13.06.2011
Erklärung der VVN-BdA Aachen zur Absage der
Neofa-Ausstellung in Stolberg
Stolberger Bündnis „Gegen
Radikalismus“ sagt Ausstellung über Neofaschismus und
Veranstaltung mit Opfern rechter Gewalt ab
Im Vorfeld des Neonaziaufmarsches am 8+9. April in
Stolberg sollten Informationsveranstaltungen über die Gefahr des
Neonazismus informieren. Das Stolberger Bündnis hatte deswegen die
von der Gewerkschaft Verdi und der VVN-Bund der Antifaschisten
erstellte Ausstellung „Neofaschismus in der Bundesrepublik“
bestellt. Flugblätter und Plakate waren bestellt, Aufkleber mit den
örtlichen Angaben über Anfangszeiten und Orte waren hergestellt.
Kurz vor dem Datum der geplanten Eröffnung der Ausstellung wurde
die VVN-BdA telefonisch von Bürgermeister Gatzweiler (SPD) darüber
informiert, dass sowohl die Ausstellung als auch die Veranstaltungen
abgesagt würden. Da es keine schriftlichen Stellungnahmen des
Bündnis gibt, sind wir auf Hören-Sagen angewiesen. Trotzdem
können wir diesen Affront nicht kommentarlos hinnehmen. Es sind
sinnlos erhebliche Anstrengungen unternommen und Gelder ausgegeben
worden, nur weil das Bündnis seine Zusagen nicht einhalten konnte
oder wollte.
Zur Vorgeschichte: Im Jahr 2001 hatte der damalige CDU
Bürgermeister Hans Josef Siebertz schriftlich eine ganze Reihe von
Veranstaltungen gegen rechte Gewalt angekündigt. Im Rahmen der
Ausstellung „Neofaschismus in der Bundesrepublik“ sollten
verschiedene Veranstaltungen stattfinden. Kurz vor der
Ausstellungseröffnung wurden die Veranstalter schriftlich auf den
Weg des Antrages an den Hauptausschuss verwiesen, was wegen der
verbliebenen Zeit nicht funktionieren konnte, eine Absage durch die
Hintertür. Die Öffentlichkeit reagierte mit Kopfschütteln, die
Veranstalter machten ihre Kosten geltend und erklärten: „Wir
werden nicht nochmals eine Ausstellung buchen, deren Ausfall durch
die Entscheidung der Stadt einen Schaden von rund 1000 Mark
verursacht hat“.
Die DM ist Geschichte und der CDU Bürgermeister ebenfalls. Nach
den Kommunalwahlen hieß der neue Bürgermeister Gatzweiler (SPD).
Der versuchte denn auch schnell, den Fehler seines Vorgängers zu
berichtigen. Er eröffnete mit den Veranstaltern die Ausstellung in
der Stadtbücherei. Die Ausstellung wurde ein großer Erfolg.
Wer konnte nun damit rechnen, dass der SPD Bürgermeister 10
Jahre später nochmal den gleichen Fehler der CDU wiederholen
würde?
Die Planung der Veranstaltungen im Vorfeld des Naziaufmarschs
begann im letzten Herbst. Die Ausstellung ist von Beginn an im Netz
zu begutachten. Es handelt sich um eine aktualisierte Fassung der
Ausstellung, die bereits in der Stadtbücherei zu sehen war.
Versuchen wir den Pudding an die Wand zu nageln. Es ist schwer
auf Argumente einzugehen, die nur telefonisch im 4 Ohren Prinzip
vorgetragen wurden. Es geht wohl um folgende Punkte:
1. Die Ausstellung ist in dieser Form schon in vielen Städten
gezeigt worden und in einigen Städten hat es kontroverse
Diskussionen gegeben. Die Neonazis stellten Strafanzeigen und
drohten mit Gewalt. In der alten und der neuen Fassung der
Ausstellung sind 2 Tafeln von 21 thematisch mit der Verantwortung
von Politikern als Stichwortgeber für die äußerste Rechte
gefüllt. Das hat nicht allen Genannten gefallen und das sollte es
auch nicht. Die Verantwortung der so genannten Mitte der
Gesellschaft für das Erstarken des Neofaschismus ist
wissenschaftlich erforscht. Sie wurde in Büchern und Vorträgen
veröffentlicht und war bislang selbst in Stolberg nicht bestritten.
Weitere Argumente und Gegenargumente können der Stellungnahme des
Bundesvorstands der VVN-BdA entnommen werden:
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0754_neofa-ausstellung.htm .
Stolberg will aber offenbar auf Kosten der Wahrheit einen
Schulterschluss der Parteien erreichen. Es wird ja keines der Zitate
von deutschen Politikern bestritten. Die traurige Realität ist,
dass man eine ganze Ausstellung nur zu diesem Thema machen könnte.
Es ist vielmehr eine Harmoniesucht mit der Politik rechts von der
Mitte festzustellen, der die Diskussion und die demokratische
Kontroverse geopfert wird.
2. Es ist durchaus möglich, dass die NPD auch gegen die neue
Ausstellung agiert hätte. Sie waren ja schon bei der letzten
Ausstellung mit ihren Hetzparolen dabei. Es kann aber nicht die
Aufgabe der Arbeit gegen Rechts sein, möglichst konfliktfrei gegen
Neonazis vorzugehen. Man darf sich nicht von der Angst vor
möglichen Angriffen der NPD einschüchtern lassen.
3. Wir hörten auch das „Argument“, jetzt müssten alle (?)
zusammenstehen und wir dürften keine „Parteipolitik“ machen.
Die Organisatoren der Ausstellung, die Gewerkschaft Verdi und die
VVN - Bund der Antifaschisten sind beides überparteiliche
Organisationen. Wenn in der Ausstellung einzelne Politiker
kritisiert werden, dann ist die administrative - statt argumentative
- Abwehr dieser Kritik Parteipolitik, nämlich zum vorgeblichen
Schutz dieser Politiker. Demokratie lebt von der Debatte, auch der
Kontroverse. Verbote von Debatten sind kein Dienst an der
Demokratie.
Wer sich dem Druck der rechten Kräfte aussetzt und sich nicht
widersetzt, sollte nicht auch noch verlangen, dass der Deckmantel
des Schweigens über dieses peinliche Rückgratlosigkeit gelegt
wird. Wir wissen, dass die NPD sich freut, wenn ihre Gegner sich
streiten. Aus unserer Sicht ist aber der Streit unter Demokraten
mehr wert, als die einheitliche Diktatur der Neonazis. Auf längere
Sicht sind Gesellschaftsmodelle der Demokratie effektiver und
lebensbejahender als alles, was die Nazi Propaganda mit dem Wunsch
nach dem „starken Mann“ verspricht.
Die Ausstellung, die in Stolberg von konservativen Kräften
vorläufig verhindert wurde, wird in dieser Woche im Rathaus von
Düren sowie anschließend beim Zug der Erinnerung im Dürener
Bahnhof gezeigt. Veranstalter ist das Dürener Bündnis gegen
Rechts. In diesem Bündnis ist der Dürener Bürgermeister (CDU)
einer der Sprecher.
Wir wünschen den Stolbergern eine Bürgerinitiative, die anderen
ein verlässlicher Partner ist. Wir wünschen uns allen den Mut,
Konflikte unter Demokraten aushalten zu können. Sich den
Rechtstendenzen zu widersetzen erfordert Rückgrat und Zivilcourage.
Standhaftigkeit statt Opportunismus, demokratisches
Selbstbewusstsein statt Untertanentum und Gehorsam: das sind unserer
Meinung nach die Mittel im Kampf gegen Rechts. Das Zeichen, das das
Stolberger Bündnis mit der Absage der Ausstellung und der
Veranstaltungen gab, ist das der Verzagtheit. Vertrauen ist
verspielt und den Nazis wurde unnötig ein Ball zugespielt.
Etwas Gutes mag die vorläufige Verhinderung der Ausstellung
haben: Vielleicht interessieren sich jetzt noch mehr Menschen
dafür, wovor und warum die Stolberger eine solche Angst haben. Wer
sich für die Ausstellung interessiert, kann sie im Internet
anschauen. Gern diskutieren wir über die dort gezeigten Inhalte. http://neofa-ausstellung.vvn-bda.de/
Und möglicherweise findet sich in Stolberg eine Gruppe oder
Institution, die das öffentliche Zeigen der Ausstellung
ermöglicht. Mehr Demokratie wagen!
Die Ausstellung kann gebucht werden bei nrw@vvn-bda.de
|