16.08.2011
Diskussion über die Gedenkhalle Oberhausen hält
an
Ausführliche historische
Bewertung der Ausstellung vorgenommen - Fragwürdiger Umgang mit
Geschichte in der Gedenkhalle wird kritisiert -
Der Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte
Düsseldorf lädt zur Exkursion zur Gedenkhalle Oberhausen am
Samstag, dem 8. Oktober 2011 ein, zu der auch der Besuch des
Bunkermuseums gehört.
Die VVN-BdA Düsseldorf ruft zur Teilnahme auf und
stellt fest: "Die frisch eröffnete Dauerausstellung in der
Gedenkhalle ist ein Beispiel, wie nach dem Willen der
Bundesregierung zukünftig in Gedenkstätten mit Faschismus und
Widerstand umgegangen werden soll. Die Täter werden nicht mehr
benannt, wenn sie zu den ökonomischen Eliten gehörten, und der
Widerstand verschwindet weitestgehend. Der kulturpolitische Skandal
manifestiert sich in der Beseitigung eines Großgemäldes des
Oberhausener Künstlers Walter Kurowski, der großflächig in seiner
Arbeit die Finanziers und Nutznießer des Faschismus (Konzernherren,
Bankiers, "Wehrwirtschaftsführer") sowie namhafte
Widerstandskämpfer/innen dargestellt hatte. Das Bild verschwand im
Keller. Ein Beispiel, wie Geschichte entsorgt wird." Doch nun
hat eine Gruppe Oberhausener Antifaschisten eine ausführliche
fundierte Bewertung der Ausstellung vorgenommen. "Blick in die
Geschichte - Fragwürdiger Umgang mit Geschichte in der
Gedenkhalle" ist ein Beitrag von Otto Marx, Fritz Meinicke und
Ramin Rene Sarrafi überschrieben, den wir hiermit veröffentlichen.
Er knüpft an, an unsere Beiträge zur Kritik der neuen Ausstellung,
siehe www.nrw.vvn-bda.de.
Die Autoren schreiben:
Diskussion über die Gedenkhalle
Oberhausen hält an
Ausführliche historische Bewertung
der Ausstellung vorgenommen - Fragwürdiger Umgang mit Geschichte in
der Gedenkhalle wird kritisiert -
Von Otto Marx, Fritz Meinicke und Ramin Sarrafi
Seitdem die neu gestaltete Gedenkhalle am 2. Dezember 2010
eröffnet wurde gibt es nicht nur Zustimmung. Es gibt berechtigte
Kritik, vor allem von der "Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes / Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten"
(VVN-BdA)
Oberhausener Gedenkhalle und der
Nationalsozialismus
Die Oberhausener Gedenkhalle diente nie einem Selbstzweck, sie
war immer Gegenstand der Geschichtspolitik und Einflussnahme auf die
allgemeine Meinungsbildung. Das kann in einer Gesellschaft, die eine
Einheit von Gegensetzen (Kapital und Arbeit) ist, auch nicht anders
sein, die Gegensätze sind unüberbrückbar. Hinzu kommen
unterschiedliche politische Standpunkte und Interessen der Akteure,
die sich in den Gestaltungsmöglichkeiten widerspiegeln. Nach 40
Jahren erfuhr die Oberhausener Gedenkhalle eine Erneuerung an Haupt
und Gliedern. In der Selbstdarstellung heißt es:
"Zukünftig sollen die aktuellen Bedürfnisse von
Museumsbesuchern, eine anregende Darstellung von Geschichte
vorzufinden, noch besser berücksichtigt werden. Zugleich wird die
neue Dauerausstellung in der Gedenkhalle neue Erkenntnisse zur
Stadt- und Regionalgeschichte auf zeitgemäße Art und Weise
vermitteln. (…)
Die Ausstellung setzt darauf, dass auch den jüngeren
Generationen durch die neue Ausstellung ein vertieftes Verständnis
für die Geschichte Oberhausen zwischen 1933 und 1945 vermittelt
werden kann. Die Stadt Oberhausen betrachtet dies als die notwendige
sachliche Basis, um sich zukünftig auf einer objektiven
historischen Folie auch für die demokratische Gesellschaftsordnung
einsetzen zu können. Wir bieten ein umfassendes
museumspädagogisches Angebot an."
Im Vorraum der Ausstellung weist eine Fotokonserve dürftig, u.
a. mit einem Bild von Walter Kurowski, auf die geschichtliche
Entwicklung der Gedenkhalle hin.
Das Neue:
Im äußeren Rundgang erfährt der Betrachter anhand von
Exponaten und Erinnerungen, wie die Oberhausener die faschistische
Herrschaft erlebten.
- Die Uniformierung und Militarisierung der Jugend durch HJ und
BDM.
- Wie mit der Einführung des Ahnenpasses bei Heirat die
Rassenideologie als Staatsdoktrin wirkte.
- Die Programmierung der Frauen auf Kinderkriegen, durch die
Mutterkreuze.
- Wie der Nationalismus und Rassismus tief in das Leben des
Einzelnen eingriff und zum Holocaust führte.
Dass sich nicht alle in das nazistische Regime einbinden ließen
zeigt das Schicksal von Hermann Albertz, er lehnte eine angetragene
Mitgliedschaft in die NSDAP ab. Der ehemalige sozialdemokratische
Abgeordnete des Preußischen Landtages wurde Opfer der nazistischen
Willkür. Im Gegensatz dazu steht Wilhelm Heuser, der
Oberbürgermeister wechselte vom Zentrum zur Nazipartei.
Mängel in der Behandlung des
Widerstandes
Der Widerstand gegen das Naziregime wird dürftig, anhand von
Einzelpersonen, als Privatsache dargestellt. Er wird
individualisiert und nicht als Bewegung begriffen, die auch
organisationsübergreifend war. Für die Meinungsbildung in der
Jugend, die eine wichtige Zielgruppe für die neue Ausstellung
darstellt, wäre sicher interessant zu erfahren, dass es im
Heizungskeller des Josef-Krankenhauses eine illegale Druckerei gab.
Die Bundeszentrale für polische Bildung schrieb bei der Vorstellung
der alten Oberhausener Gedenkhalle: "Die jugendlichen
Kommunisten druckten hier Flugblätter gegen die
Nationalsozialisten. (…) Im November 1934 wurden 19 Jugendliche,
die mit dem Heizungskeller in Verbindung gebracht wurden, verhaftet
und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Sechs wurden in das
Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, zwei kehrten nicht mehr
lebend zurück." Es gab sozialdemokratischen Widerstand
über die Brotfabrik "Germania" und organisierten
Widerstand durch die "Sturmscharen" der katholischen
Jugend um Kaplan Rossaint, während sich der höhere Klerus
anpasste.
Wenn man nach Frauen sucht, ohne die kein Widerstand möglich
gewesen wäre, muss man sich bemühen, in der Datenbank der Opfer am
Ende der Ausstellung etwas zu finden.
Ob die Zielgruppen, die angesprochen werden sollen, sich eine
unvoreingenommene freie Meinung bilden können bleibt dahingestellt.
Sie sind gut beraten, wenn sie sich noch andere Quellen
erschließen. Denn der Faschismus ist nicht wie ein Wolkenbruch
über Oberhausen niedergegangen. Die Beschreibung am Beginn der
Ausstellung, dass Hindenburg am 30. Januar 1933 Hitler zum
Reichskanzler ernannte und die Reichstagswahlen vom 5. März 1933
unter den Bedingungen des faschistischen Terrors stattfanden sind
Tatsachen. Sie erklären aber nicht, wieso es dazu kam.
Der aus der Gedenkhalle
verschwundene Paul Reusch.
Bei der Kritik an der umgestalteten Gedenkhalle geht es nur
oberflächlich "um Emotionalität versus Rationalität".
Es geht auch nicht um Heldengeschichten. Aber um Vorbilder schon,
oder dürfen das nur Fußballstars, Superstars aus dem
Schaugeschäft und Operettenfiguren aus Fürstenhäusern sein?
Die Ideengeber und Macher der neuen Gedenkhalle haben die
Verantwortung einflussreicher Kreise der Großindustrie, für die
Machtübertragung an Hitler, aus der Ausstellung verbannt. Sie reden
von neuen historischen Erkenntnissen, die man berücksichtigt habe,
ohne diese zu benennen. So fehlt auch Paul Reusch. Er gilt als einer
der Unterstützer der Industrieeingabe an Hindenburg, Hitler zum
Reichskanzler zu ernennen [i].
Unleugbar ist, für die führenden Köpfe der Schwerindustrie war
das parlamentarische System der Weimarer Republik genau so ein
Horror, wie für die nicht entmachteten Monarchisten. Paul Reusch
gehörte zu den Scharfmachern, die eine Präsidialdiktatur
angestrebt haben, wenn sie schon auf den Kaiser verzichten mussten.
Ihre Interessen deckten sich zunächst mit denen der rechten
Parteien "Deutschnationale Volkspartei" (DNVP) und die
"Deutsche Volkspartei" (DVP). Da es ihnen an
Durchsetzungskraft fehlte, wandten sie sich nach und nach Hitlers
"Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" (NSDAP)
zu. Das Großkapital strebte nach politischen Zuständen, die ihren
Profitinteressen am meisten zusagten.
Paul Reusch gründet im Januar 1928 die Ruhrlade. Die Ruhrlade
war ein geheimes Gremium, in dem fast alle Unternehmer der
Schwerindustrie des Ruhrgebietes vertreten waren. Ruhrlade war nicht
einfach ein Fantasiename. Er bezieht sich u. a. auf den Begriff
Lade, ein Werkzeug aus dem Bergbau. Damit schob der Sprengmeister
Sprengstoff in die vorbereiteten Sprengkammern. Ruhrlade war also
ein Programm für die Sprengung der parlamentarischen Demokratie.
Die Herrschaften mit dem harmlos klingenden Namen trafen sich in der
Regel monatlich, um ihre wirtschaftlichen und politischen Strategien
zu bereden. Sie spendeten jährlich bis zu 1,5 Millionen Reichsmark
für die rechten Parteien.
Über die Frage, welche Parteien für sie am nützlichen sind,
gab es anfangs keine einheitliche Meinung. Fritz Thyssen
unterstützte die NSDAP bereits seit 1923. Paul Reuschs skeptische
Einstellung zu den Nazis, wegen ihrer sozialen Demagogie, änderte
sich, als der Sozial- und Demokratieabbau immer mehr auf den
Widerstand der Beschäftigten und Arbeitslosen stieß.
Ab 1931 spendete die Ruhrlade massiv an die NSDAP. Im Februar
1932 traf sich Paul Reusch mit Hitler und Heinrich Himmler in der
Zentrale des GHH-Konzerns. Reusch wies die Tageszeitungen die zum
GHH-Konzern [ii] gehörten an, die NSDAP wohlwollend zu behandeln.
Am 19. März trafen sie sich nochmals. Zwei Stunden waren sie im
Gespräch, wie Professor Johannes Bähr, der im Auftrage des
MAN-Konzerns auch die Geschichte der GHH schrieb, feststellte. Dabei
äußerte Reusch seinen Unmut, dass Hitler und Hindenburg bei den
Reichspräsidentenwahlen gegeneinander kandidierten, das sei nicht
im Interesse der nationalen Sache, meinte er. Im Übrigen solle
Hitler seine sozialistischen Parolen aus dem Wahlprogramm streichen.
Reusch beteiligte sich nach seiner Besprechung mit Hitler an der
Finanzierung einer Arbeitsstelle, die Hjalma Schacht gegründet
hatte, um Hitler wirtschaftspolitisch zu beraten" [iii]. Am 7.
Januar 1933, drei Wochen vor der Ernennung Hitlers durch Hindenburg
zum Reichskanzler, traf sich Papen mit fünf führenden
Ruhrindustriellen, darunter auch Reusch in Dortmund. Angeblich ging
es um die Beteiligung Hitlers an der Regierung unter der Führung
von Papen.[iv] Am 30. Januar 1933 wurde Hitler von Hindenburg zum
Reichskanzler ernannt.
Der Historiker Johannes Bähr schrieb über Paul Reusch:
"Mit seinen maßlosen Attacken gegen die Weimarer Demokratie
hat er dazu beigetragen, den Nationalsozialismus den Weg an die
Macht zu ebnen". Im Frühsommer 1932 verordnete Reusch den
Münchener Neuesten Nachrichten: "Den Marxismus zu bekämpfen
und für den Schutz des Privateigentums einzutreten." Reusch
schrieb: "Das demokratisch-parlamentarische System von Weimar
ist die letzte Wurzel vieler Übel. Es ist für Deutschland als
ungeeignet abzulehnen."[v]
Naziterror in Oberhausen
Bereits unmittelbar nach der Ernennung Hitlers, am 30. Januar
1933, zum Reichskanzler marschierten auch in Oberhausen SA -Trupps
in Arbeiterviertel und provozierten die Bewohner, so in der Siedlung
Klosterhardt und in der Dunkelschlagkolonie. Am 5. Februar
überfielen Nazis Antifaschisten vor dem "Volksheim" in
der Marktstraße. Heinrich Igl wurde hierbei durch einen
Lungenschuss lebensgefährlich verletzt, zwei weitere Antifaschisten
durch Messerstiche verwundet. Mitte Februar wurde dann der
Oberhausener Polizeipräsident Weyer, ein Mitglied der
Zentrumspartei, abgesetzt und durch einen Nazi ersetzt. Am 24.
Februar rissen Nazis auf offener Straße Gewerkschaftlern und
Sozialdemokraten ihre Abzeichen von den Kleidern. Am 26. Februar
verhinderten SA und SS, unterstützt von der Polizei, eine
SPD-Veranstaltung in Sterkrade. Am Sterkrader Bahnhof wurde am
gleichen Tag die Milchhalle des Kommunisten Jupp Kathage
zertrümmert.
Am 27. Februar 1933 inszenierter die Nazis den Reichstagsbrand.
Unmittelbar danach erfolgten auch in Oberhausen die ersten
Massenverhaftungen. Mehr als 200 Kommunisten wurden inhaftiert. Da
das Polizeigefängnis zu klein war, wurden die Verhafteten in die
Turnhalle des Realgymnasiums untergebracht. In der Nacht vom 5. zum
6. März ermordeten die von Hermann Göring zu Hilfspolizisten
ernannten SA-Horden auf dem Schulhof die beiden Kommunisten Konrad
Klaas und Leo de Longueville.
Das war die politische Atmosphäre, in der am 5. März
Reichtagswahlen abgehalten wurden. Alles Fakten, die in der neuen
Gedenkhalle keinen Platz fanden.
Die GHH, Kriegsrüstung und Paul
Reusch
Die GHH mit ihren Töchtergesellschaften, MAN, Deutsche Werft und
ca. 20 anderen Unternehmen, war eines der wichtigsten
Rüstungsunternehmen der Naziherrschaft. Ohne sie wäre die
Kriegswalze über Europa nicht möglich gewesen. Die GHH lieferte
nicht nur Kohle und Stahl. Ihre Töchter produzierten Panzer und
U-Boot-Motoren. Die Kriegsmarine finanzierte eine zusätzliche
MAN-Motorenfabrik in Hamburg. Selbst in den USA wurden MAN
Schiffmotoren in Lizenz produziert, mit denen die USA ihre
Kriegsschiffe ausrüsteten. Auch an der Produktion von "Hitlers-Wunderwaffe"
V 1 war die GHH beteiligt. Auf den Höhepunkt der Kriegproduktion
beutete der GHH-Konzern 31 500 Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter aus, darunter viele KZ- Häftlinge. In ihren
Oberhausener Betrieben waren es 11 000 Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter. Die Profite flossen reichlich.
Doch nicht alles verlief für Reusch zufrieden stellend, denn
Kapitalismus ohne Konkurrenz gibt es nicht, neue Akteure mischten
sich ein. Durch staatsmonopolistische Eingriffe zu Gunsten der
Rüstungswirtschaft und der Reichswerke "Hermann-Göring"
verlor die GHH ihr Monopol über Erzminen bei Salzgitter und in
Süddeutschland. Das war ärgerlich für den Machtmenschen Reusch.
Andererseits konnte er die "Kabel und Metallwerke Neumeyer
AG" per Organvertrag unter die Kontrolle des GHH-Vorstandes
zwingen. Andauernde Querelen um Machtanteile und der ungünstige
Kriegsverlauf reizten Reusch zu Wutausbrüchen. 1942 schmiss er
seine Funktionen, Vorstands- und Aufsichtsratposten, hin. Das wirkte
sich für ihn günstig beim Entnazifizierungsverfahren nach 1945
aus.
Nachdem Reusch seine Funktionen hingeschmissen hatte, zog er sich
auf sein schwäbisches Landgut zurück. Er gründete den
"Reusch-Kreis", bestehend aus Industriellen und
Großagrariern. Sie diskutierte über den Kriegsverlauf und neue
Strategien. Der Gestapo war bekannt, dass Carl Goerdeler öfters in
diesem Kreis seine Vorstellungen vortrug. Im November 1943 sprach er
in Anwesenheit von Paul Reusch von der Notwendigkeit, Hitler von der
Führung zu beseitigen, um zu einer Verständigung mit den
Angelsachsen gegen die Russen zu kommen. Nach dem Scheitern des
Attentats vom 20. Juli wurde Goerdeler im August 1944 verhaftet, vom
Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 2. Februar 1945 in
Berlin-Plötzensee hingerichtet. Paul Reusch wurde kein Haar
gekrümmt. Offensichtlich hatte er einen starken Rückhalt im
System. Andere hatten das nicht und wurden für viel weniger
gnadenlos verfolgt. So Josef Weidenauer, Arbeiter bei der GHH
Sterkrade, er wurde am Arbeitsplatz, wegen übler Nachrede gegen
Führer, Militär und kommunistischer Propaganda, verhaftet. Am 3.
Juli 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 14. August
1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Keine Wirkung ohne Ursachen.
Man beginnt in der neuen Ausstellung mit der Naziherrschaft 1933
und endet mit 1945, als ob es keine politischen und materiellen
Grundlagen für den Faschismus gegeben hätte.
Wegretuschiert wurde, was vor einigen Jahrzehnten noch Gewissheit
war und in der alten Ausstellung in Wort und Bild dargestellt wurde.
Wer waren die Wirtschaftsführer, die Hitler halfen und die
Kriegswirtschaft organisierten?
Nach der Befreiung vom Terrorsystem gab es kaum eine
gesellschaftliche Organisation, die nicht in ihrer Programmatik, die
Großindustrie verantwortlich machte. Das gilt vor allen für SPD,
KPD und Gewerkschaften. Selbst für die CDU.
US-Sondertribunale - in den Nürnberger Nachfolgeprozessen -
verurteilten Konzernbosse wie Krupp und die Chefs der IG-Farben als
Kriegsverbrecher. Sie wurden zwar später auf Drängen von Adenauer
begnadigt. Das ändert nichts an der Tatsache, dass Bosse des
Großkapitals zu den Hauptschuldigen und Nutznießern des Faschismus
zählten.
Der Geschichtsrevisionismus in der Gedenkhalle ist keine lokale
Marotte in Oberhausen. Die Verantwortung der Großindustrie für die
faschistische Diktatur wird zunehmend geleugnet und die Diktatur als
Ergebnis wildgewordener Kleinbürger und Asozialer dargestellt.
Doch Max Horkheimer, Philosoph der Frankfurter Schule, brachte es
bereits 1939 auf den Punkt: "Wer aber vom Kapitalismus nicht
reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen."
[i] Eingabe von Industriellen, Bankiers und Großagrariern an
Reichspräsident von Hindenburg vom November 1932
Ew. Exzellenz, November 1932
Hochzuverehrender Herr Reichspräsident! Gleich Eurer
Exzellenz durchdrungen von heißer Liebe zum deutschen Volk und
Vaterland, haben die Unterzeichneten die grundsätzliche Wandlung,
die Eure Exzellenz in der Führung der Staatsgeschäfte angebahnt
haben, mit Hoffnung begrüßt. Mit Eurer Exzellenz bejahen wir die
Notwendigkeit einer vom parlamentarischen_ Parteiwesen unabhängigen
Regierung, wie sie in den von Eurer Exzellenz formulierten Gedanken
eines Präsidialkabinetts zum Ausdruck kommt. Der Ausgang der
Reichstagswahl vom 6. November d. J. hat gezeigt, dass das
derzeitige Kabinett, dessen aufrechten Willen niemand im deutschen
Volk bezweifelt, für den von ihm eingeschlagenen Weg keine
ausreichende Stütze im deutschen Volk gefunden hat, dass aber das
von Eurer Exzellenz gezeigte Ziel eine volle Mehrheit im deutschen
Volk besitzt, wenn man - wie es geschehen muss - von der
staatsverneinenden Kommunistischen Partei absieht. Gegen das
bisherige parlamentarische Parteiregime sind nicht nur die
Deutschnationale Volkspartei und die ihr nahestehenden kleinen
Gruppen, sondern auch die Nationalsozialistische Deutsche
Arbeiterpartei grundsätzlich eingestellt und haben damit das Ziel
Eurer Exzellenz bejaht. Wir halten dieses Ergebnis für
außerordentlich erfreulich und können uns nicht vorstellen, dass
die Verwirklichung dieses Zieles nunmehr an der Beibehaltung einer
unwirksamen Methode scheitern sollte.
Es ist klar, dass eine des öfteren wiederholte
Reichstagsauflösung mit sich häufenden, den Parteikampf immer mehr
zuspitzenden Neuwahlen nicht nur einer politischen, sondern auch
jeder wirtschaftlichen Beruhigung und Festigung entgegenwirken muss.
Es ist aber auch klar, dass jede Verfassungsänderung, die nicht von
breitester Volksströmung getragen ist, noch schlimmere
wirtschaftliche, politische und seelische Wirkungen auslösen wird.
Wir erachten es deshalb für unsere Gewissenspflicht, Eure
Exzellenz ehrerbietigst zu bitten, dass zur Erreichung des von uns
allen unterstützten Zieles Eurer Exzellenz die Umgestaltung des
Reichskabinetts in einer Weise erfolgen möge, die die
größtmögliche Volkskraft hinter das Kabinett bringt.
Wir bekennen uns frei von jeder engen parteipolitischen
Einstellung. Wir erkennen in der nationalen Bewegung, die durch
unser Volk geht, den verheißungsvollen Beginn einer Zeit, die durch
Überwindung des Klassengegensatzes die unerlässliche Grundlage
für einen Wiederaufstieg der deutschen Wirtschaft erst schafft. Wir
wissen, dass dieser Aufstieg noch viele Opfer erfordert. Wir
glauben, dass diese Opfer nur dann willig gebracht werden können,
wenn die größte Gruppe dieser nationalen Bewegung führend an der
Regierung beteiligt wird.
Die Übertragung der verantwortlichen Leitung eines mit den
besten sachlichen und persönlichen Kräften ausgestatteten
Präsidialkabinetts an den Führer der größten nationalen Gruppe
wird die Schwächen und Fehler, die jeder Massenbewegung
notgedrungen anhaften, ausmerzen und Millionen Menschen, die heute
abseits stehen, zu bejahender Kraft mitreißen.
In vollem Vertrauen zu Eurer Exzellenz Weisheit und Eurer
Exzellenz Gefühl der Volksverbundenheit begrüßen wir Eure
Exzellenz
mit größter Ehrerbietung
Dr. Hjalmar Schacht, Berlin
Kurt Freiherr von Schroeder, Köln
Fritz Thyssen, Mülheim
Eberhard Graf von Kalckreuth, Berlin
Friedrich Reinhart, Berlin
Kurt Woermann, Hamburg
Fritz Beindorff, Hamburg
Kurt von Eichborn, Breslau
Emil Helfferich, Hamburg
Ewald Hecker, Hannover
Carl Vincent Krogmann
Dr. Erwin Lübbert, Berlin
Erwin Merck, Hamburg
Joachim von Oppen, Dannenwalde
(Eberhard Czichon,. Wer verhalf Hitler zur Macht?. Köln 1967, S.
69f S. 71 f)
[ii] Es handelt sich um die Münchener Neueste Nachrichten,
Fränkischer Kurier und Schwäbischer Merkur.
[iii] Johannes Bähr: "Die MAN" 265
[iv] Franz von Papen 1879 - 2. Mai 1969. Offizier im Kaiserreich.
Nach dem I. Weltkrieg in der Zentrumspartei, 1932 ausgetreten, 1932
Reichskanzler und 1933 bis 1934 Vizekanzler im Kabinett Hitler.
Papen gehörte zu den 24 im Nürnberger Prozess gegen die
Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof
angeklagten Personen. In einem anschließenden Spruchkammerverfahren
wurde er zu acht Jahren Arbeitslager verurteilt. Bald darauf
vorzeitig entlassen.
[v] Die MAN, 266
[iv] Der Zonenausschuss der CDU für die britische Zone erließ
in seiner Tagung vom 1. bis 3. Februar 1947 in Ahlen folgende
programmatische Erklärung:
Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und
sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht
geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und
sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik
kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen. Inhalt und Ziel
dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr als
das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das
Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinwirtschaftliche
Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und
Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen
entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes
dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.
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