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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

10.04.2011

Vom Reichsicherheitshauptamt ins Bundeskriminalamt

Die Naziverbrecher sind Greise oder tot – aber ihre Seilschaften wirkten fort. So schreibt die Westfälische Rundschau am 9. April 2011: „’Bis tief in die 90er Jahre’, so der Polizeihistoriker Wolfgang Schulte aus Münster, hielten sich massive „Forschungstabus“, errichtet von einflussreichen Alt-Beamten. Ehemalige NS-Eliten waren reibungslos aus der SS in die bundesdeutschen Behörden gewechselt, wie gerade eine Studie des Bundeskriminalamtes gezeigt hat. Und jetzt? Noch immer hält etwa der Bundesnachrichtendienst Akten zum Fall Adolf Eichmann unter Verschluss. Wo steht die NS-Aufklärung im Jahr 2011?“ Zu dieser Frage hat VVN-BdA-Bundessprecher Ulrich Sander aus Dortmund eine Betrachtung angestellt.

Von Ulrich Sander

Sie geben sich erstaunt angesichts der Fülle der immer noch neu erscheinenden Neuerscheinungen über die Zeit von 1933 bis 1945 und danach. Und sie geben doch gern die Antwort: Die da Macht aus der Nazizeit in die Ämter, Gerichte, Ministerioen

und Direktorien hinüberretteten, sie sind heute nicht mehr da,– und so kann folgenlos über sie berichtet werden. Nun war also das Bundeskriminalamt dran. Es ließ seine Archive von Historikern durchsuchen, und diese fanden 33 der 47 Führungspositionen seit Gründung des Amtes von SS-Kadern aus höchsten Rängen besetzt. Ja, sie hätten bis in die 60er Jahre die höchste Polizeibehörde „geprägt“, wird eingeräumt. Da war einer, der von keinem Mittel zurückschreckte „die kommunistische Bewegung zu unterdrücken“. Da war der ehemalige Chef der SS für „Zigeunerdeportationen“ ins Gas, der nun als Staatsschutzchef „Internierungslager“ für aus Osteuropa stammende und in die BRD geratene Juden verlangte. Praktischerweise haben diese SS-Leute im BKA auch gleich die auf den Unterarmen ihrer Opfer eintätowierten Nummern als Fahndungsmerkmale in der neuen Republik genutzt. Erst 1982 wurde im BKA offiziell der „Niggemeier Leitfaden“ zum Erkennen der Roma und Sinti als „ausgeprägt arbeitsscheu“ aus dem Verkehr gezogen. Doch der Autor des BKA-Berichts Patrick Wagner sah den Rechtssaat durch derlei nie als gefährdet an. Andernfalls wäre dies Land ja auch ein Unrechtsstaat gewesen.

Bemerkenswert: Der Bericht behandelt nur das BKA, nicht die gesamte Polizei. Auch in ihr aber, in den Länderpolizeien, wimmelte es von Angehörigen des Reichssicherheitshauptamtes.

Im November 1995 veröffentlichte die VVN-BdA Recherchen des Kriminalhistorikers und ehemaligen Kriminalkommissars Alexander Primavesi aus dem Dortmunder Polizeipräsidium. Dieser hatte herausgefunden: „Allein sieben hohe Funktionäre aus dem Reichssicherheitshauptamt in Berlin wurden nach 1945 bei der Dortmunder Polizei angestellt, darunter der Chefermittler im Führerhauptquartier gegen die Männer des 20. Juli 1944, Dr. Bernhard Wehner.“ Der stellvertretende Leiter der Dortmunder Kriminalpolizei in den 50er Jahren, Dr. Rudolf Braschwitz, sei im Reichssicherheitshauptamt für das Referat „Bekämpfung des Kommunismus“ tätig gewesen. „Leiter der Kriminalpolizei wurde der einstige Dortmunder Polizeioberst Stöwe, dem versuchter Mord an 30.000 Menschen vorgeworfen worden ist.“

Schon 1960 erschien das Weissbuch der VNN „In Sachen Demokratie“, später erneut von der jetzigen VVN-BDA herausgegeben. Darin sind viele jetzt neu dokumentierten Fälle benannt. Es erschien als die ach so einflusslosen SS-Kader und ihre Schutzpatrons in der Regierung noch in Amt und Würden waren. Und sie rächten sich. Es kam zum Verbotsverfahren gegen die VVN.