23.03.2011
50 Jahre Ostermarsch Ruhr – Ausstellung in
Dortmund
Ausstieg aus der Kernkraft
und Abschaffung der Kernwaffen – das Gebot der Stunde
„Wir stehen im Bann der atomaren Katastrophe von
Fukushima und der Entwicklung in Nordafrika.“ In seiner Rede zu
„50 Jahre Ostermarsch an Rhein und Ruhr“, gehalten in Dortmund
aus Anlass der Ausstellung der Ostermarschbewegung in der
Berswordhalle, führte Bundessprecher Ulrich Sander (VVN-BdA) weiter
aus: „Wir konnten nicht ahnen, dass unsere diesjährige Losung des
Ostermarsches: ‚Atomkraftwerke sofort abschalten’ so grausame
Aktualität bekommen würde. … Wir sind empört, dass die
Warnungen von Hiroshima und Tschernobyl von Politikern, Militärs
und Managern so dreist missachtet wurden.“ Und der Blick sei auch
gerichtet nach Nordafrika. „Wir fordern Frieden für Libyen. Wir
fordern schnellen Waffenstillstand. Es ist empörend, dass
diejenigen sich jetzt als Helfer für die Menschen dort aufspielen,
die den Diktator mit Waffen versorgt haben. Wir warnen vor einem
Krieg, in den unser Land hineingezogen werden könnte. Solidarität
mit den Menschen dort verlangt, dass sie frei in Europa einreisen
können und nicht, dass wir ihr Land mit Krieg überziehen.“ Neben
Ulrich Sander sprach Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau
(SPD) zur Ausstellungseröffnung.
Rede von Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) bei der Eröffnung der Ausstellung „50 Jahre Ostermarsch“,
18.3.11, Berswordhalle Dortund
Sehr geehrter Herr Hoffmeister,
sehr geehrter Herr Sander,
(Ostermarschierer der 1. Stunde)
meine sehr geehrten Damen und Herren,
50 Jahre Ostermarsch bedeuten für die Geschichte der
Bundesrepublik ein historisches gesellschaftspolitisches Ereignis,
das leider viel zu wenig gewürdigt wird.
Denn 50 Jahre Ostermarsch sind ein eindruckvolles Zeugnis des
Engagements von Bürgerinnen und Bürgern für eine friedliche Welt,
für eine Welt ohne Gewalt, Leid und Zerstörung.
Millionen von Menschen haben sich in den Ostermärschen und an
anderen Stellen für eine Welt ohne Krieg eingesetzt, und somit auch
dafür, Schaden von den Menschen in Deutschland zu nehmen. Eine
Aufgabe, der jeder Bundesminister nach der Eidesformel verpflichtet
ist.
Die Ausstellung "50 Jahre Ostermarsch" ist ein
wertvolles Dokument dieses guten Teils deutscher Geschichte. Und
deshalb freut es mich sehr, Sie - meine sehr geehrten Damen und
Herren - heute in der Berswordthalle begrüßen zu können.
Hermann Hesse hat einmal gesagt: "Damit das Mögliche
entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden".
Ich glaube dieses Zitat passt sehr gut zu der Geschichte der
Ostermärsche. Denn auch ich bin Idealist, der daran glaubt, dass
globaler Frieden möglich ist.
Gleichzeitig erscheint mir dieser Zustand in Anbetracht der Welt,
der Konflikte und der Art und Weise, wie diese zumeist ausgetragen
werden, manchmal als unmöglich.
Doch bin ich nicht bereit, die Hoffnung und das Ideal einer
friedlichen Welt aufzugeben. Und nur, wenn es weiterhin Menschen
gibt, die sich für eine Welt ohne Krieg, Gewalt und Waffen
einsetzen, nur dann hat die Menschheit die Chance, diesem Ideal
zumindest so nahe wie möglich zu kommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Ostermärsche, die Friedensbewegung insgesamt und alle
Initiativen, die sich für Frieden und gegen Krieg eingesetzt haben,
waren aber auch aus noch einem weiteren Aspekt sehr wichtig für die
Entwicklung der Gesellschaft in unserem Land.
Als dauerhafte und zentrale Bürgerbewegung haben sie unser
heutiges Verständnis von Demokratie entscheidend mitgeprägt.
Es ist für die Menschen selbstverständlich geworden, sich für
ihre Anliegen in Initiativen zu engagieren. Auch außerhalb von
Parteien oder über Parteigrenzen hinweg.
Von der Anti-Atomkraft-Bewegung bis Stuttgart 21, die Menschen
verschaffen sich Gehör und jeder politisch Handelnde ist gezwungen,
sie ernst zu nehmen und ihnen zuzuhören.
Und das - meine sehr geehrten Damen und Herren - ist eine
Entwicklung, die ich sehr begrüße und der ich mit meiner Politik
Rechnung tragen will.
Von Arnold Zweig, dem deutschen Schriftsteller, stammt das Zitat:
"Die Verteidigung des Friedens ist identisch mit der
Verteidigung der Kultur." Ich würde noch ein wenig
weitergehen: Die Verteidigung des Friedens hat unsere Kultur
weiterentwickelt und sogar eine neue politische Kultur
mitbegründet.
Und es lohnt sich auf die Menschen zu hören. Aktuell zeigt die
unbeschreibliche Atomkatastrophe in Japan, dass die Menschen, die
sich gegen Atomenergie einsetzen, recht haben.
Die Gefahren, die von dieser letztendlich nicht zu beherrschenden
Technologie ausgehen, sind immens und die Folgen verheerend und in
Generationen nicht ausgestanden. Es gehört zum Wesen von
Bürgerbewegungen, das sich niemand wünscht, dass die Dinge
eintreten, vor denen man gewarnt hat.
Gerne werbe ich an dieser Stelle für die Menschenkette, von der
Reinoldi-Kirche bis zum Platz von Hiroshima, die im Anschluss an
diese Eröffnung stattfindet.
Sie ist von SPD und Bündnis 90/Die Grünen initiiert, und wendet
sich gegen die Nutzung von Atomenergie und für einen
schnellstmöglichen Ausstieg aus dieser Technologie. Ich hoffe, dass
dieses wichtige Signal von vielen Menschen begleitet wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Dortmund hat in den 5 Jahrzehnten Ostermarsch bundesweit immer
eine zentrale Rolle gespielt. Das werden die Ausstellungsstücke
eindrucksvoll belegen.
Diese Rolle kommt nicht von ungefähr, denn insgesamt war und ist
Dortmund neben den Ostermärschen eine Hochburg der
Friedensbewegung. Verantwortlich dafür sind viele weitere
Initiativen, von denen ich als gutes Beispiel die damalige
Hoesch-Initiative zur Produktion friedlicher Güter gerne anführe.
Auch weil Herr Hoffmeister als ehemaliger Hoeschianer maßgeblich
in der Initiative gewirkt hat.
Mein Dank für den jahrzehntelangen Einsatz und die Realisierung
dieser schönen Ausstellung geht an Herrn Hoffmeister und seine
Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Ich hoffe, dass diese Ausstellung
viele Menschen anlockt und motiviert sich weiterhin oder auch
erstmalig für den Frieden und gegen Krieg zu engagieren.
Denn der Marsch ist noch nicht zu Ende, und er muss
weitergegangen werden - das ist die Verantwortung, die wir für
unsere Welt tragen.
In gutem Glauben an die Vernunft der Menschen wünsche ich der
Friedensbewegung und den Ostermarschieren viel Erfolg und ein
herzliches Glück auf! - die Ausstellung ist hiermit offiziell
eröffnet.
Rede von Ulrich Sander, Ostermarschierer der ersten Stunde
1960, bei der Eröffnung der Ausstellung „50 Jahre Ostermarsch“,
18.3.11, Berswordhalle Dortund
Wir stehen im Bann der atomaren Katastrophe von Fukushima. Wir
konnten nicht ahnen, dass unsere diesjährige Losung des
Ostermarsches:
Atomkraftwerke sofort abschalten
so grausame Aktualität bekommen würde.
Unser Blick ist nach Japan gerichtet. Wir fühlen mit den
Menschen dort. Wir sind empört, dass die Warnungen von Hiroshima
und Tschernobyl von Politikern, Militärs und Managern so dreist
missachtet wurden.
Und unser Blick ist nach Nordafrika, Libyen gerichtet.
Wir fordern Frieden für dieses Land, wir fordern schnellen
Waffenstillstand. Es ist empörend, dass diejenigen sich jetzt als
Helfer für die Menschen dort aufspielen, die den Diktator mit
Waffen versorgt haben. Wir warnen vor einem neuen Krieg, in den
unser Land hineingezogen werden könnte. Solidarität mit den
Menschen dort verlangt, dass sie frei in Europa einreisen können
und nicht, dass wir ihr Land mit Krieg überziehen. Kein Krieg in
Nordafrika
Im Ostermarschaufruf Ruhr 2011 heißt es:
„Hiroshima hat die schreckliche Wirkung von Atomwaffen
gezeigt, Tschernobyl die tödlichen Gefahren der atomaren
Energieerzeugung.“ Und nun wieder Japan.
Wir haben uns in Erinnerung zu rufen: Es gibt keine friedliche
Nutzung der Kernenergie. Es war ein Traum, dies zu glauben. Ich sehe
noch Parteitagslosungen aus den fünfziger Jahren, sowohl von
Kommunisten wie auch Sozialdemokraten: Atomkraft ist Zukunft. Es
wurde übersehen: Die ersten Reaktoren dienten der Schaffung der
Atombombe. Dann wurden die Reaktoren sowohl zur Bombenherstellung
als auch zur Energiegewinnung genutzt. Massenvernichtung war immer
möglich. Deshalb wenden wir uns gegen die Atompolitik Irans –
aber auch all der anderen Mächte, die dem Iran unterstellen, was
diese längst gemacht haben: Bombenproduktion unter dem Deckmantel
der Kernforschung. Im Aufruf heißt es weiter: „Einen Tag nach
Ostern jährt sich der GAU von Tschernobyl zum 25. Mal. Anlass für
uns, gemeinsam mit der Anti-AKW-Bewegung zu fordern: Atomkraftwerke
abschalten – Atomwaffen verschrotten!“
Heute erinnern wir an 50 Jahre Ostermarsch an der Ruhr. Daran
erinnert diese Ausstellung.
Der Ostermarsch in Deutschland wurde bereits voriges Jahr 50. Und
ist noch immer notwendig
„Schon einmal hat man dem deutschen Volk den Vorwurf gemacht,
geschwiegen zu haben, wo mutige Worte und Taten notwendig waren. In
den Konzentrationslagern – wie Bergen-Belsen – kamen Millionen
Menschen ums Leben. Bei Fortsetzung der Versuchsexplosionen und der
atomaren Aufrüstung aber drohen der gesamten Menschheit
Vernichtung.“ So beginnt der Aufruf zum ersten deutschen
Ostermarsch der Atomwaffengegner, der vor 51 Jahren von Hamburg zum
Raketenübungsplatz Bergen-Belsen-Hohne führte. Ich gehörte zu den
Organisatoren, die dann auch halfen, die Ostermärsche im ganzen
Land vorzubereiten. Das geschah auch dadurch, dass wir die
Pressearbeit übernahmen und mittels eines alten Fernschreibers, den
Arno Klönne besorgte, die Medien mit Ostermarschmeldungen
versorgten. In dem Aufruf von 1960 hieß es weiter: „Jede
Herstellung, Erprobung und Lagerung von Atomwaffen – gleich an
welchem Ort und in welcher Hand – ist die größte Gefährdung der
Menschheit.“ Noch immer lagern Atomwaffen in unserem Land – sie
gehören abgeschafft.
Es war Karfreitag 15. April 1960, der Tag des Protestes gegen das
atomare Wettrüsten und gegen die Wiederholung faschistischer
Verbrechen. Gegen Krieg und Faschismus – das gehört zusammen.
Es nahmen damals rund 1000 Arbeiter, Angestellte, Künstler und
Geistliche, Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen und Pazifisten
teil, darunter viele Jugendliche. Mit dieser Aktion entstand auch in
der Bundesrepublik nach dem Vorbild der englischen Atomkriegsgegner
die Ostermarsch-Bewegung als neue wirksame Kampfform gegen die
Atomaufrüstung. Ihre Aussagen waren nicht nur gegen „die Bombe“,
sondern auch – wie gesagt – gegen die Wiederholung deutscher
Katastrophen und Kriege gerichtet. Zudem kamen bald neue Aussagen
hinzu, so dass sich die Ostermarschbewegung bald Kampagne für
Demokratie und Abrüstung nannte. Es ging gegen das atomare und
konventionelle Wettrüsten, gegen den Krieg der USA in Vietnam und
um die Demokratie, denn es drohten die Notstandsgesetze und damit
der Einsatz der Bundeswehr im Innern zur Beseitigung demokratischer
Errungenschaften, wie z. B. das Streikrecht. Ab 1982 gab es einen
neuen inhaltlichen Schwerpunkt: Die Ostermarschierer waren wieder
dabei, als es hieß:" Keine neuen Atomraketen in unserem
Land".
Die Ostermärsche wurden vom zweiten Marsch an – also seit dem
ersten Ruhr-Marsch - u. a. von folgenden Personen als Kuratorium
vorbereitet und unterstützt: Schriftsteller Stefan Andres;
Komponist Benjamin Britten; Naturfreunde-Bundesjugendleiter Herbert
Faller, Prof. Dr. Helmut Gollwitzer; Nobelpreisträger Earl Bertrand
Russell; Intendant Heinz Hilpert; Schriftsteller Dr. Robert Jungk;
Politologe Dr. Arno Klönne; und aus Dortmund Oberkirchenrat Dr.
Heinz Kloppenburg; Studentenpfarrer Martin Schröter und
Bundesvorsitzender der SJD "Die Falken" Horst Zeidler,
später lange Jahre SPD-Fraktionsvorsitzender im Rat.
Während sich die SPD - sie hatte sich vom „Kampf dem Atomtod“
inzwischen auf NATO- und Rüstungskurs begeben - von den
Ostermärschen fernhielt und die ihr nahestehenden
Jugendorganisationen (Jusos und Falken) aus der Ostermarschbewegung
abzog –– kamen immer mehr Gewerkschafter und Kirchenvertreter
hinzu, darunter Kirchenpräsident Martin Niemöller
(Ehrenpräsidiumsmitglied der VVN), auch Erich Kästner
unterstützte den Ostermarsch. Sodann Organisationen wie
Naturfreundejugend, die IG Metall, Internationale der
Kriegsdienstgegner (IDK), Vereinigung der Kriegsdienstgegner (VK)
und Deutsche Friedens-Union wie auch VVN-BdA.
Mit wechselnden Beteiligungen und auch bei zeitweiligen
Unterbrechungen hat die Ostermarschbewegung sich nunmehr über 50
Jahre lang gehalten. Wenn heute oft an die einst größeren
Beteiligungszahlen erinnert wird – zumeist waren allerdings die
Märsche nicht viel stärker als heute – so sei an das Geheimnis
des Erfolges erinnert, das Prof. Andreas Buro, einer der
Mitgestalter des ersten Marsches, kürzlich im Gespräch erwähnte:
Es gab in allen Städten Friedensgruppen, die bestens organisiert
waren und schnell reagieren konnten.
Organisator solcher Friedensgruppen ist auch Willi Hoffmeister,
dem ich zur heutigen Ausstellung gratulieren möchte. Leute wie
Willi haben erreicht: Die Ostermärsche sind die größte
Friedensaktion in der Fläche jährlich an einem Wochenende.
Ostermarschierer/innen der 60er Jahre, solche wie Willi, sagten kürzlich
in einem Aufruf „50 Jahre Ostermarsch“:
„Nach Ende des Kalten Krieges hofften viele auf eine
friedlichere Welt, ein Ende der Atomkriegsgefahr. Doch heute,
zwanzig Jahre später müssen wir sehen: Diese Hoffnung hat
getrogen. Seit 1999 beteiligt sich unser Land wieder an
militärischen Einsätzen in anderen Ländern. Deutsche Soldaten
befinden sich heute in Afghanistan im Kriegseinsatz. Auf deutschem
Boden, immer noch US-Atomwaffen. Weltweit existieren bis zu 25.000
Atomwaffen, davon 2.500 in ständiger Alarmbereitschaft. Die Zahl
der Staaten mit Atomwaffen steigt. Dem muss Einhalt geboten werden!
Deshalb rufen wir Ostermarschiererinnen und Ostermarschierer der
ersten Stunde auf zu den diesjährigen Ostermärschen.
Atomwaffen abschaffen, Atomkraftwerke abschalten – sofort!
Bundeswehr raus aus Afghanistan. Schluß mit den
Bundeswehreinsätzen in aller Welt.
Frieden für die Völker Nordafrikas, für Libyen
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