Logo VVN/BdA NRW

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

30.07.2011

Abgeordnete sollen den Stopp der Nazis in die eigenen Hände nehmen

Alle Landtagsfraktionen wurden zum gemeinsamen Handeln der Demokraten am 3. 9. 11 in Dortmund aufgerufen.

Die Bundestagsgruppe der LINKEN aus NRW hat beschlossen, am Protest gegen den Naziaufmarsch am 3. September auf der Straße teilzunehmen. Die VVN-BdA hatte bereits im April in einer Petition an Landtag gebeten, dass die Landtagsabgeordneten die Sache der Verhinderung des Naziaufmarsches in die eigenen Hände nehmen - nachdem Innenministerium, Polizei und Bundesverfassungsgericht immer wieder zu erkennen gegeben haben, dass sie Naziaufmarsche für Ausdruck von Meinungsfreiheit und damit für zulässig halten. Nachdem keine Antwort eintraf, richtete die VVN-BdA Ende Juni einen dringenden Brief an den Landtag: Das geplante Nazitreffen zum 72. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen muß verhindert werden. (Wortlaut der Petition siehe unten). Der Präsident des Landtages von NRW hat der VVN-BdA NRW am 29. 7. 2011 zu ihrer Eingabe mitgeteilt:

"Der Petitionsausschuss hat Ihr Vorbringen in seiner Sitzung vom 19.07. 2011 beraten. Ich gebe Ihnen hiermit aus dem Sitzungsprotokoll den gefassten Beschluss zur Kenntnis: Die Zuschrift von Herrn S. wird an die Fraktionen des Landtages weitergeleitet. Die Bearbeitung Ihrer Petition hat längere Zeit in Anspruch genommen. Bei der großen Zahl von Bitten und Beschwerden ließ sich die Verzögerung leider nicht vermeiden."

Petition "Gemeinsames Handeln der Demokraten zum Stopp der Nazis"

Die Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA NRW hat folgende Petition an den Landtag beschlossen:

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen möge beschließen:

In einer gemeinsamen Resolution wenden sich die Mitglieder des Landtages gegen alle Aufmärsche von Neonazis in den Städten und Gemeinden unseres Bundeslandes. Sie sprechen sich entschieden für Mitmenschlichkeit und Toleranz, gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt aus. Rassismus, Kriegshetze und Fremdenfeindlichkeit sowie alle Bemühungen, die Verbrechen des Naziregimes zu verharmlosen, haben in unserem Land keinen Platz. Die Nazi-Aufmärsche werden nunmehr seit zehn Jahren in verstärktem Maße hier geduldet, obwohl eine überwältigende Mehrheit der Bürgerschaft unserer Städte und Gemeinden sie ablehnen. 

Die Mitglieder des Landtages bedauern die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, auch am 4. September 2010 einen Aufmarsch der Neonazis in Dortmund genehmigt zu haben. Sie sprechen sich gemeinsam dafür aus, alle Naziaufmärsche zu beenden. Die Mitglieder des Landtages erwarten vom Bundesverfassungsgericht, seine bisherige Rechtsprechung zu überdenken und in künftigen Entscheidungen über Demonstrationsverbote insbesondere sein eigenes Grundsatzurteil vom November 2009 zu beachten.

Unverzichtbar ist, die Achtung von Recht und Gesetz auch zu einer unmittelbaren Aufgabe des Landtages zu machen. Unverzichtbar ist, dass die demokratisch gewählten Gremien handeln, und dies nicht der Polizei überlassen. Insbesondere mobilisiert der Landtag dazu die Öffentlichkeit, ermutigt die Bürgerinnen und Bürger zur Zivilcourage und beteiligt sich demonstrativ an den Protestaktionen. Mit Entschiedenheit gilt es, der Demokratie der Mehrheit gegen den Terror einer Minderheit Geltung zu verschaffen.

Im Einzelnen wird gefordert:

Das Prinzip des Oberverwaltungsgerichts Münster sollte angewendet werden, welches lautet: "Eine rechtsextremistische Ideologie lässt sich auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren." (Beschluss OVG NRW, Az 5 B B 585/01)

Es wird somit das Grundgesetz angewendet, dessen Artikel 139 die zur "Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus" erlassenen Rechtsvorschriften zu geltendem Recht macht; - dieser Artikel wurde beim Beitritt der Bundesrepublik Deutschlands in die UNO und bei Grundgesetzentscheidung nach der Herstellung der Einheit Deutschlands bekräftigt.

Es wird die Entscheidung des Bundestages angewendet, der den § 130,4 geschaffen hat, der besagt: Es "wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt."

Es wird die Entscheidung des Bundestages angewendet, der in das Versammlungsgesetz hineingeschrieben hat: "Eine Versammlung oder ein Aufzug kann insbesondere verboten (…) werden, wenn 1. die Versammlung oder der Aufzug an einem Ort stattfindet, der als Gedenkstätte von historisch herausragender überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert und 2. nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen ist, dass durch die Versammlung oder den Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt wird." (Versammlungsgesetz § 15,2)

In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht bereits im November 2009 entschieden: "Wegen der besonderen Geschichte Deutschlands gilt in der Frage der Meinungsfreiheit für Nazis eine Ausnahme. ‚Angesichts des Unrechts und des Schreckens, den die Naziherrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht habe', enthalte das Grundgesetz in diesem Punkt eine Ausnahme vom Verbot, ein Sonderrecht gegen bestimmte Propaganda zu schaffen. Denn ‚das Grundgesetz kann weithin geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des national-sozialistischen Regimes gedeutet werden'." (Az. 1 BvR 2150/08) (Zitiert nach dpa vom 17.11.09)

Die Städte Wunsiedel und Karlsruhe haben die Anwendung des § 130,4 des Strafgesetzbuches gegen Neonaziaufmärsche vorgenommen und sind damit gut gefahren. So konnten die Naziaufmärsche verboten werden. Das sollte auch in unseren Städten und Gemeinden möglich sein.

Einstimmig beschlossen von der Landeskonferenz der VVN-BdA NRW am 26.02.2011 in Düsseldorf.