03.08.2011
Die stolze Tradition der FIR und ihre dringenden
aktuellen Aufgaben
Gespräch mit Dr. Ulrich
Schneider (Generalsekretär der Fédération Internationale des
Resistants – Association antifasciste)
Vorspann: Der Generalsekretär der Internationalen
Föderation der Widerstandskämpfer FIR und Bundessprecher der
VVN-BdA Dr. Ulrich Schneider nahm in einem JW-Interview u.a. zu den
Fragen Stellung, ob die FIR Antikapitalismus als Voraussetzung für
Antifaschismus ansehe und ob die Kritik am Imperialismus und an der
EU im Vordergrund stehen solle. „Zu unserer Gemeinschaft gehören
Partner in 25 Ländern mit sehr verschiedenen Grundsätzen.
Natürlich wird gestritten – aber dann heißt es: Jetzt müssen
wir den gemeinsamen Kampf weiterführen. So war es auch zur Wahl des
neuen Präsidenten, bei der zugleich auch zwischen zwei
unterschiedlichen Konzepten zu entscheiden war. Die Konferenz hat
sich mehrheitlich für ein breites Bündniskonzept ausgesprochen,
das unser jetziger Präsident Vilmos Hanti vertritt.“
»Wir haben Grund, stolz auf unsere
Tradition zu sein«
Vor sechs Jahrzehnten wurde die
Fédération Internationale des Résistants gegründet.
Jubiläumsfeier in Wien.
Gespräch mit Ulrich Schneider
Interview: Gitta Düperthal
Dr. Ulrich Schneider ist Generalsekretär der Fédération
Internationale des Résistants – Association antifasciste
(Internationale Förderation der Widerstandskämpfer – Bund der
Antifaschisten)
Die Fédération Internationale des Résistants (FIR) besteht
seit 60 Jahren und hat vor wenigen Tagen in Wien mit mehr als 130
Delegierten und Gästen ihr Gründungsjubiläum gefeiert. Welche
Rolle spielt der antifaschistische Kampfverband heute noch? Viele
der ehemaligen Widerstandskämpfer sind ja bereits tot.
Zunächst wollen wir das politische Vermächtnis der ehemals
Verfolgten und der Kämpfer gegen den Faschismus bewahren und an
kommende Generationen weitergeben: »Nie wieder Faschismus – nie
wieder Krieg«. Weiterhin versuchen wir, unsere Erkenntnisse zu
vermitteln, wie man den Faschismus verhindern und bekämpfen muß.
Die FIR bezeichnet sich als »antifaschistischer Kampfverband
mit langer Tradition«. Schaut der Verband nur auf eine
kämpferische Tradition zurück, oder ist er es heute noch?
Natürlich haben wir Grund, stolz auf unsere Tradition zu sein.
Die FIR ist in der Zeit des Kalten Krieges gegründet worden und hat
auch den Dissens überstanden zwischen Verbänden, die eher
kommunistisch orientiert sind und solchen mit liberal-bürgerlicher
Ausprägung. Natürlich sind wir historisch orientiert – aber
nicht im Sinne von »früher war alles besser«. Wir stellen uns
heute neuen Aufgaben. Wir beschäftigen uns zum Beispiel mit
Demokratiefeindlichkeit und Friedensgefährdung in vielen Teilen
der Welt. In dieser Weise sind wir aktiv, gemeinsam mit den Partnern
und Mitgliedsorganisationen, die wir in den verschiedenen Ländern
haben.
Welche Themen stehen zur Zeit im Mittelpunkt?
Wir fragen uns etwa, wie wir der Rechtsentwicklung in Ungarn
entgegenwirken können. Unsere dortigen Mitgliedsverbände berührt
das existentiell, sie müssen sich gegen rechtspopulistische
Politikkonzepte zur Wehr setzen. Eines der wichtigen Themen ist auch
der Kampf gegen den Rassismus, der zur Zeit Sinti und Roma trifft,
und das nicht nur in ungarischen, slowakischen und rumänischen
Regionen: Auch unsere französischen Mitgliedsverbände haben damit
zu tun.
Wir gehen dagegen an, daß jetzt insbesondere in Staaten der
früheren Sowjetunion versucht wird, die Geschichte umzuschreiben,
indem beispielsweise ehemalige faschistische Kollaborateure zu
Freiheitskämpfern gemacht werden. Wir stellen klar: Diese Leute
haben mitnichten für die angebliche Freiheit ihrer Nation oder
ihres Volkes gekämpft, sondern sich an den Massenverbrechen der
Nazis gegen Juden und Partisanen beteiligt. Nicht zuletzt wehren wir
uns überall dort, wo Kriegspolitik den Frieden bedroht.
Werden Demokratiedefizite und Faschismusgefahr in der FIR
generell mit antikapitalistischem Engagement in Verbindung
gebracht?
Klar ist, daß diejenigen, die eine antikapitalistische
Orientierung haben, integraler Bestandteil der FIR sind. Aber: Wie
im antifaschistischen Kampf insgesamt muß das Bündnis so breit
sein, daß unterschiedliche Politikkonzepte ihren Platz finden. Wir
haben nicht nur Organisationen als Mitglieder, die den Kapitalismus
als Ursache für die Entstehung des Faschismus sehen, sondern auch
solche, die sich zunächst für den Erhalt von Demokratie und
Freiheit einsetzen. Das ist das Besondere, das die FIR ausmacht: Zu
unserer Gemeinschaft gehören Partner in 25 Ländern mit sehr
verschiedenen Grundsätzen. Natürlich wird gestritten – aber dann
heißt es: Jetzt müssen wir den gemeinsamen Kampf weiterführen.
So war es auch zur Wahl des neuen Präsidenten, bei der zugleich
auch zwischen zwei unterschiedlichen Konzepten zu entscheiden war.
Die Konferenz hat sich mehrheitlich für ein breites Bündniskonzept
ausgesprochen, das unser jetziger Präsident Vilmos Hanti vertritt.
Unsere Freunde aus Griechenland hatten hingegen deutliche Kritik am
Imperialismus formuliert und an der Rolle, die die Europäische
Union dabei spielt, weil dies ursächlich für den Abbau von
demokratischen Rechten und Freiheiten sei. Die Frage war: Wollen wir
uns wirklich zum Ziel setzen, vorrangig den Internationalen
Währungsfonds und die EU zu bekämpfen – oder haben wir andere
Zugänge. Die Konferenz hat sich für letzteres entschieden.
Mit freundlicher Genehmigung der jungen Welt (http://www.jungewelt.de/2011/07-14/055.php)
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