportationen der Juden aus dem Rheinland im Herbst 1941 in das Ghetto Litzmannstadt“ eröffnet wird.

Die Eröffnung wird im Landtag in einer „nicht-öffentlichen Gedenkstunde“ in der „Bürgerhalle“ des Landtages zelebriert.

Ein „Stilles Gedenken“ in geschlossener Gesellschaft ist sicherlich lobenswert.

Das reicht aber nicht!

Wir können die zahllosen Opfer nicht wieder zum Leben erwecken. Aber wir sind ihnen 70 Jahre nach ihrer Deportation in den Tod eines schuldig:

In einem „öffentlichen Gedenken“ das Versprechen zu geben, das dass, was 1941 passierte, sich nie wiederholen darf.

Dafür stehen wir hier.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

die aktuelle Lage in Deutschland und in Europa ist Veranlassung, darüber nachzudenken, dass Faschisten und Rassisten in allen europäischen Parlamenten, in zahlreichen deutschen Landtagen und in ungezählten Kommunalparlamenten Sitz und Stimme haben.

Rassismus und Neofaschismus im Nadelstreifen hat längst in der Mitte unserer Gesellschaft Platz genommen. Die sogenannten „Volksparteien“ haben schon nicht mehr den Willen, sich von solchen Rassisten wie Sarrazin zu trennen.

Feindbilder werden gebraucht. Was gestern die Juden waren sind heute die „Islamisten“. Das lenkt immer billig vom Problem ab.

Der sogenannte „islamistische Terror“ hat bisher in unserem Land 2 tote US-Soldaten gefordert.

Der neofaschistische Terror, der in unseren Städten seit 1990 mehr als 150 Mordopfer gefordert hat, wird von der Bundesregierung auf 49 Tote heruntergelogen.

Statt sich dem immer offener werdenden Terror der Neofaschisten in unseren Städten zu stellen, wird jetzt vom Bundesinnenministerium ein „Aussteigerprogramm für Linksextremisten“ angeboten.

Da wird suggeriert, dass in der linken Szene mit psychischem, physischem und ökonomischem Druck Menschen von ihrem Engagement gegen Neonazis abzulassen, gehindert werden. Das ist Blödsinn. Wer sich beim Bundesinnenministerium als „Aussteiger“ meldet, landet beim „Bundesamt für Verfassungsschutz“ und wird als „V-Mann“ angeworben. Dieser Verein hat mit seinem V-Mann-System (die nennen das Vertrauensleute) ein Verbot der NPD verhindert. Über dieses V-Mann-System (die bekommen alle viel Geld aus Steuermitteln), mitfinanziert die NPD ihren neofaschistischen Laden.

Diesem Verein stand übrigens ab 1956 ein Hubert Schrübbers als Präsident vor. Er war während des Faschismus Generalstaatsanwalt in Hamm und ist verantwortlich für zahlreiche Terrorurteile gegen Antifaschisten und zeichnete sich wieder durch die gnadenlose Verfolgung von Antifaschisten in der Adenauer-Ära aus. Gelernt ist gelernt.

Erinnern möchte ich hier an den Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassegesetzgebung, Hans-Maria Globke. Dieses Gesetz war die juristische Grundlage für Millionenfachen Mord. Dieser Schreibtischmörder wurde unter Adenauer 1. Staatssekretär. Eine bösartigere Verhöhnung von Millionen Ermordeter ist für mich nicht vorstellbar.

Aber nun zu aktuellen Fragen:

Familienministerin Christina Schröder, Praktikantin in der CDU-Fraktion, hatte entschieden, angesichts der ständig zunehmenden Nazi-Provokationen zunächst mal Mittel aus dem Programm gegen „Rechtsextremismus“ Millionen in den Kampf gegen „Linksextremismus“ umzuleiten. Seit 2001 wurden mit Bundesgeldern Projekte gefördert, die dem immer stärkeren Anstieg rechter Gewalt und dem weiteren Vordringen der Neonazis entgegenwirken sollten.

Sie führte aber auch gleich noch einen „Gesinnungs-TÜV“ ein. Alle Projekte gegen Rechts, die staatliche Gelder erhalten, müssen sich nun zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ bekennen und sich verpflichten, alle Kooperationspartner auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen.      

Der CDU-Landtagsabgeordnete Olaf Lehne richtete an den Landtag die Anfrage, ob der „historisch präzisere Begriff für diese Zeit“, also den „Faschismus“ nicht „Nationalsozialismus“ ist? Er hat vermutlich nicht verinnerlicht, dass die Bezeichnung „Nationalsozialismus“ eine Wortschöpfung der Faschisten war, die damit zu vermitteln versuchten, dass ihre faschistische Partei national und sozialistisch sei. Beides war sie nicht. Bertolt Brecht verwies schon auf diese Frage und warnte:

“Heute beunruhigt, dass der Faschismus absichtsvoll immer häufiger mit seinem zweiten Namen ‚Nationalsozialismus’ bezeichnet wird. Dahinter steckt, dass Faschismus und Sozialismus gleich gemacht werden sollen“.

Die Zusammenrottung der Faschisten zu ihrem „Nazionalen Antikriegstag“ im September in Dortmund wurde mit dem Einsatz von 4.500 Polizisten ermöglicht.

Die Polizei setzte eine Bürgerkriegsarmee ein, damit die Faschisten unbehindert grölen konnten „Nie wieder Krieg, nach unserem Sieg!“

Halb Dortmund war im Belagerungszustand. Mit Wasserwerfern, Räumpanzern, Reizgas-Einsatz und Schlagstöcken ließ der Dortmunder Polizeipräsident den Faschisten die Straße freiknüppeln. Es war schon merkwürdig, wie Oberbürgermeister Sierau auf der Seite der Antifaschisten und der Polizeipräsident auf der anderen Seite gegenüberstanden.

Die Sprachregelung der Polizei lautete so:

“Die Polizei schützt nicht die Neonazis, sie schützt die Versammlungsfreiheit!“

In Großflächenplakaten der Polizei war zu lesen:

“Demonstrieren? JA!
Meinungskundgabe? JA!
Blockieren? NEIN!
Blockaden stärken die Falschen“

Welchen kranken Gehirnen können solche dummen Sprüche nur entspringen.

Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Frank Richter hat völlig recht, wenn er sagt:

“Dann sollte man besser politisch die Handhabe dafür schaffen, dass Neo-Nazi-Demos untersagt werden“.

In politischen Kreisen wird ständig verbreitet, man könne da nichts machen. Es nicht eine Frage des „Könnens“ sondern des „Wollens“.

Es gibt im Grundgesetz einen Artikel 139, der die Fortgeltung des Verbots der NSDAP betrifft. Danach sind alle Nachfolge- und Tarnorganisationen verboten und aufzulösen. Dieser Artikel 139 ist nie vom Parlament gelöscht worden.

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts und ehemalige Bundespräsident Roman Herzog hatte aber mitgeteilt:

“Bei seinem Inkrafttreten fand das Grundgesetz eine beträchtliche Anzahl von alliierten und deutschen Rechtsvorschriften vor, die sich mit der sogenannten Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus, kurz mit der sogenannten Entnazifizierung befassten.“

Mit der „sogenannten Entnazifizierung“ hatte er ja Recht. Die gab es nämlich nicht. Über die Karrieren von hochkarätigen Nazi-Verbrechern in Politik, Justiz, Verwaltungen, Bundeswehr könnten wir stundenlang reden.  

Roman Herzog führte aber schon seit langem als Kommentator des Grundgsetzes  den Befreiungsschlag:

“Mit dem Abschluss der sogenannten Entnazifizierung ist Artikel 139 obsolet geworden“.

Damit erklärte Roman Herzog die „Entnazifizierung für abgeschlossen“ und die faschistische „Deutsche Nationalzeitung“ konnte sich (Zitat) „an der Spitze des höchsten deutschen Gerichtes keinen geeigneteren Fachmann als Prof. Herzog“ vorstellen.

Klar, dass die Faschisten gratulierten. Damit war die juristische Grundlage beseitigt, die die Möglichkeit bot, alle neofaschistischen Strukturen aufzulösen. Ein einziger Rechtskonservativer erledigt mit einem Federstrich das Grundgesetz. Bananenrepublik Deutschland.

Aber auch die rot-grüne NRW-Landesregierung zeigt kein rechtes „Wollen“, dem Wunsch des Gewerkschaftsvorsitzenden Frank Richter nachzukommen.

Zum Beispiel wird in einer Neuauflage der Broschüre „ANDI 3“ die Losung der VVN-BdA  „Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen“ als Aufforderung zum Gesetzesbruch diffamiert. In dieser Broschüre, die an den Schulen verteilt wird, heißt es weiter, mit dieser Losung würden die „Linksextremisten“ ihrem politischen Gegner alle demokratischen Rechte absprechen. Ja, natürlich! Und das erwarten wir auch von den Volksvertretern!

Verantwortlich für die Broschüre des Verfassungsschutzes (übrigens eine Neuauflage aus der schwarz-gelben Koalition) zeichnet das Innenministerium des Landes NRW verantwortlich. Ralf Jäger als zuständiger Minister hat auch gleich das Vorwort seines FDP-Vorgängers wortgetreu übernommen.

Der erste Ministerpräsident des Landes NRW Dr. Rudolf Amelunxen (damals Zentrum), erklärte auf dem Gründungskongress der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes  am 26. Oktober 1946 in Düsseldorf vor 500 Delegierten:

“In der Ausübung der Toleranz darf und muss nur eine Ausnahme gemacht werden, nämlich die, dass es keine Freiheit gibt für die Mörder der Freiheit. Wir kennen diese und werden alles tun, um sie nicht noch einmal zum Zuge kommen zu lassen!“

1933 haben die Faschisten ihr Recht auf die Straße geltend gemacht. Die entsetzlichen Ergebnisse sind bekannt. Nach den gemachten historischen Erfahrungen sprechen wir hier und heute ausdrücklich Neofaschisten aller Schattierungen das Recht zu demonstrieren ab! Das Recht auf Meinungsäußerung ebenfalls!

Auch wenn das manchem nicht gefällt. Freie Meinungsäußerung für Faschisten hat Millionen Menschen das Leben gekostet.

Das darf sich nicht wiederholen! Auch wenn Justiz, Polizei, Politik und Medien die antifaschistische Bewegung zu kriminalisieren suchen. Es bleibt dabei:

Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!