03.08.2011
Kriegsverbrecher behalten ihre Renten
Bundestagsbeschluss wird
nicht verwirklicht
Wer sich bei Kriegsverbrechen schuldig gemacht hat,
der soll seine Opferrente verlieren. So beschloss es 1998 der
Bundestag, u.a. nachdem die VVN-BdA es gefordert hatte. Doch dann
geschah nichts, weil nämlich unklar blieb, wie die Täter zu finden
sind. Denn von deutschen Gerichten waren ja so gut wie keine
Wehrmachtsangehörigen je belangt worden. Wir schlugen – und daran
erinnerte Peter Gingold für die VVN-BdA auf dem Hearing zur
Aufdeckung der Untaten der Gebirgsjäger in Mittenwald im Jahr 2003
– vor, zumindest allen Trägern des Bandenkampfabzeichens und
ähnlicher Orden für Massenmörder die Opferrente zu nehmen und
gegen sie zu ermitteln und mit den Ermittlungen die Ludwigsburger
Zentralstelle zu beauftragen. Dazu hat jetzt die LINKE eine Anfrage
an die Bundesregierung gestartet. Leider erfolglos.
Saubere Wehrmachtsrentner
Bund und Länder weigern sich,
Naziverbrecher unter Kriegsbeschädigten zu ermitteln
Von Frank Brendle
Der Forderung des Bundestages, daß Naziverbrecher keine
Kriegsbeschädigtenrenten erhalten sollen, wird von Bund und
Ländern seit über zehn Jahren nicht entsprochen. Das ergibt sich
aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der
Linksfraktion.
Wer aufgrund seines Wehrdienstes für das »Dritte Reich« bzw.
anschließender Kriegsgefangenschaft gesundheitlich dauerhaft
geschädigt wurde, kann monatliche Zahlungen nach dem
Bundesversorgungsgesetz beziehen. Das gilt für den Dienst in der
Wehrmacht wie auch in der Waffen-SS, es gilt auch für deren
ausländische Kollaborateure. Kurz nach dem Auseinanderbrechen der
Sowjetunion setzte daher eine Flut von Anträgen vor allem aus dem
Baltikum ein. In Lettland hatten 100000 Mann, in Estland 60000 Mann
freiwillig auf deutscher Seite gekämpft, die meisten von ihnen in
den besonders verbrecherischen SS- und Polizeieinheiten, die zum
Teil an der Ermordung der jüdischen Bevölkerung beteiligt waren.
Daß diese Verbrecher Renten aus Deutschland bezogen, während
jüdische Opfer damals noch größtenteils keine »Entschädigung«
erhielten, hatte heftige Debatten ausgelöst. Sie bewirkten 1998
eine Gesetzesänderung: Wer »gegen die Grundsätze der
Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit« verstoßen hatte, dem
sollten Leistungen versagt bzw. aberkannt werden.
Zunächst sah das Gesetz »eine besonders intensive
Überprüfung« ehemaliger SS-Freiwilliger vor, die als
»Verdachtsfälle« eingestuft wurden. Das waren damals rund 10000.
Eine Gesamtüberprüfung sollte folgen – genau das ist aber
niemals geschehen. Noch ein Jahr nach Gesetzesverabschiedung hatte
die Bundesregierung im ersten und letzten Umsetzungsbericht
ausgeführt, es seien »grundsätzlich alle Neuanträge und darüber
hinaus auch alle Bestandsfälle einer Überprüfung zu
unterziehen«. Bei den Neuanträgen scheint das zu funktionieren,
hier werden regelmäßig die wichtigsten Archive, die Zentralstelle
zur Aufklärung von NS-Verbrechen und das Simon-Wiesenthal-Zentrum
eingebunden. Auch die 10000 früheren SS-Angehörigen wurden
überprüft. Aber damit hatte es sich dann: Die Herkulesaufgabe,
sämtliche 930000 Kriegsbeschädigten (Stand 1999) zu kontrollieren,
blieb unerledigt. Zuständig dafür waren die Länder, und die
befanden, die Aufgabe sei »wegen des dafür erforderlichen
personellen und technischen Aufwands nicht vertretbar gewesen«, so
teilte die Bundesregierung nun mit. Der Wille des Parlaments sei
damit »willkürlich unterlaufen und das Gesetz kurzerhand
ignoriert« worden, kritisierte die Initiatorin der Anfrage, die
Abgeordnete Ulla Jelpke. Sie rechnete vor, daß die historische
Aufarbeitung in diesem Fall »schon nach knapp einem Prozent der
Arbeit steckengeblieben« sei. Ob die Länder jemals um Hilfe
gebeten hatten, wird nicht übermittelt. Bekannt ist aber, daß
schon 1998 die Zentralstelle in Ludwigsburg gewarnt hatte, sie sei
mit ihren 25 Beschäftigten heillos überfordert.
Die Beschränkung der Überprüfung auf SS-Angehörige deutet
darauf hin, daß in den Amtsstuben weiterhin der Mythos der
»sauberen Wehrmacht« nachwirkt. Die Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes hatte vorgeschlagen, wenigstens noch die Empfänger des
sogenannten Bandenbekämpfungsabzeichens gesondert zu kontrollieren,
also jene, die sich bei der Ermordung »partisanenverdächtiger«
Juden, Russen und Belorussen besonders mit Blut befleckt hatten. Die
Bundesregierung sieht hierfür keine Veranlassung. Die abgekürzte
Überprüfung ergab, so antwortete sie, bis 2010 eine Gesamtzahl von
gerade mal 99 Fällen, in denen Leistungen versagt oder entzogen
wurden.
Siehe auch:
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/gebirgsjaeger3.htm
Mit freundlicher Genehmigung der jungen Welt (http://www.jungewelt.de/2011/07-11/040.php)
|