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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

25.05.2011

Der 8. Mai in Wuppertal

Rede von VVN-BdA-Landessprecher Jochen Vogler und Film über Fritz Bauer

Die Veranstaltungen in Wuppertal zum 8. Mai fanden statt, wenn auch mit überschaubarer Beteiligung. Die Filmveranstaltungen über Fritz Bauer wurden leider von den Medien nicht beachtet. Im Anschluß an die erste Vorstellung diskutierten die Regisseurin Ilona Ziok und Gerold Theobald mit dem Publikum über den Film, über Fritz Bauer über Bedingungen und Widerstände zu diesem Film. Außerhalb von Wuppertal findet der Film große Beachtung und er erhielt auch schon zahlreiche Auszeichnungen. Eine Gruppe von ca 15 Nazis versuchten im Bahnhof (Veranstaltungsort) zu provozieren - ausgerüstet mit Stangen und Baseballschlägern. Es blieb allerdings bei Drohgebärden, die Polizei geleitete sie nach einiger Zeit fort. Im Folgenden der Redebeitrag von Jochen Vogler auf dem Friedhof Norrenberg und ein Foto vom Bahnhof Vohwinkel. 

Rede zum 8. Mai 2011 auf dem Norrenberger Friedhof - Jochen Vogler

Sehr geehrte Damen und Herren,

heute ist ein schöner Frühlingstag. Eine gute Zeit für einen Spaziergang, eine Fahrradtour, einfach im Garten sitzen und es sich gut gehen lassen und bei Kaffee und Kuchen den Muttertag zu feiern.

Die Ausstellung im BahnhofWir haben uns hier - wie jedes Jahr am 8. Mai - Zeit genommen, um uns gemeinsam zu erinnern:

Am 8. Mai 1945 war die damalige übrig gebliebene militärische und politische Führung gezwungen, mit der bedingungslosen Kapitulation gegenüber den Alliierten das endgültige Scheitern ihrer verbrecherischen Eroberungs- und Vernichtungspolitik zu besiegeln.

Wir kennen das Ergebnis der 12 Jahre des Faschismus an der Macht.

Der 8. Mai 1945 hatte den 30. Januar 1933 zur Voraussetzung.

Hitler und seine Nazipartei wurden systematisch von interessierten Wirtschaftskreisen in Kenntnis des politischen Programms der Nazipartei an die Regierungsmacht gebracht.

Wir kennen heute gesellschaftliche und politische Bedingungen, die den Nazis den wachsenden gesellschaftlichen Einfluß ermöglichten.

Dazu zählte auch der rücksichtsvolle juristische Umgang mit ihren gewalttätigen Umtrieben.

Der Schrecken der 12-jährigen Naziherrschaft hatte einige Zeit nachhaltige Konsequenzen für den Aufbau neuer Strukturen in diesem zerstörten und verwüsteten Land.

Nur noch von historischem Interesse ist das Ahlener Programm - das Wirtschafts- und Sozialprogramm der CDU - von 1947 in dem es zu Beginn heißt:

Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund auf erfolgen.

Der Kranz am FriedhofInhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.

Diese Programmatik reflektierte die gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen, die zur Macht der Nazipartei führten.

Allerdings - wir wissen es - dieses Programm fand niemals eine politische Umsetzung.

Unter dem Eindruck der grausamen Folgen des 12-jährigen Naziterrors wurde auch das Grundgesetz formuliert.

Die Unantastbarkeit der Grundrechte, festgelegt in den Artikeln 1- 19, die Verfassungsgrundsätze, die die Bundesrepublik mit dem Artikel 20 als einen sozialen Rechtsstaat bestimmen, das mit Artikel 26 klar bestimmte Verbot von Angriffskriegen, die nach Einführung der Bundeswehr mit Artikel 87 a erfolgte Festlegung zu einer Verteidigungsarmee und auch der Artikel 139 zur Fortwirkung der alliierten Bestimmungen zum Verbot der NSDAP und möglicher Nachfolgeparteien sind Ausdruck der Erfahrung mit den Vorbedingungen und den schrecklichen Auswirkungen des Faschismus an der Macht und dem entschiedenen Willen, wirksamen politischen Schutz zu schaffen, um Wiederholungen ein für alle Mal auszuschließen.

66 Jahre nach der Befreiung stellen sich Fragen an die Verfassungswirklichkeit.

Wir wissen, mit welchem Personal in Justiz, Verwaltung, Regierung und Militär die Strukturen in einflußreichen Positionen mit gestaltet wurden.

Globke, Gehlen, Kiesinger, Filbinger, Oberländer, Speidel und Heusinger sind die bekanntesten Namen derer, die während des Naziregimes einflußreich wirkten und nach 1945 erneut.

Wir wissen, wie dieses Personal mit dafür sorgte, den Kalten Krieg zu schüren, Nazis zu schonen und deren Gegner weiter zu verfolgen.

Solche Veranstaltungen wie heute beschwören immer wieder die Festigkeit unserer demokratischen Strukturen und daß wir den Anfängen zu wehren wissen.

Inzwischen haben wir uns mit den Zuständen zu beschäftigen.

In unserer Nachbarschaft in Radevormwald tobt allwöchentlich eine Nazibande und terrorisiert - inzwischen auch gewalttätig- weitgehend unbehindert die Nachbarschaft.

Von Dortmund und Wuppertal gibt es Berichte, daß Familien ihren Stadtbezirk verlassen, um nicht mehr den fortgesetzten Attacken von Nazibanden ausgesetzt sein zu müssen.

Beinahe jedes Wochenende versperrt ein riesiges Polizeiaufgebot ganze Innenstädte, um angemeldete Naziaufmärsche zu schützen.

Trotz einiger Urteile, die deren Recht auf Meinungsfreiheit vor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrung mit deren Ideologie relativieren, gelingt es den Nazis -in welcher organisatorischen Verkleidung auch immer- ihre Aufmärsche rechtlich durchzusetzen.

Gestern in Köln, kürzlich in Stolberg bei Aachen, im Januar mußten wir es auch hier in Wuppertal erleben. - Ihre damals gebrüllten rhetorischen Drohungen und volksverhetzenden Parolen sind dokumentiert.

Das Verfassungsgebot der Landesverteidigung nach Artikel 87 a wird seit 9 Jahren in Afghanistan verwirklicht.

Den Bundeswehreinsatz dort setzte der damalige Bundeskanzler G. Schröder mit der Verknüpfung der Vertrauensfrage durch.

Deutschland wird am Hindukusch verteidigt - dieser flapsige Hinweis des damaligen Verteidigungsministers Struck (so wird dieses Regierungsamt offiziell noch immer genannt) reichte gegenüber der Öffentlichkeit als Begründung im Sinne des Grundgesetzes für die Bevölkerung.

Inzwischen wissen wir auch offiziell, daß die Bundeswehr dort -umgangssprachlich- im Kriegseinsatz ist und die Nachschubwege für die Energieressourcen zu sichern hat.

Wir nehmen zur Kenntnis, daß verbrieftes Völker- und Menschenrecht entsprechend den Großmachtinteressen interpretiert wird.

Der 8. Mai war der Tag der Befreiung. Der Tag der Befreiung von Krieg und Faschismus.

Und damit der historische Wendepunkt zu einer politischen Entwicklung, die uns trotz vieler sehr bedenklicher Fehlentwicklungen ein weitgehend freiheitliches Klima ermöglicht.

Dies ist aber nicht selbstverständlich - es muß täglich neu erfüllt werden.

Ein entschiedener Streiter für eine demokratische Entwicklung in diesem Land gegen damals noch heftige Widerstände und haßerfüllte Anfeindungen seiner juristischen Kollegen aus alter Zeit war der Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Seine Anstrengungen durchbrachen das damalige Verdrängungsdogma. Ohne seine maßgebliche Initiative wären die Auschwitzprozesse von 1963 bis 1968 nicht zustande gekommen.

Aufgrund dieser Prozesse war der Leugnung de Holocaust jede Grundlage entzogen.

Fritz Bauer wurde nur 65 Jahre alt. - Die Umstände seines Todes 1968vhinterlassen noch immer Fragen.

Fritz Bauer - Tod auf Raten ist der Titel des Films innerhalb der Filmwoche der Aktion Mensch, der heute mit 2 Aufführungen im Bürgerbahnhof in Vohwinkel gezeigt wird.

Und zwar um 15.00 Uhr und um 18.00 Uhr.

Die Regisseurin Ilona Ziok und der Wuppertaler Dramaturg Gerold Theobaldt werden anwesend sein und mit uns zwischen den beiden Aufführungen zu dem Film diskutieren.

Sie sind herzlich eingeladen, heute Nachmittag nach Vohwinkel zu kommen.

Vielen Dank.