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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

09.10.2011

Nazis üben bei der Bundeswehr

NPD-Kader kommen über Reservistenverband an Waffenbesitzkarten

Mehrere sächsische NPD-Kader sind offenbar über eine Mitgliedschaft im Reservistenverband der Bundeswehr an Waffenbesitzkarten gelangt. Sie sollen zudem auch an Schießübungen des Verbandes im Raum Leipzig teilgenommen haben. Verbands-Vizepräsident Michael Sauer bestätigte dem Mitteldeutschen Rundfunk MDR entsprechende Berichte der Linken-Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz und des Internetportals "Gamma". Nach seinen Worten handelt es sich um den NPD-Landtagsabgeordneten Winfried Petzold, den Leipziger NPD-Chef und Landesvorstands-Mitglied Helmut Herrmann sowie den Kreisrat mit NPD-Mandat Gerd Fritzsche (Kreis Leipziger Land). Sauer bestätigte, dass zwei der NPD-Mitglieder im Besitz von Schusswaffen sind. Dabei soll es sich um ein Kleinkalibergewehr und eine Pistole handeln. Dies und weiteres wird berichtet in TAZ, 07.10.2011; LVZ, 08.10.2011; mdr, 07.10.2011.

taz.de, 07.10.2011

Neonazis im Reservistenverband

Rechtsextreme ballern mit

Neue E-Mails aus dem Innenleben der NPD zeigen: Beim Reservistenverband können NPD-Funktionäre ungestört mit Bundeswehrwaffen hantieren.

von A. SPEIT & M. KAUL

BERLIN/HAMBURG taz | Beim Reservistenverband der Deutschen Bundeswehr dürfen Mitglieder und Funktionäre der rechtsextremen NPD ungerührt Schießübungen abhalten und mit Waffen aus dem Bundeswehrbestand hantieren. Der Reservist Gerd Fritzsche ist ein solcher Fall. Das zeigen neue Emails aus dem Innenleben der NPD.

Der parteilose Kreistagsabgeordnete sitzt als Kandidat der NPD im Kreistag des Landkreises Leipzig. Der taz bestätigte Fritzsche, dass er wiederholt an Waffenübungen der Bundeswehrorganisation teilnahm. In einer Email an zahlreiche NPD-Funktionäre, die der taz vorliegt, behauptet er, dass auch der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Winfried Petzold sowie Sachsens NPD-Landesvize Helmut Herrmann mit ihm im Leipziger Schützenhof beim "Kurz- oder Langwaffenschießen" Übungen absolvierten.

In der Email heißt es: "Dank meiner Hilfe haben Hermann, Petzold und seine Frau auch Waffenbesitzkarten und entsprechende Waffen (Pistolen und Gewehre) durch den Reservistenverband der Bundeswehr in Leipzig erhalten." Von der Mail will Fritzsche heute nichts mehr wissen. Die zwei betroffenen NPD-Politiker waren für die taz am Freitag nicht zu erreichen.

Doch Michael Sauer, Vizepräsident des Reservistenverbandes, eine Organisation mit rund 250 hauptamtlichen Mitarbeitern, die dem Verteidigungsministerium unterstellt ist und jährlich über 16 Millionen Euro vom Staat erhält, bestätigt: "Die drei Herren sind bei uns Mitglieder." Es sei bekannt, dass einer der Männer ein kleinkalibriges Gewehr, ein anderer eine Pistole besitze. Fakt ist auch: Im "Schützenhof" finden tatsächlich Schießübungen des Verbandes statt.

Reservistenverband fühlt sich machtlos

Zwar beschafft der Reservistenverband weder Privatwaffen, noch verteilt er Waffenbesitzkarten. Doch wer Mitglied bei den Reservisten ist, wird vom Ordnungsamt, das die Besitzerlaubnis vergibt, im Regelfall als waffenkundig eingeschätzt. So können waffenbegeisterte Rechtsextreme über die Reserve der Bundeswehr an Waffen kommen - und anschließend entspannt im Verein üben.

Plus: Wer Mitglied bei der Reservistenorganisation ist, kann auch eigene Gäste mit zu den Schießübungen bringen. So bietet der Staat unfreiwillig eine Übungsstruktur für Rechtsextreme, die an ihrer Waffentauglichkeit feilen wollen. Kameradenausflug zum Ballerstand? Kein Problem.

Das gefällt auch dem Reservistenverband nicht - doch er fühlt sich machtlos. Mit einer Satzungsänderung versuchte der Verband in der Vergangenheit eine Grundlage zu schaffen, um Rechtsextreme aus den eigenen Reihen verbannen zu können. Doch heute räumen auch die Spitzenfunktionäre ein, dass ihre eigene Satzung diesbezüglich wirkungslos ist. "In zahlreichen Prozessen haben wir zwar gerne, aber leider erfolglos viel Lehrgeld bezahlt", sagt Sauer. Das sei zwar gut investiertes Geld, weil es beweise, dass der Verband keine rechtsextremen Mitglieder haben wolle.

Ohne NPD-Verbot geht es nicht

Doch nützen, so Sauer, würde die neue Regelung kaum etwas. "Solange die NPD nicht verboten ist, sind uns die Hände gebunden. Die Dauerlösung wäre, man hätte den Mut, verfassungsfeindliche Parteien zu verbieten."

Das Argument reicht Kerstin Köditz nicht. Sie ist Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion im sächsischen Landtag - und fordert nun Konsequenzen vom Reservistenverband. Alle drei genannten Personen seien einschlägig in Erscheinung getreten, heißt es von ihr.

"Die NPD ist zwar nicht verboten. Aber in jedem Verfassungsschutzbericht wird die Partei als militant kämpferisch gegen die demokratische Grundordnung beschrieben. So blauäugig kann ein Vize-Präsident des Reservistenverbandes doch nicht sein."

Doch der Reservistenverband steht mit der Problematik nicht ganz allein.

Ganz ähnlich erging es in der Vergangenheit dem Bundeswehrverband, der sich - anders als der Reservistenverband - nicht von Staatsgeldern, sondern von seinen Mitgliedsbeiträgen finanziert und eine Art "Gewerkschaft der Soldaten" ist.

Juristisch kompliziert

Nachdem der Bundeswehrverband im Mai 2009 den NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt hinauswerfen wollte, zog dieser vor die Verbandsschiedskommission. Diese nahm die Entscheidung des Bundesvorstandes zurück - weil Voigt niemals rechtskräftig verurteilt wurde. Noch heute ist Udo Voigt, Spitzenmann unter Deutschlands Neonazis, zahlendes Mitglied im Bundeswehrverband und weiterhin auch Hauptmann der Reserve. Schwer vorzustellen, was das im Ernstfall bedeuten sollte.

Die Situation ist juristisch kompliziert, denn auch die Fachleute sagen, es könne nicht für jeden Einzelnen einen Gesinnungscheck geben. Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagt zwar: "Es ist wichtig, dass die Verbände im Kampf gegen Rechtsextremismus immer wieder deutliche Ansagen machen und alle Möglichkeiten nutzen, die rechtlich haltbar sind." Aber die Probleme der Politik dürften nicht auf dem Rücken der Verbände ausgetragen werden. Arnold: "Hier hilft nur ein NPD-Verbot."

Und so zeigt sich einmal mehr, was eine Folge des gescheiterten NPD-Verbotes ist, das aufgrund der Schwemme von Verfassungs-Spitzeln unter den Rechtsextremen nicht zustande gekommen war: Erst die Bundeswehr, dann der Reservistenverband - und ab geht es zum Waffenhändler. So kann eine rechtsextreme Schießkarriere laufen.

lvz-online.de, 08.10.11

NPD-Kader am Schießstand

Interner Streit deckt Mitgliedschaft von Funktionären bei Reservistenverband der Bundeswehr auf

Leipzig. NPD-Spitzenfunktionäre aus Sachsen sind Mitglied der Reservistenkameradschaft Leipzig-Leutzsch der Bundeswehr. Dies geht aus E-Mails hervor, die in der Neonazi-Partei kursieren. Die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke) stellte Strafantrag. Gleichzeitig verweisen die E-Mails auf interne Grabenkämpfe in der Neonazi-Partei.

Von Jürgen Kochinke und Kai Kollenberg

Die E-Mail aus dem Landkreis Leipzig ist knallhart. Erst beklagt sich der NPD-nahe Kreisrat Gerd Fritzsche bitter, dass ihm Sachsens NPD-Spitze ein Hausverbot für den Parteitag im vergangenen Juli erteilt habe. Dann geht er führende Parteikader direkt an: Der NPD-Landtagsabgeordnete Winfried Petzold sowie der Leipziger NPD-Chef Helmut Herrmann hätten sich jahrelang über die "Falschheit, Unfähigkeit, Raffgier und Parteifeindlichkeit" von Sachsens NPD-Chef Holger Apfel ausgelassen - und seien am Ende doch eingeknickt.

Damit nicht genug. "Dank meiner Hilfe", schreibt Fritzsche weiter, "haben Herrmann, Petzold und seine Frau auch Waffenbesitzkarten und entsprechende Waffen (Pistolen und Gewehre) durch den Reservistenverband der Bundeswehr in Leipzig erhalten." Das Schreiben vom 8. Juli ging an mehrere Kreisverbände der Neonazi-Partei. Fritzsche bestritt gestern auf Anfrage dieser Zeitung die Echtheit des Schriftverkehrs.

Bei der betreffenden E-Mail soll es sich um einen kleinen Teil eines Datensatzes NPD-interner Schreiben handeln. 60000 dieser elektronischen Briefe wurden gehackt und kursieren seit kurzem. Auch Köditz wurde eine entsprechende DVD zugestellt.

Der Verband der Reservisten der Bundeswehr bestätigte gestern offiziell, dass zwei der drei in der E-Mail erwähnten Personen bei ihm Mitglied seien und deshalb auch Waffenbesitzkarten erhalten hätten. Um welche Personen es sich genau handele, konnte Verbands-Vize Michael Sauer nicht sagen. Laut Informationen dieser Zeitung handelt es sich um Herrmann und Petzold. Die Pistole und das kleinkalibrige Gewehr, die Herrmann und Petzold besitzen, sind deren Privatwaffen.

Der Reservistenverband reagierte umgehend auf die Veröffentlichung. Er will seinem Landesverband empfehlen, die beiden Rechtsextremisten auszuschließen. Das sei zwar rechtlich "nur schwer möglich", so Sauer, da die NPD nicht verboten sei. "Wir zeigen mit diesem Schritt aber, dass wir alles versucht haben, um uns von dieser Partei abzugrenzen."

Auch in der NPD selbst sorgt der Fall für erhebliche Turbulenzen. In wenigen Tagen will sich Apfel auf einem Bundesparteitag zum Nachfolger von Udo Voigt als NPD-Bundeschef wählen lassen. Da kommen solche Querelen zur Unzeit. Entsprechend reagierte Sachsens NPD-Sprecher Jürgen Gansel. Fritzsche sei ein "politischer Quartals-Irrer", sagte er dieser Zeitung, sein Verhalten sei "fast psycho-pathologisch".

mdr.de, 07.10.2011

NPD-Kader kommen über Reservistenverband an Waffenbesitzkarten

Mehrere sächsische NPD-Kader sind offenbar über eine Mitgliedschaft im Reservistenverband der Bundeswehr an Waffenbesitzkarten gelangt. Sie sollen zudem auch an Schießübungen des Verbandes im Raum Leipzig teilgenommen haben. Verbands-Vizepräsident Michael Sauer bestätigte dem MDR entsprechende Berichte der Linken-Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz und des Internetportals "Gamma". Nach seinen Worten handelt es sich um den NPD-Landtagsabgeordneten Winfried Petzold, den Leipziger NPD-Chef und Landesvorstands-Mitglied Helmut Herrmann sowie den Kreisrat mit NPD-Mandat Gerd Fritzsche (Kreis Leipziger Land). Sauer bestätigte, dass zwei der NPD-Mitglieder im Besitz von Schusswaffen sind. Dabei soll es sich um ein Kleinkalibergewehr und eine Pistole handeln.

"Zertifikat der Zuverlässigkeit"

Nach Angaben von Sauer wird eine Mitgliedschaft im Reservistenverband bei den für die Ausstellung der Waffenbesitzkarten zuständigen Ordnungsämtern "als Zertifikat der Zuverlässigkeit" betrachtet. Die Reservistenkameradschaft sei schließlich auch ein "schießsportlicher Verein", in dem der sachkundige Umgang mit Schusswaffen geübt werde. Das Leipziger Ordnungsamt bestätigte dem MDR, dass an NPD-Funktionäre Erlaubnisse zum Waffenbesitz ausgegeben wurden.

Keine Möglichkeit des Rauswurfs

Von der NPD-Mitgliedschaft beziehungsweise NPD-Nähe von Petzold, Herrmann und Fritzsche habe der Verband jedoch erst jetzt erfahren, sagte Sauer. "Die waren auch auf unseren Veranstaltungen völlig unauffällig und haben dort keine Propaganda verbreitet." Die Möglichkeit des Rauswurfs bestehe nur, wenn den NPD-Leuten Straftaten nachgewiesen würden, doch dies sei nicht der Fall. Der Reservistenverband habe in mehreren ähnlich gelagerten Fällen dennoch versucht, die Mitgliedschaft aufzulösen, sei damit aber regelmäßig vor Gericht gescheitert. "Es ärgert uns, dass diese braunen Kameraden bei uns sind, aber dem Verband sind weitgehend die Hände gebunden", sagte Sauer dem MDR.

Staatsanwaltschaft: Keine Ermittlungen

Ein Sprecher der sächsischen Generalstaatsanwaltschaft in Dresden sagte MDR 1 RADIO SACHSEN, dass es gegenwärtig auch keinen Ansatz für strafrechtliche Ermittlungen gebe. Wenn die NPD-Mitglieder über gültige Waffenbesitzkarten verfügten, sei auch der Besitz der Waffen nicht strafbar, erklärte der Behördensprecher.