01.10.2011
Meldeämter sollen die Daten der
jungen
Leute nicht der Bundeswehrwerbung überlassen
Die kleingedruckten
Meldungen der
Bundeswehr beachten
Bürgerinnen und Bürger,
die in einem
Alter sind, das man bis zum 1. Juli 2011 das
„Wehrpflichtigenalter“ nannte, sollten
unbedingt bei den kommunalen Meldebehörden die Weitergabe
ihrer Daten an die
Bundeswehr-Wehrerfassung untersagen. Diese erfolgt nämlich
automatisch, wenn
kein Widerspruch eingelegt wird. Die Bundeswehr bedient sich der Daten,
um dann
unter den Jahrgängen ab 1992 Wehrdienstleistende anzuheuern.
Es wird zwar
versprochen, die Daten nur für ein einmaliges Werbeschreiben
zu verwenden und
dann zu vernichten. Wer’s glaubt wird selig! Die Daten
können der Bundeswehr
zur Verfügung stehen, wenn die Aussetzung der Wehrpflicht
wieder beendet wird.
Dann kann es mit dem militärischen Zwangsdienst wieder
losgehen. Dieser militärische
Zwangsdienst gilt übrigens für alle
„Gedienten“ weiter, so sie noch nicht 60
Jahre alt sind. Rund 9 Millionen Wehrpflichtige wurden vom Juli 1956
bis Juli
2011 ausgebildet und gelten als Reservisten. Sie können wieder
zur Truppe
geholt werden. Ulrich Sander rät in folgendem Beitrag dazu,
dass auch die
„Altgedienten“ den Kriegsdienst verweigern, wenn
sie der Gefahr des
Kriegseinsatzes entgehen wollen.
Die kleingedruckten
Meldungen der
Bundeswehr
Was wir nicht wissen
sollen,
aber
unbedingt wissen müssen
Von Ulrich
Sander
„Russland
will von den Deutschen lernen, wie man Feldjäger ausbildet,
will Lazarette aus
Deutschland, will gemeinsame Militärforschung – und
ein hochmodernes Gefechtsübungszentrum
nach deutschem Vorbild. Das wird zum Geschäft für
Rheinmetall: Düsseldorfer
Technik soll die russischen Soldaten fit für neue Aufgaben
machen.“ (RP Online, dh. Rheinische Post aus
Düsseldorf,
16.9.11)
Das ist so
eine Meldung, die nur nach emsigem Suchen zu finden ist. Ein
Düsseldorfer
Lokalblatt berichtet von einer de-Maiziére-Reise nach Moskau
und verheißt Gutes
für die Rüstungsindustrie am Ort. Nun also auch
Russland. Es soll lernen, wie
Feldjäger am besten ausgebildet und eingesetzt werden und wie
Hochschulen zu Rüstungshochburgen
werden. Eigentlich ein sensationeller Vorgang: Das Militär aus
der Nachfolge
der Hitlerwehrmacht soll noch zum Vorbild der Arme werden, die einst
– zum Segen
der Menschheit – diese Wehrmacht bezwang. Doch die Meldung
ging unter. Sollte
sie?
Vor einigen
Jahren leitete ich aus Kleinstmeldungen im Lokalteil Vorgänge
ab, die sich dann
so in Kleinzeitungen der DKP verdichteten:
Militär
setzt sich im Rathaus fest
„Militär im
Rathaus? Dies ist längst Fakt, aber
wofür? Als Teil der
‚Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit’, also
der zivilen und
militärischen Stellen im ‚Krisenfall’.
Krisen? Bei Naturkatastrophen? Darum
geht es nicht! Ulla Jelpke (MdB, Linkspartei) und die VVN-Bund der
AntifaschistInnen haben ans Licht gebracht:
Es wird eine
‚Heimatarmee’ aufgebaut mit 441 Kommandos u.a. in
den kreisfreien Städten.
Gegenüber den zivilen Stellen (Verwaltung, Rettungs-,
Sanitätsdienste etc.) hat
aber das Militär den Hut auf. Angeblich sollen Terroristen
abgewehrt werden.
Aber gemeint ist der Einsatz der Bundeswehr im Innern. So wurden beim
G8-Gipfel
2007 und dem NATO-Gipfel 2009 Panzer und Tornado-Flugzeuge gegen
Globalisierungsgegner
eingesetzt. Die Bundesregierung erklärt weiter, es bleibe
‚dem jeweiligen
konkreten Einzelfall vorbehalten’, ob ‚Streiks im
Transport, Energie- oder Sanitätssektor
oder bei der Müllabfuhr als Begründung für
ein Tätigwerden der
ZMZ-Strukturen herangezogen werden können’. Im
Oktober fanden in Bayern weitere
‚Übungen’ gegen Friedensdemonstranten und
‚Terroristen’ statt.
Diese neue
Stufe der Militarisierung der Gesellschaft ist auch ein Bruch des
Grundgesetzes.
Wir meinen, es ist jetzt höchste Zeit, die
Öffentlichkeit zu informieren.“ (aus
KLINGENSTADT, hg. von DKP Solingen, November 2009)
Recht so.
Aber wurde die Öffentlichkeit informiert? Zum Beispiel
über den Fortgang auf
dem Gebiet des Reservisteneinsatzes? Das kann nur geahnt werden, wenn
folgende
Notiz gefunden wird: „Verteidigungsminister de
Maiziére (CDU) peilt eine
Truppenstärke von 185.000 an. Sie liegt bisher bei 250.000. Er
plant mit
170.000 Zeit- und Berufssoldaten sowie 5000 Wehrdienstleistenden. Dazu
kommen
2500 Reservisten und weitere 7500 Freiwillige.“
(Westfälische Rundschau, 22. 9.
11) Es werden also ständig 2500 Reservisten im Pflichteinsatz
sein, und aus dem
Kreis der Reservisten werden zudem weitere 7500 Freiwillige angeworben.
In den
Kasernen stehen schon jetzt 94.000 Dienstplätze bereit, wie
die
Reservistenverbandsblätter melden. Sehr schnell –
und ganz ohne Wehrpflicht für
die Jugend – können also 84.000 weitere Reservisten
herangeholt werden. Denn
die Wehrpflicht wurde ja nicht für die gedienten
Jahrgänge ausgesetzt. Das wird
gern übersehen. Wer bei der Bundeswehr je Dienst geleistet und
das 60.
Lebensjahr nicht überschritten hat, kann durchaus wieder zur
Fahne geholt
werden. Deshalb tun alle ehemaligen Soldaten gut daran, mal in ihren
Wehrpass
zu schauen. Und dann: Die Kriegsdienstverweigerung nachholen!
Auch
dies ist eine der „vergessenen“ Meldungen, die
nicht in den Medien zu finden
sind, sondern allenfalls in den “Öffentlichen
Bekanntmachungen“ der Städte und
Gemeinden:
Zur
Löschung der Daten der Wehrverwaltung ist zu raten
„Änderungen
des Wehrpflichtgesetzes ab dem 01.07.2011 - Die Bundesregierung hat
entschieden, ab 1. Juli 2011 die Einberufung zum Grundwehrdienst
auszusetzen.
Hierzu
wird folgendes mitgeteilt: Die Meldebehörden sind nach
§ 58 des Wehrpflichtgesetzes
in der neuen Fassung dazu verpflichtet, dem Bundesamt für
Wehrverwaltung
nachfolgend genannte Daten zum Zweck der Übersendung von
Informationsmaterial
über Tätigkeiten in den Streitkräften zu
übermitteln, wenn die Betroffenen dem
nicht zuvor gegenüber der Meldebehörde widersprochen
haben:
1.
Familienname, 2. Vorname(n), 3. gegenwärtige Anschrift.
Die
Übermittlung der Daten erfolgt durch die
Meldebehörden jährlich zu Personen mit
deutscher Staatsangehörigkeit, die im nächsten Jahr
volljährig werden. Nach Übermittlung
der Daten an das Bundesamt für Wehrverwaltung sind diese zu
löschen, wenn die
Betroffenen dies verlangen.“ (aus: Homepage der Stadt
Eschweiler)
Also nichts
wie ran und der Behörde mitgeteilt: Rückt meine Daten
raus. Hütet Euch, mir
Euren militaristischen Werbemist zu
senden! Die Löschung der Daten bei den Meldebehörden
ist schon deshalb wichtig,
damit man nicht einberufen wird, sollten mal die
„Aussetzung“ der Wehrpflicht
ein jähes Ende nehmen.
In
Militärdingen lohnt es sich, das Kleingedruckte und die
versteckte Meldung unbedingt
zu beachten.
(aus: Unsere
Zeit, 30. 9. 11)
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