21.04.2011
Bundeskongress deutlich verjüngt
Bericht über den
Bundeskongress der VVN-BdA
Eine gute Zusammenfassung des Verlaufs und der
Ergebnisse des 4. Bundeskongresses wurde uns aus Bremen zugesendet.
Es wird berichtet: Prof. Dr. Heinrich Fink, der Bundesvorsitzende,
würdigte auf dem Kongress die Erfahrungen seit der Vereinigung der
antifaschistischen Verbände vor neun Jahren. Erfahrungen aus langen
Jahren seien in die Arbeit der Vorstandsgremien Bundesausschuss und
Bundessprecherkreis eingeflossen. Jedes 10. Mitglied ist in den
letzten drei Jahren beigetreten, sicherlich auch ein Ergebnis der
beiden NPD-Verbotskampagnen. Prof. Fink würdigte den Erfolg der
Neofaschismus-Ausstellung, die erfolgreichen Blockade-Aktionen in
Dresden mit 20.000 Teilnehmern, die Arbeit der Lagergemeinschaften
und der Geschäftsstelle. Das wurde in den folgenden Beiträgen mit
Streiflichtern auf die Landtagswahlen ergänzt und unterstrichen.
Am Vorabend des 4. Bundeskongresses seit Vereinigung der
antifaschistischen Verbände 2002 fanden zwei wichtige
Veranstaltungen statt. Die FIR, der Dachverband der
Widerstandsorganisationen Europas und Israels legte zusammen mit dem
belgischen Institut der Veteranen der Presse eine Karte der Lager
und Haftstätten des deutschen Faschismus in Mitteleuropa vor. Dr.
Ulrich Schneider verwies darauf, dass eine allererste Karte von
deutschen Antifaschisten zu den Olympischen Spielen 1936
herausgegeben und in Zügen nach Deutschland ausgelegt wurde. Nach
der Befreiung vom Faschismus erstellte der internationale Suchdienst
des Roten Kreuzes 1949 auf Grundlage von Zeugnissen Überlebender
einen Katalog der Lager und Haftstätten. Die aktuelle Karte beruht
auf einer Datenbank und gibt 20.000 Orte wieder, darunter 4.000
Ghettos, 8.000 Stalags und Oflags der Kriegsgefangenen. Für 12 Euro
ist sie bei der VVN-BdA käuflich zu erwerben.
Prof. Dr. Moshe Zuckermann kam eigens aus Tel Aviv, um am
Vorabend des VVN-Bundeskongresses im gut gefüllten Senatssaal der
Humboldt-Universität in Berlin zum Thema „Zwischen Israel-Kritik
und Antisemitismus“ zu referieren. Prof. Zuckermann deutete darauf
hin, dass die aktuellen Entwicklungen in den arabischen Ländern,
selbst die Demokratiebewegung in Ägypten, von der israelischen
Gesellschaft, auch den Studenten, weitgehend ignoriert und als
Unruhen gesehen würden. Premierminister Netanjahu befinde sich im
Würgegriff seines Außenministers, die Arbeitspartei sei am Boden,
der Zionismus faktisch in einer Sackgasse. Solange die Existenz
eines Staates Palästina nicht akzeptiert werde, solange nicht die
wesentliche Flüchtlingsfrage wenigstens symbolisch verhandelt
werde, sei der Friedensprozess tot. Kritik an der Besatzungspolitik
und Diskriminierung sei legitim, ein Boykott sei keine Lösung.
Der Bundeskongress am 2./3. April begann mit einem Orgelspiel aus
dem 30jährigen Krieg. Prof. Dr. Heinrich Fink gedachte unserer
1.100 verstorbenen Mitglieder, darunter stellvertretend Fritz
Bringmann, Jupp Angenfort, Hermann Gautier, Alma Müller, Maria
Wachter, Kurt Hälker, Erwin Geschonnek. Begrüßung durch die
Berliner VVN und die VVN-BdA Berlin. Romani Rose vom Zentralrat der
Sinti und Roma erinnerte an die mehr als 137 Toten, die Faschisten
seit 1990 auf dem Gewissen haben. Zu ihren Zielgruppen gehören auch
Sinti und Roma. Ausweisung und Abschiebung von Roma heute bereiten
dafür den Boden. Zum gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus riefen
auch Kathrin Senger-Schäfer vom Parteivorstand der Linken und
Bettina Jürgensen vom Parteivorstand der DKP auf. Prof. Dr.
Heinrich Fink würdigte die Erfahrungen seit der Vereinigung der
antifaschistischen Verbände vor neun Jahren. Erfahrungen aus langen
Jahren seien in die Arbeit der Vorstandsgremien Bundesausschuss und
Bundessprecherkreis eingeflossen. Jedes 10. Mitglied ist in den
letzten drei Jahren beigetreten, sicherlich auch ein Ergebnis der
beiden NPD-Verbotskampagnen. Prof. Fink würdigte den Erfolg der
Neofaschismus-Ausstellung, die erfolgreichen Blockade-Aktionen in
Dresden mit 20.000 Teilnehmern, die Arbeit der Lagergemeinschaften
und der Geschäftsstelle. Das wurde in den folgenden Beiträgen mit
Streiflichtern auf die Landtagswahlen ergänzt und unterstrichen.
Prof. Dr. Kurt Pätzold wies auf die drohende Entsorgung des
Begriffs Antifaschismus hin. Geprägt von Mattheotti, Armendola,
Gramsci, Zetkin und Ossietzky hatte der Begriff Faschismus eine
weitergehende Bedeutung als seine deutsche Erscheinungsform
Nationalsozialismus. Dr. Ulrich Schneider wies auf die
Rechtsentwicklung in den ostmitteleuropäischen Ländern hin, Hans
Coppi auf die Gefahr der Ausladung und Fernhaltung der Erben des
Antifaschistischen Widerstands von der Gedenkstättenarbeit. Dr.
Axel Holz thematisierte staatliche Versuche, die Grauzone von
Wegweisern und Tippgebern wie Sarrazin, Westerwelle oder Koch aus
offiziellen Ausstellungen herauszuhalten, Cornelia Kerth die Wirkung
dieser Grauzone in der Öffentlichkeit, auf Meinungsumfragen und
Studien. Ulrich Sander griff die verstärkte Einflussnahme der
Bundeswehr auf Bildung und Arbeitwelt auf, Dr. Peter Strutynski
Sarkozys Friedensbombardements in Libyen.
142 Delegierte im Alter von 28 bis 85 Jahren beteiligten sich am
Sonntag an der Bearbeitung und Verabschiedung der Anträge. Der
Leitantrag „das Vermächtnis des Widerstandes weitertragen“
wurde bei drei Enthaltungen angenommen. Einstimmig verabschiedet
wurden die Anträge „Kein Werben fürs Sterben“ und „Schutz
für Grabstätten der Sinti und Roma“, „Rettet das Leben von
Mumia Abu Jamal“, mit großer Mehrheit die Anträge „die
Hinterbliebenen der Opfer fordern ihr Recht“, „Spurensuche
Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“, „Antifaschistische
Positionen statt Nazis in die Parlamente“. Anders als beim
ausgesprochen konstruktiven Kongresssamstag kam es zum Schluss zu
einer polemischen Debatte zum Thema Israelkritik und Antisemitismus.
Zwei Drittel der Delegierten sprachen sich dafür aus, dass für
unsere Mitgliedschaft das Verhältnis zu Israel „in erster Linie
davon bestimmt (ist), dass dort eine große Zahl von Überlebenden
des Holocaust und deren Nachkommen leben... Wer diese
grundsätzliche Konsequenz nach der Shoa infrage stellt, kann für
uns kein Bündnispartner sein.“ Ebenso wenig aber auch die, die
israelische Oppositionelle, die mit Sorge analysieren, welche
katastrophalen Folgen die permanente Kriegssituation für die
gesellschaftliche Entwicklung hat, zum Schweigen zu bringen.“
Mit großer Mehrheit wurden Prof. Dr. Heinrich Fink und Cornelia
Kerth als Bundesvorsitzende wiedergewählt, Regina Elsner und
Richard Heseler als Schatzmeister, Dr. Regina Girod, Ulrich Sander,
Dr. Axel Holz, Dr. Ulrich Schneider, Jürgen Gechter, Paul Bauer und
Heinz Siefritz in den Bundessprecherkreis. Der Bundesausschuss hat
nun die Aufgabe, die verbliebenen Anträge zur Antifa-Gestaltung,
Bildungsarbeit und Diskussionsforen zu befinden.
Raimund Gaebelein in „Der Bremer Antifaschist“
|