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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

01.10.2011

Einstimmig beschlossen: Auch in Gelsenkirchen Mahntafeln an Stätten des Wirkens von NS-Tätern aus der Wirtschaft

Der Kulturausschuß des Rates der Stadt Gelsenkirchen hat am 28.9. einstimmig beschlossen, dass es Mahntafeln an Stätten geben soll, an denen NS-Täter aus dem Bereich der ökonomischen Eliten wirkten. Dies hatte die VVN-BdA vorgeschlagen. Zu diesem Zweck soll das Institut für Stadtgeschichte sich mit der Organisation zusammensetzen und sehen, wie dies am besten umzusetzen ist.

Der Antrag der VVN-BdA lautete: 

Antrag

Es wird von uns beim Rat der Stadt Gelsenkirchen beantragt:

1) An geeigneter Stelle wird in Gelsenkirchen eine Mahntafel angebracht mit einem Text, der darauf hinweist, dass in Gelsenkirchen der Großindustrielle Emil Kirdorf (1847-1938) wirkte. Er war Bergbau- und Hüttenunternehmer und hatte schon seit 1923 Kontakt zur NSDAP, wurde 1927 Mitglied dieser Partei und verschaffte Hitler viel Geld und beste Kontakte zu anderen Industriellen, die dann seinen Aufstieg und den Weg Deutschlands ins Verderben förderten. Er war einer der Hauptförderer der NSDAP.  Hitler nannte ihn seinen Lebensretter, weil Kirdorf auch privat Hitler finanzierte.

2) An geeigneter Stelle wird  Gelsenkirchen eine Mahntafel angebracht mit einem Text, der darauf hinweist, dass in Gelsenkirchen der Großindustrielle Fritz Thyssen (1873-1951) wirkte. Er war Leiter des Thyssen-Konzerns und der Vereinigten Stahlwerke. Er war ab 1923 finanzieller Förderer der NSDAP und öffnete ihr die Tür zur westdeutschen Schwerindustrie. Somit half er Hitler zum Aufstieg und bereitete Deutschland und Europa den Weg ins Verderben. Auch nachdem er 1939 ins Ausland ging und dann in deutsche Gefangenschaft geriet war er Profiteur an Krieg und Massensterben.

3) An geeigneter Stelle wird  Gelsenkirchen eine Mahntafel angebracht mit einem Text, der darauf hinweist, dass in Gelsenkirchen der Großindustrielle Hugo Stinnes (1897-1982) wirkte. Ab 1924 übernahm er von seinem Vater den Konzern, der u.a. den Alldeutschen Verband und andere Nazi-Vorläufer förderte. Er war Kriegsgewinnler. Mit dem Nazikriegsverbrecher und NS-Putschisten Werner Best unterhielt er vor und nach 1945 umfangreiche politische und geschäftliche Kontakte. Er förderte bis zu seinem Tode Alt- und Neonazis.

Begründung:

Mit Anträgen und Aktionen wie obigen setzt die VVN-BdA ihre Rallye „Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“ fort, in deren Rahmen mit örtlichen Mahnwachen, Publikationen und Bürgeranträgen zur Aufklärung über die Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945 aufgefordert wird. Sie wurden von der VVN-BdA und anderen Antifaschistinnen und  Antifaschisten u. a. veranstaltet in: Bielefeld (Oetker), Herten (Zwangsarbeit im Bergbau), Dortmund-Mitte (Ex-Springorum-Villa), Dortmund-Hörde (Zwangsarbeit in der Stahlindustrie), Essen (Krupp), Düsseldorf  (Industrieklub), Leverkusen (IG Farben), Köln (Hitler und Banker in Villa Schröder), Kreuztal (Flick) und Siegen (Zwangsarbeit in Südwestfalen).

Wir bitten um Unterstützung unseres Anliegens.

http://www.vvnbda-gelsenkirchen.de/

Beschlussvorlage Ausschuss für Kultur und Tourismus

Vorstandsbereich OB Referat 2 - Rat / Bezirksvertretungen/ Repräsentation - Bezirksverwaltungsstelle Gelsenkirchen-Mitte/Süd

Anregungen und Beschwerden nach § 24 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen

hier: Mahntafeln an Stätten der Untaten von Angehörigen der Wirtschaftseliten in der Zeit von 1933 bis 1945 - Emil Kirdorf

Sehr geehrter Herr Sander,

wie ich Ihnen bereits angekündigt habe, behandelt der Ausschuss für Kultur und Tourismus Ihre Eingabe in der Sitzung am 28. September 2011.

Die Sitzung findet im Konferenzraum Florastraße 26/28, 45879 Gelsenkirchen statt und beginnt um 16.00 Uhr. Ihre Eingabe wird unter Tagesordnungspunkt 2.2 behandelt.

Nach den Bestimmungen der Hauptsatzung der Stadt Gelsenkirchen hinsichtlich der Behandlung von Anregungen und Beschwerden können Sie unter der Voraussetzung eines entsprechenden Geschäftsordnungsbeschlusses an der Beratung Ihrer Eingabe angemessen beteiligt werden.

Zu Ihrer Information übersende ich Ihnen die Stellungnahme der Verwaltung zu Ihrer Eingabe.

Nach der Sitzung erhalten Sie eine Mitteilung über die vom Ausschuss getroffene Entscheidung.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrage

Exner

Beschlussvorlage

Drucksache 09-14/2833

Datum 05.09.2011

iSG - Institut für Stadtgeschichte - Herr Prof. Dr. Stefan Goch, Tel. 169-8550

Beratungsfolge: Ausschuss für Kultur und Tourismus

Sitzungstermine: 28.09.2011

Top: 4 = Entscheidung

Zuständigkeiten: ---

Betreff

Anregungen und Beschwerden nach § 24 GO NRW

Hier: Mahntafeln an Stätten der Untaten von Angehörigen der Wirtschaftseliten in der Zeit von 1933 bis 1945; Emil Kirdorf, Generaldirektor der Gelsenkirchener Bergwerks AG

Beschlussvorschlag

Das Institut für Stadtgeschichte soll im Rahmen des 2005 vom Rat der Stadt Gelsenkirchen beschlossenen Projektes "Erinnerungsorte" mit der WN/BdA auf die Schaffung einer Informationstafel hinwirken, die u.a. auch das Engagement des Großindustriellen Emil Kirdorf für den Nationalsozialismus dokumentiert.

Dr. Beck

Problembeschreibung / Begründung

Mit Schreiben vom 9. August 2011 hat sich die Landesorganisation der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (WN/BdA) an den Rat der Stadt gewandt und angeregt, an geeigneter Stelle eine „Mahntafel" anzubringen, die daran erinnert, dass der Großindustrielle Emil Kirdorf, Generaldirektor der Gelsenkirchener Bergwerks AG, ein früher Förderer der Nationalsozialisten und Adolf Hitlers war. Die Landesorganisation der WN/BdA regt diese Tafel im Rahmen verschiedener Aktivitäten in verschiedenen Städten zu „Verbrechen der Wirtschaft 1933 bis 1945" an.

Die frühe Förderung der Nationalsozialisten durch den Generaldirektorder Gelsenkirchener Bergwerks AG ist in Gelsenkirchen schon lange öffentlich bekannt, was u. a. dazu geführt hat, dass Emil Kirdorf im Jahr 1989 durch Ratsbeschluss die ihm 1917 verliehene Ehrenbürgerwürde aberkannt wurde. 1992 hat das Institut für Stadtgeschichte in einer Publikation die frühe Förderung der NSDAP und Adolf Hitlers durch Emil Kirdorf dargestellt. Dabei wurde auch die Inszenierung der Beisetzung Emil Kirdorfs ausführlich behandelt; die Trauerfeier für Emil Kirdorf war der einzige Anlass, zu dem Adolf Hitler die Stadt Gelsenkirchen besuchte.

Im Bewusstsein um die Förderung der Nationalsozialisten durch Emil Kirdorf hat es seitens des Instituts für Stadtgeschichte seit dem Beschluss des Rates zur Durchführung des Projektes „Erinnerungsorte" im Jahr 2005 immer wieder Ansätze gegeben, eine entsprechende Erinnerungsorte-Tafel zu schaffen. Dabei sollte die Tafel möglichst auf dem Gelände der Verwaltungsgebäude der Gelsenkirchener Bergwerks AG bei der früheren Zeche Rheinelbe (späterer Sitz der IBA) angebracht werden, um einen langen Zeitraum zu erfassen und die wechselvolle Geschichte dieses für die Stadt Gelsenkirchen ausgesprochen wichtigen Ortes sichtbar zu machen. So sollte erinnert werden an die frühere Zeche Rheinelbe, an den Aufbau der Gelsenkirchener Bergwerks AG, die ausgesprochen autoritäre, antidemokratische und gewerkschaftsfeindliche Politik der Gelsenkirchener Bergwerks AG unter Leitung ihres Generaldirektors Emil Kirdorf sowie dann dessen frühe Förderung der NSDAP. Weiterhin ist der Ort dadurch interessant, dass nach der Entflechtung der Ruhrindustrie nach der Befreiung vom Nationalsozialismus hier eine der Teilgesellschaften der entflochtenen Ruhrkohle ihren Sitz hatte und auf dem Gelände eben später auch die Internationale Bauausstellung Emscher Park als Einrichtung zur Bewältigung des Strukturwandeis ihren Sitz fand.

Da das Projekt „Erinnerungsorte" nach dem Ursprungsgedanken vor allem von bürgerschaftlichem Engagement getragen sein soll, erwies es sich als überaus schwierig, für diese doch komplexen Entwicklungen einen geeigneten Projektpartner zu finden.

Im Rahmen des Projektes „Erinnerungsorte" haben bisher verschiedene Organisationen bei der Schaffung und auch Finanzierung von „Erinnerungsorten" mitgewirkt. Wiederholt handelte es sich bei dem zu Erinnernden um nahestehende Personen oder Anlässe; dies war dann im Regelfall auch Anknüpfungspunkt für die Finanzierung der jeweiligen Tafel. Ab dem kommenden Jahr wird das Institut für Stadtgeschichte nun im Rahmen seiner (wenngleich eng gesteckten) Finanzierungsmöglichkeiten bzw. der Einwerbung von Sponsorenmitteln beginnen, die bestehenden bisher 17 Tafeln des Projektes „Erinnerungsorte" so zu ergänzen, dass zentrale Ereignisse aus der Stadtgeschichte dokumentiert werden und „Lücken" in der bisherigen Ausgestaltung des Projektes gefüllt werden, die bisher nicht durch bürgerschaftliches Engagement geschlossen werden konnten. Nicht nur in dem dargestellten Fall um die Gelsenkirchener Bergwerks AG und Emil Kirdorf kommt es dabei dem Institut für Stadtgeschichte inhaltlich besonders darauf an, Entwicklungen über längere Zeiträume darzustellen bzw. Geschichte auch mit der Gegenwart zu verbinden.

Im konkreten Fall der Anregung der Landesorganisation der WN/BdA wird das Institut für Stadtgeschichte sich mit dieser Organisation in Verbindung setzen und prüfen, inwieweit eine Beteiligung dieser Organisation an einer entsprechenden Erinnerungsorte-Tafel möglich ist. Ansonsten wird, wie dargestellt, das Institut für Stadtgeschichte im Rahmen der weiteren Arbeit an dem Projekt „Erinnerungsorte" die Anregung der Organisation berücksichtigen.

Dr. Beck