28.10.2011 Erstmals wurde eine Schule nach Helmuth
Hübener benannt Mut üben, ist
die Losung der Schülerinnen und Schüler helMUTh
hÜBENer
– So schreibt sich der Name der Stadtteilschule in
Hamburg-Barmbek neuerdings. Gestern war die Namensgebungsfeier der
Helmuth-Hübener-Schule. Sie war hinreißend.
Besonders die Schülertheatergruppe, aber auch die Band, der
Chor, die Malerei. Ulrich Sander
war einer der Redner. Es folgt sein Redetext zur Würdigung des
Widerstandskämpfers, der genau vor 69 Jahren im Alter von 17
Jahren als jüngstes Opfer des Volksgerichtshofes ermordet
wurde. Rede von Ulrich Sander
(Bundessprecher der VVN-BdA, Autor der Hübener-Biographie
„Jugendwiderstand im Krieg“) Ich
gratuliere Ihnen und Euch sehr herzlich zur neuen Namensgebung der
Schule am Benzenbergweg. Als ich zum ersten Mal von
Helmuth Hübener hörte, war ich so alt wie er war, als
er begann, seine Flugblätter zu schreiben. Also 16 Jahre, so
alt wie viele von Euch Schülerinnen und Schülern. Ich
las das Todesurteil vom 11. August 1942 in einem Heft, das ein
Mitstreiter meiner Lehrerin Lisa Niebank, der Journalist Franz Ahrens
herausgegeben hat, Das Urteil hatte er in den Wiedergutmachungsakten
gefunden. Das Urteil hat mich sehr beeindruckt. Die Nazirichter
schilderten darin sehr genau die große Widerstandsleistung
und den Mut wie die Klugheit Helmuth Hübeners. Er war ein so
gefährlicher Feind für sie, dass sie ihn zum Tode
verurteilten. Er war mit 17 Jahren ihr jüngstes Opfer. Wir
haben dann in der Geschwister Scholl Jugend Hamburg, einer Jugendgruppe
von Kindern von NS-Verfolgten und Widerstandskämpfern,
darüber gesprochen. 1960 bildeten wir eine Arbeitsgruppe, um
Kurzbiographien junger Widerstandskämpfer zu verfassen. Ich
übernahm es, über Helmuth Hübener zu
schreiben. Es begann eine Spurensuche, die nun schon über
fünfzig Jahre währt. Ich habe
Lehrer und Mitschüler, Geschwister und Mitkämpfer
Hübeners interviewt, und fand zusammen mit Franz Ahrens
Material über die Kontakte Hübeners zu jungen
Arbeitern in Altona, die aus kommunistischen Familien kamen. Als diese
sämtlich in die Wehrmacht eingezogen worden waren, machte
Hübener allein weiter: Er hörte Auslandssender ab.
Bald ging er einen Schritt weiter, er verbreitete die Nachrichten
schriftlich mit vielen Durchschlägen. Ich
schrieb namens unserer Jugendgruppe Briefe an viele Leute und
Institutionen, von denen wir uns Hilfe erhofften: "Wir sind der
Ansicht, daß Hübeners Tat gegen Krieg und Faschismus
sicher genauso bemerkenswert ist, wie die der `Weißen Rose'.
Wie die Münchener Studenten fand auch er, der
17jährige Hamburger Junge, der anfangs selbst begeistert in
der HJ mitmachte, zu den Idealen der Menschlichkeit und verteidigte
diese inmitten einer Welt der Gewalt und des Krieges. Sein Handeln ist
heute fast vergessen. Keine Straße wurde nach ihm benannt,
kein Stein wurde ihm gesetzt, kein Buch für ihn geschrieben.
Was in unseren Kräften steht, wollen wir tun, damit der Mantel
des Vergessens sich nicht ganz über ihn und jene Zeit
ausbreitet, damit der heutigen Jugend ein Vorbild erhalten bleibt,
welches endlich den Weg weist zu einer Zukunft des Friedens und der
Menschlichkeit. Bitte helfen Sie uns dabei." Soweit unser Brief. Manche
halfen und manche auch nicht, eher nicht. Und das Buch wurde
geschrieben, zwei Straßen in Hamburg nach ihm benannt. Und
nun diese Schule! Und dies Lesebuch! (Es erscheint im Dezember mit
einem Abschnitt über „Widerstand“ und
„Hübener“ in der Reihe doppel-klick bei
Cornelsen) Damals las ich die "Reportage unterm
Strang geschrieben" von Julius Fucik, dem Prager Journalisten und
Widerstandskämpfer, den die Nazis – wie Helmuth - in
Plötzensee ermordeten. In seiner insgeheim in Gestapohaft
geschriebenen Reportage heißt es an einer Stelle: "Die ihr
diese Zeit überlebt, vergeßt nicht.
Vergeßt die Guten nicht und nicht die Schlechten. Sammelt
geduldig die Zeugnisse über die Gefallenen. Ich
möchte, daß man weiß, daß es
keine namenlosen Helden gegeben hat. Sucht euch wenigstens einen von
ihnen aus und seid stolz auf ihn.“ Ich suchte mir Helmuth
Hübener als einen solchen Menschen aus. Und nun habt Ihr es
auch getan. Drei lange Jahre dauerte es, bis ich
Helmuths Akten kennenlernen durfte. Die Behörden in Hamburg
und in Berlin/West, wo die Akten lagerten, weigerten sich zu helfen. Es
war die Zeit, da hohe Nazis noch in allen Ämtern
saßen. Da war man nicht daran interessiert, dass Namen
bekannt würden – nicht von Opfern, schon gar nicht
von Tätern. Einen Teil der Akten besorgte das Komitee der
antifaschistischen Widerstandskämpfer aus Beständen
der DDR. In Hamburg aber redeten die Behörden sich darauf
raus, daß die Geschwister Scholl Jugend nicht
„anerkannt" sei. Ein Amtsrat Bugdahn vom Personalamt des
Hamburger sagte mir, die dortige Hübener-Akte sei "top
secret". Die Behandlung unserer
Jugendgruppe als „extremistisch“, löste
den Protest des Vaters der Geschwister Scholl,
Oberbürgermeister i.R. Robert Scholl, aus. Dieses Vorgehen, so
schrieb er uns, "zeigt, daß die restaurativen Kräfte
aus dem Dritten Reich sich wieder überall regen
dürfen und salonfähig geworden sind. Desto wichtiger
ist es, daß Sie die Jugend ... darüber
aufklären, was heute schon wieder gespielt wird und sie dabei
zu selbständigem, kritischem Denken erziehen." Ich
gab nicht auf, beschaffte mir Akteneinsicht. Aber das war schwierig. Es
war nicht erwünscht. Das was uns viele Ältere und
viele aus Helmuths Generation immer wieder sagten: Man konnte nichts
wissen und nichts tun! das wurde von Helmuth und seinen Freunden
widerlegt. Allerdings zeigte ihr Schicksal auch, welche Gefahr jenen
drohte, die sich wehrten. Deshalb ist für uns eine Lehre aus
jener Zeit auch immer gewesen: Es gilt, sich rechtzeitig gegen alte und
neue Nazis, gegen die Beseitigung der Demokratie zu wehren, damit das
sich Wehren nie mehr lebensgefährlich wird. Denn dann ist es
zu spät. Helmuth Hübener ist sehr
aktuell. Er hatte in Flugblättern gewarnt: „Zu
Tausenden wird Hitler Eure Frauen und Kinder zu Witwen und Waisen
machen, und der von Hitler begonnene Bomberkrieg wird
unzähligen Deutschen das Leben kosten.“ Die da
Hübeners Flugblätter 1941 und 1942 bei der Polizei
abgaben und ihre Nachbarn verdächtigten, sie geschrieben zu
haben, sie lebten zumeist 1943 nicht mehr. 35.000 Menschen aus Hamm,
Hammerbroock und Rothenburgsort starben in einer Nacht ein knappes Jahr
nachdem das Urteil gegen Hübener vollstreckt worden war. Wenn
wir heute durch diese Stadtteile gehen, finden wir an fast jedem Haus
die Tafel "Zerstört 1943, wiederaufgebaut 195.." Auf mich
wirken diese zahllosen Tafeln wie ein einziges großes
Antikriegsdenkmal. Die Summe dieser Tafeln bestätigt die
Warnung Hübeners. Eine weitere Mahnung von
Helmuth Hübener ist heute aktuell: „Wenn alles sich
rührt, haben die Nazis auskalkuliert,“
heißt es einem Gedicht von ihm, das eben auch vorgetragen
wurde. Daher meine ich, es gilt sich gegen neuen Ungeist, neue Nazis,
neuen Rassismus, neue Kriege zu rühren. Damit nie wieder ein
so großer Mut zum sich Wehren notwendig wird, wie zu Helmuth
Hübeners Zeiten, muß jetzt gehandelt werden. In
seinem Sinne müssen wir wachsam sein. Siehe auch: http://www.cobenz.de/ http://www.teenreads.com/reviews/9780439680134.asp http://www.welt.de/print/wams/vermischtes/article12654211/Im-Namen-des-Zweifels.html |