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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

04.04.2011

Der Bundeskongress 2011Antifaschisten aus Nordrhein-Westfalen in der Leitung der VVN-BdA 

4. Bundeskongress der VVN-BdA tagte in Berlin

Die Landessprecherin Ulrike Düwel und Landessprecher Jochen Vogler aus Nordrhein-Westfalen sowie Gerd Deumlich (Essen) vom Freundeskreis Emslandlager gehören künftig dem Bundesausschuss der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten) an. Stellvertretende Bundesausschussmitglieder aus NRW sind Alice Czyborra (Essen) und Peter Trinogga (Köln). In den Bundessprecherkreis (Bundesvorstand) der VVN-BdA wurde wieder Ulrich Sander aus Dortmund gewählt. Er hatte eines der Impulsreferate (Gegen Militarisierung und Demokratieabbau) auf dem jetzt in Berlin zu Ende gegangenen 4. Bundeskongress der VVN-BdA gehalten. 

Diese Anträge aus NRW wurden beinahe einstimmig vom Kongress angenommen: Für die Rechte der Hinterbliebenen von NS-Opfern, gegen Bundeswehraktivitäten an Schulen und Argen, für die Solidarität mit Mumia Abu-Jamal, für die Ausweitung der Kampagne „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“ auf Bundesebene. 

Mehr unter http://www.vvn-bda.de/buko/2011/live-ticker/ und http://www.vvn-bda.de/buko/2011/

Unser Vermächtnis verteidigen 

Gespräch mit Heinrich Fink über die Aufgaben und Perspektiven antifaschistischer Politik 

Geschichte vergegenwärtigen: Die experimeND-Seiten widmen sich dieses Mal deutscher Gedenk- und Geschichtspolitik anlässlich des an diesem Wochenende stattfindenden 4. Bundeskongresses der VVN-BdA und der in Weimar und Buchenwald ab 11. April anstehenden Gedenkveranstaltungen zum 66. Jahrestag der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald. 

? An diesem Wochenende findet der Bundeskongress der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) in Berlin statt. Vor welchen Aufgaben steht die VVN? 

! Als größte antifaschistische Organisation in der Bundesrepublik stehen wir vor der Aufgabe, uns tagtäglich mit dem erstarkenden Neofaschismus auseinanderzusetzen und unsere Stimme gegen Rassismus und Krieg zu erheben. Ein Thema auf unserer Konferenz, die unter dem Motto »Das Vermächtnis des Widerstandes verteidigen!« steht, wird aber auch sein, die vorherrschende Geschichtspolitik kritisch zu beleuchten.

? Inwiefern? 

! Die etablierte Politik setzt seit geraumer Zeit auf eine Gleichsetzung von Neofaschisten mit ihren Gegnern und spricht bezüglich des deutschen Faschismus und der DDR von zwei ähnlich strukturierten Diktaturen. Dies ist nicht nur vollkommen ahistorisch, sondern auch ein Schlag ins Gesicht der antifaschistischen Widerstandskämpfer und Holocaustüberlebenden.

So wurden beispielsweise Mahn- und Gedenkstätten, die vormals an die Millionen Opfer des Naziregimes erinnerten, zu Orten des Gedenkens an »totalitäre« Systeme in Deutschland umgebaut. Oder Politiker verhindern, dass Straßen nach Antifaschisten und Kommunisten benannt werden – übrigens oft von genau denen, die nicht in der Lage sind und waren, ihre eigene Geschichte auch nur ansatzweise aufzuarbeiten.

Während wir als politische Linke die Fehler, die wir gemacht haben, seit dem Ende der DDR unentwegt diskutieren, vermisse ich bis heute eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den hochrangigen Nazifunktionären, besonders in den sogenannten Vertriebenenverbänden. Hingegen warnten im Rahmen der diesjährigen Mobilisierung gegen den neofaschistischen Großaufmarsch im Februar in Dresden, Lokalpolitiker und Teile der Medien immer wieder vor anreisenden »Extremisten« und setzten damit de facto faschistische Gewalttäter mit Nazigegnern aus linken Organisationen, Parteien und Gewerkschaftern gleich. Das ist das praktische Ergebnis der unsäglichen Gleichsetzung von Nazis und ihren Gegnern.

Wir aber wollen auf unserer Konferenz dem vorherrschenden Zeitgeist die Erfahrungen der antifaschistischen Widerstandskämpfer und Opfer des faschistischen Terrors entgegensetzen und versuchen, den antifaschistischen Widerstand vor weiteren Schmutzkampagnen der so genannten Extremismustheoretiker zu bewahren.

? Welche Rolle werden auf ihrem Kongress antifaschistische Massenmobilisierungen wie die nach Dresden spielen? 

! Natürlich werden wir über die Proteste in Dresden sprechen, da wir aus der breiten Mobilisierung und der Entschlossenheit der Nazigegner lernen, die den Aufmarsch der Nazis im Februar bereits zum zweiten Mal in Folge erfolgreich verhindert haben.

Es hat sich gezeigt, dass es möglich ist, im breiten Bündnis und mancher politischer Meinungsverschiedenheiten zum Trotz, den Neonazis eine empfindliche Niederlage zu bereiten. Man darf ja nicht vergessen, dass den Nazis nun nur noch eine Veranstaltung mit überregionalem Charakter geblieben ist: Der von ihnen ausgerufene »Nationale Antikriegstag« in Dortmund, den militante »Autonome Nationalisten« dort jedes Jahr am ersten Septemberwochenende zelebrieren. Alles andere sind regionale Kleinaufmärsche, die ich aber keineswegs herunterreden will.

Vor allem wir älteren Antifaschisten nehmen zufrieden wahr, dass junge Menschen unseren Kampf fortsetzen. Wir freuen uns sehr, dass sich mittlerweile vielerorts in der Bundesrepublik antifaschistische Bündnisse gegründet haben, die die Nazis mittels Massenblockaden stoppen wollen. Wir werden diese Proteste auch zukünftig unterstützen und so lange in Dresden auf die Straße gehen, bis der Naziaufmarsch dort Geschichte ist.

? Ihr Verband hat sich stets dem Schwur von Buchenwald verpflichtet. 

! Ja, wir haben immer gesagt, dass Faschismus und Krieg zwei Seiten derselben Medaille sind. Von daher werden wir uns immer auch dort zu Wort melden, wo Politiker und Medien Krieg als Mittel der Politik verkaufen wollen. Die Erfahrungen aus dem Faschismus sind schließlich eindeutig. Will dieses Land eine Zukunft haben, muss es friedlich sein und darf sich nicht an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen wie etwa in Afghanistan beteiligen.

Als antifaschistischer Verband werden wir uns die Frage von Krieg und Frieden auch nicht streitig machen lassen, sondern gemeinsam mit unseren Freunden und Partnern in der Friedensbewegung über Faschismus und Krieg aufklären. Es ist doch unerträglich, dass sich – wie beim bereits erwähnten »Nationalen Antikriegtstag« – ausgerechnet die als Friedensfreunde inszenieren, die sich in Tradition derjenigen sehen, die politische Verantwortung für Massenmord und brutale Kriegsverbrechen tragen. Mir persönlich, aber auch dem VVN-BdA, geht es schließlich darum, für eine Gesellschaftsform einzutreten, in der Antifaschismus, Frieden und soziale Gerechtigkeit die Fundamente bilden.

? Sie sprechen also für den Sozialismus als alternatives Gesellschaftsmodell? 

! Ich trete für den Sozialismus ein, ja. Die VVN ist jedoch eine strömungsübergreifende Organisation von Antifaschisten, in der sich auch Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen, Grüne und andere finden, die ihr Engagement gegen Nazis und für eine friedliche und gerechte Welt eint.

Vor diesem Hintergrund fürchte ich vor allem den mit der zunehmenden Militarisierung der bundesdeutschen Politik verbundenen Abbau von Grund- und Freiheitsrechten in Deutschland, der unter dem Vorwand der so genannten Terrorismusbekämpfung in letzten Jahren so vehement vorangetrieben wurde.

Mit großer Sorge nehme ich außerdem die Zunahme von antimuslimischem Rassismus wahr, der zum Beispiel von der selbsternannten Bürgerbewegung »pro Deutschland« geschürt wird, die im September zu den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin antreten will. Es ist stets das gleiche Muster: Den Opfern des zunehmenden Sozialabbaus und der Umverteilung von unten nach oben soll wieder einmal ein Sündenbock präsentiert werden.

? Wer laut über gesellschaftliche Alternativen nachdenkt, riskiert oftmals, Ziel von Hetzkampagnen seitens der etablierten Medien und Politik zu werden ... 

! Das haben wir im Fall der so genannten Kommunismusdebatte zu Beginn dieses Jahres erlebt. Es muss doch in diesem Land noch möglich sein, Debatten über positive Veränderungen der Gesellschaft zu führen, ohne gleich zum Abschuss freigegeben zu werden. Schließlich ist es doch ein ureigenes Interesse aller Menschen, sozial abgesichert zu sein, am kulturellen Leben teilnehmen zu können und in Frieden zu leben.

Ich finde jedenfalls, dass wir alle viel mutiger werden und offensiv und frei von Denkverboten eine Debatte führen sollten, wie wir zukünftig leben wollen, wozu uns Stéphane Hessel, der 93-jährige Buchenwald-Überlebende, in seinem Buch »Empört euch!« aufgefordert hat.

Dies setzt jedoch voraus, der Verharmlosung neofaschistischer Gewalt und der Stimmungsmache gegen die antifaschistische Bewegung durch die etablierte Politik entschlossen entgegenzutreten. Und ebenso den politischen Kräften, die versuchen, die Geschichtspolitik in diesem Land umzuschreiben – beispielsweise wenn es um die Profiteure von Faschismus und Krieg geht, die die faschistische Ideologie und Politik erst salonfähig gemacht haben. Im Gegensatz dazu müssen wir unsere systematische Aufklärungsarbeit weiter fortsetzen, und auf die wachsende Zahl junger Leute bauen, die uns dabei unterstützen.

Neues Deutschland vom 02.04.2011

Noch kein Sieg in Siegen 

Seit 65 Jahren verweigert man in Südwestfalen einem Kommunisten, Antifaschisten und im KZ Ermordeten die Ehrung 

Von Gabriele Oertel 

Seit 1947 kämpfen Menschen im südwestfälischen Siegen darum, dass ein Sohn ihrer Stadt, der Kommunist Walter Krämer, der als Arzt von Buchenwald in die Geschichte einging und von den Nazis 1941 ermordet wurde, öffentlich geehrt wird. Erfolglos bislang, weil die dort regierende CDU das blockiert. Doch die VVN in der 100 000-Einwohner-Stadt lässt insbesondere seit 1997 mit ihrer Initiative für einen Walter-Krämer-Platz nicht locker, pflegt sein Grab und trifft sich zu Geschichtsforen im unabhängigen, autonomen Kulturzentrum »VEB«, das mit Sichel und Sektglas Krämer alle Freude machen würde. Sie will noch 2011, sieben Jahrzehnte nach dem Tod des KZ-Häftlings, eine sichtbare Würdigung hinbekommen. Grüne, SPD, LINKE wären dafür – FDP und Unabhängige Wähler sind nicht mehr so abgeneigt wie früher. Aber offen ist, ob der CDU-Bürgermeister über den Schatten seiner Fraktion springt.

Der Vorgang füllt inzwischen eine ziemlich große Kiste. Joe Mertens zieht aus ihr eine um die andere Akte, in denen das Engagement von Generationen dokumentiert ist. Den ersten Anlauf von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und KPD aus dem Jahre 1947, einen Antrag der DKP von 1987, die Aktivitäten einer parteiübergreifenden Initiative von 1997, die neuesten Anläufe der VVN vom März 2011. Dazwischen Fotos von Lesungen und Diskussionen, Reisen nach Buchenwald, Besuchen der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora in Südwestfalen sowie eine Mappe mit 1470 Unterschriften. Viel geduldiges Papier – seit fast 65 Jahren benutzt, um in Siegen eine längst überfällige und vom CDU-dominierten Stadtrat immer wieder verweigerte öffentliche Ehrung eines Sohnes der Stadt zu erstreiten.

Die eher unauffällige Tafel am Geburtshaus von Walter Krämer außerhalb des Stadtzentrums, das von Mertens gepflegte Grab unweit der Gedenkstätte für Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion auf dem Siegener Friedhof reichen ihm nicht. Joe Mertens will, dass die Stadt sich deutlicher zu Krämer, dem Kommunisten, Widerstandskämpfer und Buchenwaldhäftling bekennt, den die Nazis 1941 umgebracht haben. »Ein toller Typ« sei das gewesen, sagt der 39-jährige VVN-Sprecher. Dafür steht für ihn, den Ex-Punk und heutigen Kinder- und Jugendsozialarbeiter, nicht nur, aber auch die Geschichte von der Saalschlacht im Preußischen Landtag, wo Krämer mit notdürftigem Kopfverband den Nazis versprach, zwanzig von ihnen für jeden verletzten Genossen zu verprügeln. Krämer, der gelernte Schlosser, hatte sich im KZ autodidaktisch medizinische Kenntnisse angeeignet und als Häftlingsrevierkapo Mithäftlinge behandelt und sogar operiert – und damit zahlreiche Menschen gerettet. Er war auf medizinischem Gebiet offenbar so gut, dass einige SS-Leute lieber den kommunistischen Gefangenen als die KZ-Ärzte konsultierten. Selbst Buchenwalds Lagerkommandant Koch hatte seine Syphilis von Krämer behandeln lassen. 

Joe Mertens hat sich – seit er in einer linken antiquarischen Buchhandlung das schmale Büchlein über Krämer eher zufällig erstand – viel mit dem Leben des Mannes aus seiner Region beschäftigt. Er weiß, dass dem als Arzt von Buchenwald in die Geschichte eingegangenen KZ-Häftling, Bruno Apitz mit seinem weltbekannten Roman »Nackt unter Wölfen« ein ewiges Denkmal gesetzt hat, weil er seinen Haupthelden, den Lagerältesten, Walter Krämer nannte. Und er weiß, warum Apitz das getan hat. Schließlich hatte Krämer im Lager nicht nur illegale Arbeit geleistet, geheilt und gepflegt. Er hatte sich geweigert, sowjetischen Kriegsgefangenen den tödlichen Stempel »Tbc-krank« aufzudrücken und hatte unter Verweis auf eine angebliche Seuchengefahr sogar die Schließung eines Sonderlagers für staatenlose Juden erwirkt. Grund genug für Yad Vashem, den Mann im Jahr 2000 als »Gerechter unter den Völkern« posthum zu ehren.

Aber immer noch kein Grund, in Siegen nachzuholen, was Jahrzehnte bewusst versäumt wurde. Noch bis in die Gegenwart hinein verweigern vornehmlich Konservative einer öffentlichen Ehrung ihre Zustimmung und verunglimpfen Walter Krämer wie gehabt als Kriminellen, weil er – einst freiwilliger Soldat bei der Kriegsmarine und später Teilnehmer am Kieler Matrosenaufstand – zu Ende des Ersten Weltkrieges in einem Offiziersdepot Lebensmittel gestohlen hatte. Während Mertens gerade zu Beginn der 90er geglaubt hatte, dass nach Ende des Kalten Krieges »eine unideologische Debatte« möglich sein würde und ein Neuanlauf in Sachen Krämer-Ehrung erfolgreich sein könnte, musste er erfahren, dass die Entwicklung eher gegenläufig verlief. Nicht nur eine vornehmlich medizinische Einrichtung, die zu DDR-Zeiten nach Krämer benannt war, hat sich nach 1990 des Namens entledigt. 

Joe Mertens ist dennoch mitnichten frustriert. Der VVN-Sprecher nimmt im autonomen Kulturzentrum VEB das schon seit Jahren bereitstehende Schild von der Wand – und lässt keinen Zweifel daran, dass er erst Ruhe geben wird, wenn Siegen eine Walter-Krämer-Straße oder besser noch einen Walter-Krämer-Platz haben wird. Dafür hat das Mitglied der Linkspartei, der freilich bei den eigenen vier Ratsmitgliedern nicht lange agitieren musste, erst dieser Tage wieder Verbindung zur SPD- und Grünen-Fraktion aufgenommen und auch erneut beim CDU-Bürgermeister Steffen Mues auf der Matte gestanden. Bis zum 6. November – also zum 70. Todestag Krämers – wollen LINKE, SPD, Grüne, VVN und die Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora in Siegen endlich Tatsachen schaffen. Ein wissenschaftliches Symposium soll stattfinden und irgendwo in der Stadt jenes Schild feierlich aufgehängt werden, das bislang im VEB »geparkt« ist.

Aber noch ist das Sektglas, das die Sichel kreuzt – Logo des Kulturvereins, dem Joe Mertens als Vorsitzender vorsteht – nicht zu füllen. Zugegeben, der Mann von der VVN hatte sich vom Bürgermeister erhofft, dass man jetzt zügig zu einer Lösung komme. Zum einen, weil der kürzlich vor laufenden Kameras gesagt hatte, die Verwaltung prüfe die Einsetzung einer historischen Kommission. Zum anderen, weil er den obersten Stadtvater eher für einen moderneren Konservativen hält, »mit dem sich reden lässt«. Und zum dritten, weil Mues für ihn erkennbar den »Krämer-Kram« endlich vom Tisch haben wolle. Doch aus der historischen Kommission wird offenbar doch nichts. Und ob Walter Krämer zum Jahresende eine Straße ebenso wie andere Siegener Antifaschisten – Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen, Bibelforscher – im Neubaugebiet Giersberg-Ost bekommt, wie Mertens die mögliche Kompromisslinie sieht, steht in den Sternen. 

Denn der Bürgermeister steht offenbar sehr unter dem Druck seiner Fraktion. Das musste auch ND erfahren. Die Anfrage nach einem Interview wurde zunächst freundlich entgegengenommen, später mit der Bitte um schriftliche Fragestellung in die Länge gezogen – und nach mehreren Telefonaten bis heute unbeantwortet gelassen. So können wir nur mutmaßen, ob die ND-Frage nach dem Antikommunismus in den eigenen Reihen Steffen Mues verschreckt hat oder die nach dem konkreten Termin der Ehrung Walter Krämers; ob der Bezug zur historischen Kommission oder der auf Yad Vashem ihm unangenehm war.

Eigentlich, meint Joe Mertens, hat Siegen Walter Krämer gar nicht verdient. Schließlich habe die Stadt sich immer schwer getan mit der NS-Vergangenheit. Hier flatterte bereits am 1. Februar 1933 die Hakenkreuzfahne überm Rathaus. Hier wurde Adolf Hitler erst 2007 offiziell die Ehrenbürgerwürde aberkannt, hier hatte man sehr lange keine Probleme mit Straßen, die den Namen ausgewiesener Antisemiten tragen. Womöglich Gründe für die neuen Nazis, alljährlich zum 16. Dezember einen »Opfermarsch« anzumelden – dem Jahrestag, der 1944 stattgefundenen britischen Bombardements. Dagegen hat sich 2008 ein Bündnis »Siegen für Demokratie« gegründet, das von CDU bis DKP reicht.

Dass derlei parteiübergreifendes Tun bei Walter Krämer nicht möglich sein soll, will nicht nur Joe Mertens nicht begreifen. Deshalb sorgt er im Bunde mit den anderen 23 VVN-Mitgliedern in der Stadt, mit Linkspartei, DKP, SPD und Grünen, dem christlich-jüdischen Kulturverein, Gewerkschaften, Falken, dem Asta der Uni dafür, »dass die Stadt sich mit Krämer beschäftigen muss«. Früher habe den niemand gekannt, heute stehe der sogar schon in einem Stadtführer. »Der Kommunist Walter Krämer ist ein Teil unserer Geschichte, auf den wir stolz sein können«, sagt Mertens mit fester Stimme. Und setzt grinsend dazu: »Wenn wir schaffen, den in einer westdeutschen Provinzstadt zu ehren, wird das Strahlkraft haben.«

Anlässlich des 66. Jahrestages der Selbstbefreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald wird das Internationale Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos am Sonntag, dem 17. April 2011, ab 13.30 Uhr auf dem ehemaligen Appellplatz des KZ Buchenwald und anschließend am Glockenturm ein Gedenken – auch an Walter Krämer – durchführen.

In der Erklärung »Erinnerung bewahren – Authentische Orte erhalten – Verantwortung übernehmen«, die von Vertretern aller Internationalen Häftlingskomitees der KZ unterzeichnet ist, heißt es: »Nach unserer Befreiung schworen wir, eine neue Welt des Friedens und der Freiheit aufzubauen. Wir haben uns engagiert, um eine Wiederkehr dieser unvergleichlichen Verbrechen zu verhindern. Zeitlebens haben wir Zeugnis abgelegt, zeitlebens waren wir bemüht, junge Menschen über unsere Erlebnisse und Erfahrungen und deren Ursachen zu informieren. Gerade deshalb schmerzt und empört es uns, heute feststellen zu müssen:

Die Welt hat zu wenig aus unserer Geschichte gelernt. Gerade deshalb müssen Erinnerung und Gedenken weiterhin gleichermaßen Aufgabe der Bürger und der Staaten sein […] Wir bitten die jungen Menschen, unseren Kampf gegen die Nazi-Ideologie und für eine gerechte, friedliche und tolerante Welt fortzuführen, einer Welt in der Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus keinen Platz finden dürfen.«

Neues Deutschland vom 02.04.2011

»Blockieren ist unser Recht« 

Vereinigung der Verfolgten des Nazisregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) will nach Bundeskongreß in Berlin stärkeres Gewicht auf antirassistische Arbeit legen. Gespräch mit Cornelia Kerth 

Interview: Markus Bernhardt 

Cornelia Kerth ist Bundesvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA)

? Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) hat am letzten Wochenende ihren Bundeskongreß in Berlin abgehalten. Welche Themen haben die Tagung dominiert? 

! Wir sind eine Organisation im Umbruch. Nur noch wenige Überlebende können als Zeitzeugen über Verfolgung und Widerstand gegen das Naziregime sprechen. Wir müssen nun als »Zeugen der Zeugen« ihr politisches Erbe weiter tragen und es in die gesellschaftliche Auseinandersetzung um Erinnerung und Erinnerungspolitik einbringen. Das betrifft die künftige Rolle und Gestaltung der Gedenkstätten, aber auch, welche Inhalte und Aussagen zum Beispiel in den Schulen vermittelt werden.

Unser zweiter Schwerpunkt ist quasi naturgemäß der Kampf gegen Neofaschismus, seine Tolerierung und politische Entwicklungen und Diskurse, an die er anknüpfen kann. Wir werden weiter dafür einstehen, daß Neonazis aus den Köpfen und Parlamenten und von den Straßen verschwinden!

? Sie haben auf dem Kongreß ein Impulsreferat zum Thema Rassismus und Islamfeindlichkeit gehalten und eine Kampagne der VVN-BdA gegen Islamophobie angekündigt. Gibt es diesbezüglich bereits konkrete Planungen? 

! Unsere Kräfte sind begrenzt, und so haben wir uns in den letzten Jahren stark auf unsere »no npd«-Kampagnen konzentriert. Das war auch richtig. Wir müssen nun aber dieser »ideologischen Brücke« zwischen faschistischer Ideologie und – wie die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung vom letzten Herbst belegt – der gesellschaftlichen Mitte mehr Kraft widmen. Und es geht immer auch um ganz praktische Solidarität mit den von rassistischer Ausgrenzung, Stigmatisierung, Abschiebung betroffenen Menschen. Wir wollen in erster Linie wieder aktiver in antirassistischen Bündnissen mitarbeiten.

? Sowohl Sie als auch Heinrich Fink wurden mit breiter Mehrheit der Delegiertenstimmen als Bundesvorsitzende der VVN-BdA wiedergewählt. Was werden Ihre persönlichen Arbeitsschwerpunkte in den kommenden Monaten sein? 

! Zunächst müssen wir dafür sorgen, daß die Umsetzung unserer Beschlüsse organisatorisch eingeleitet wird. Das gehört in einer nahezu ausschließlich ehrenamtlichen Organisation zu unseren wichtigsten Aufgaben. Mein persönlicher Schwerpunkt wird sicher unser Beitrag zur Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie sein.

? Vor welchen politischen Herausforderungen steht Ihr Verband in Zeiten zunehmender Militarisierung und dem Abbau von Grund- und Freiheitsrechten? 

! Diese Herausforderungen sind immens. Zum Glück gibt es eine gut vernetzte Friedensbewegung, zu der wir gehören und in die wir uns nach Kräften einbringen. Dem »Werben fürs Morden und Sterben«, wie es in einem unserer Beschlüsse formuliert ist, das bis in die Schulen hineinschwappt, müssen wir immer wieder die historische Wahrheit über die Verbrechen der Wehrmacht und die unsäglichen Kontinuitätslinien entgegenhalten. Diese ist aktuell zum Beispiel in der deutschen Klage gegen Entschädigungsverpflichtungen gegenüber den Opfern von Distomo und anderen in Den Haag sichtbar.

Wir sind froh, daß es sehr verdienstvolle Organisationen gibt, die sich besonders der Bewahrung der Grund- und Freiheitsrechte widmen. Mit einigen von ihnen sind wir traditionell verbunden. Gemeinsame Themen gibt es leider mehr als genug, ein besonderes Anliegen ist uns, mit der Kriminalisierung von Antifaschisten, die sich Nazis wirksam in den Weg stellen, Schluß zu machen. Solange ihre Aufmärsche nicht verboten sind, gilt: Blockieren ist unser Recht!

junge Welt vom 06.04.2011

Moshe Zuckermann: Das Thema bleibt - Zwischen Antisemitismus und Israelkritik

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Erwin Schulz

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Romani Rose: Vorsitzender des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma

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Der Bundesvorsitzende Heinrich Fink legt den Rechenschaftsbericht ab

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Referat von Prof. Kurt Pätzold zu den Schwerpunkten Faschismus und Antifaschismus, aktuelle Geschichtsdebatte und Gedenkpolitik.

Referat von Prof. Kurt Pätzold zu den Schwerpunkten Faschismus und Antifaschismus, aktuelle Geschichtsdebatte und Gedenkpolitik.

Heinrich Fink und Prof. Kurt Pätzold

Heinrich Fink und Prof. Kurt Pätzold

Uwe Adamczyk

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Ulli Sander: Militarisierung der Außenpolitik, Demokratieabbau und gesellschaftliche Entwicklung nach rechts

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Fotos: Jochen Vogler