25.10.2011
Walter Krämer: „Humanität kennt kein Parteibuch“
Siegen. Großes Interesse gibt es am Leben und
Wirken von Walter Krämer. Rund 90 Teilnehmer aus ganz Deutschland
hatten sich zum Symposium anlässlich des 70. Jahrestages der
Ermordung des Siegener Humanisten im KZ Buchenwald angemeldet.
Ziel der von der VVN Siegen-Wittgenstein und der Lagergemeinschaft
Buchenwald-Dora ausgerichteten Veranstaltung war es, die Taten Walter
Krämers im geschichtlichen Kontext zu beleuchten. Denn eine
angemessene Ehrung für den Siegener Kommunisten ist längst
überfällig. Dies betonte auch der erste Beigeordnete der
Stadt Siegen, Reinhold Baumeister, als Vertreter des
Bürgermeisters.
Kommentar: Wieder eine Chance verpasst
Beteuerungen
gibt es viele, nun endlich eine Ehrung für den großen
Humanisten Walter Krämer erreichen zu wollen. Selbst die CDU hat
dies im Frühsommer angekündigt. Und der
CDU-Bürgermeister reklamiert sogar, dass der Vorschlag, den Platz
vor dem Kreisklinikum nach Krämer zu benennen, von ihm stammt.
Schön und gut. Doch passiert ist nichts.
Auf der
Tagesordnung des Rates am Mittwoch und der Gesellschafterversammlung
des Kreisklinikums am Donnerstag fehlte dieser Punkt erneut. Nur unter
„Verschiedenes“ wurde das Thema kontrovers diskutiert. Die
Chance, den 70. Todestag zum Anlass für die Ehrung zu nehmen,
wurde verpasst.
So kann man sich dem Thema jedoch nicht
nähern: Hier muss eine objektive (!) Vorlage auf den Tisch, die
das Für und (gegebenenfalls auch das )Wider beleuchtet. Nur eins
muss dabei klar sein: Mit fadenscheinigen Argumenten wie „Ein
altes Navigationsgerät kennt die Adresse des Krankenhauses dann
nicht mehr“ sollte nicht gearbeitet werden. Es ist
schließlich kein Problem, beide Anschriften zu führen. Nur
mal am Rande: Die Post für das Kultur!Büro des Kreises kommt
schließlich auch mit Koblenzer Straße und St.
Johann-Straße an.
Alexander Völkel |
Kein Ruhmesblatt für die Stadt Siegen
„Ich halte es nicht für ein Ruhmesblatt, dass die
Diskussion über diese Frage nicht schon viel früher zu einem
Einvernehmen gebracht wurde.“ Schließlich sei Walter
Krämer vor 70 Jahren ermordet worden. Und fast genauso lange ringe
seine Heimatstadt um eine würdige und angemessene Form des
Gedenkens und der Ankerkennung.
Dabei
dürfe nicht sein Parteibuch im Fokus stehen: „Nicht seine
Rolle als Parteipolitiker und Reichstagsabgeordneter heben ihn als
Persönlichkeit der Zeitgeschichte heraus“, so Baumeister.
„Was ihn unvergessen macht, ist die Mitmenschlichkeit, die er
unter den unsäglichen Bedingungen der KZ-Haft zeigte.“ Nur
das dürfe Kriterium sein. „Er war ein Mensch, der anderen
half, zu einer Zeit und an einem Ort, die von Entmenschlichung
gekennzeichnet waren“, betonte Baumeister unter dem Applaus der
90 Tagungsteilnehmer. „Humanität kennt kein
Parteibuch.“
Daran knüpfte auch Referent Dr. Ulrich Peters an, der den
kommunistischen Widerstand im KZ Buchenwald beleuchtete. „Walter
Krämer war nicht nur ein standhafter Antifaschist und Retter
für viele, sondern auch ein einwandfreier Charakter von einer
Größe, der viele nur nacheifern können“, zog der
Historiker ein persönliches Fazit. „Wer versucht, Walter
Krämers Andenken in ein schlechtes Licht zu rücken, etwa mit
der Begründung, er sei ja Kommunist gewesen, setzt sich nicht nur
über die Erkenntnisse der historischen Forschung hinweg, sondern
verwehr auch einem aufrechten Humanisten die verdiente
Anerkennung“, so Peters. „Die Stadt Siegen sollte ihre
Chance jetzt nutzen, ihren großen Sohn zu ehren.“
Chance zum 70. Jahrestag verpasst
Dass die Chance dazu besteht, machte Joachim Mertens von der VVN
deutlich. Sie hätten den Vorschlag des Landrats, den neuen Platz
vor dem Kreisklinikum nach Krämer zu benennen, „dankend
angenommen“. Allerdings müsse der Platz auch in die
Straßenliste eingetragen werden und zur Adresse des
Kreisklinikums (Walter-Krämer-Platz 1) werden. Zudem bedürfe
es einer Gedenktafel. Allerdings habe er diesen Vorschlag auf der
Tagesordnung des Rates und der Gesellschafterversammlung vermisst. Die
Stadt habe so die Chance verpasst, die Ehrung zum 70. Jahrestag seiner
Ermordung zu realisieren.
Grußwort von Peter Hochhuth.
Großes Interesse gab es am Symposium Leben im Widerstand
anlässlich des 70. Jahrestages der Ermordung von Walter
Krämer. 90 Teilnehmer hatten sich zur Tagung der VVN und der
Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora angemeldet. Foto: Alex Völkel
Die Notwendigkeit dazu bestehe weiterhin, machte Peter Hochhuth im
Namen der Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora deutlich. Schließlich
sei Krämer das Leben der anderen wichtiger gewesen als sein
eigenes. Daher sei er stolz darauf, dass nach dem Tod der Menschen,
denen Krämer einst als „Arzt von Buchenwald“ das Leben
rettete, nun deren Kinder und Enkel keine Mühen scheuten, um
endlich die Ehrung zu erreichen.
Dabei, so Referent Prof. Dr. Kurt Pätzold, spielten
Denkmäler, Gebäude oder die Namen von Straßen und
Schulen eine wichtige Rolle. „Einen Großteil der Menschen
bezieht dadurch einen Denkanstoß.“ Daher lohne es, sich
weiter für eine Benennung nach Krämer stark zu machen.
Siegen, 23.10.2011, Alexander Völkel.
Zuerst erschienen: derwesten.de
Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Siehe auch:
Symposium "Leben im Widerstand"/Lokalzeit Südwestfalen 22.10.2011
http://www.youtube.com/watch?v=XQHVAPUD6Qo |