02.03.2011
Ulla Jelpke sieht im Sieg von Dresden ein Signal
für den Antifaschismus und Antimilitarismus auch in NRW – Rede
vor der VVN-BdA in NRW
Die „zahlreichen Aktivitäten gegen die
Militarisierung der Öffentlichkeit und besonders der Schule zu
unterstützen“, ist, so Ulla Jelpke (MdB), die besondere Aufgabe
der antifaschistischen und antimilitaristischen Aktivisten. Die
Neofaschismusexpertin und Partei-DieLinke-Politikerin schätzte in
ihrem Referat vor der Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA in
Düsseldorf am 26.2.11 sehr hoch die gelungene Blockade von Dresden
ein. „In NRW müssen wir außerdem unbedingt den Nazi-Aufmarsch
Anfang September in Dortmund im Auge behalten. Nach dem großen
Erfolg in Dresden dürfen wir nicht nachlassen, sondern den Nazis,
sollten sie es in Dortmund noch einmal probieren, endgültig
klarmachen: Es gibt für sie keinen Platz, nirgends!“ Die Rednerin
riet den Antifaschist/innen, „die Zusammenhänge zwischen
Verarmungspolitik à la Hartz-IV, rassistischer Hetze à la
Sarrazin, der Verbindung staatlicher ‚Extremismuspolitik’ mit
neofaschistischen Aufmärschen und die Militarisierung der
Innenpolitik“ herzustellen. „Hier liegen Handlungsfelder, die
wir bearbeiten müssen, und die Erfolge, die dabei schon erreicht
worden sind, sollten uns Mut für unsere weitere Arbeit machen.“
Die Rede im Wortlaut.
Referat von Ulla Jelpke, MdB DIE LINKE, auf der
Landesdelegiertenkonferenz der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes-Bund der AntifaschistInnen am 26. Februar 2011 in
Düsseldorf (Manuskript - es gilt das gesprochene Wort).
Dresden
Einen großen Erfolg konnte die antifaschistische Bewegung vor
einer Woche in Dresden verbuchen. Das zweite Jahr in Folge gelang
es, den alljährlichen Großaufmarsch von Tausenden Faschisten durch
die breiteste Mobilisierung von Nazigegnerinnen und Nazigegnern zu
verhindern. Mit rund 20.000 aus dem ganzen Bundesgebiet
zusammengekommenen Nazigegnern aus verschiedensten politischen
Spektren wurde die Teilnahme vom letzten Jahr noch einmal kräftig
übertroffen. Dagegen zeigt die im Vergleich zu den Vorjahren auf
rund 3000 mehr als halbierte Teilnahme von Nazis die schwindende
Attraktivität des Dresdener-Aufmarsches. Das ist ein Erfolg der
Blockaden! Nach Wunsiedel und Halbe ist Dresden damit der dritte
zentrale Aufmarsch- und Mobilisierungsort, an dem Nazis in den
letzten Jahren eine schwere Niederlage beigebracht wurde.
Stellungnahmen von Naziorganisationen und Beiträge auf
rechtsextremen Internetseiten zeigen deutlich Resignation und Frust,
aber auch Wut. Die NPD beklagt weinerlich die "Beschneidung des
Versammlungsrechts volkstreuer Deutscher" durch einen "vom
Establishment herbeigerufenen roten Mob". Dagegen wird auf auf
dem Nazi-Portal Altermedia die Versammlungsleitung beschuldigt, sich
zuerst in eine Falle locken zu lassen und dann "nicht den
Schneid zum Handeln" zu besitzen. "Irgendwelche
Grundrechte einzufordern ist lächerlich! Wir müssen unseren Sieg
erkämpfen. Dabei ist nicht die Polizei unser Gegner, sondern das
Parteienkartell. Selbst die Antifa ist unwichtig. Mit der wird
abgerechnet, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Dafür aber umso
unerbittlicher."
In der Naziszene läuft jetzt schon die Diskussion über neue
Aktionsformen. "Statt mit durchsichtigen und leicht
einzuschätzenden Großaufmärschen zu scheitern sollten wir zu
einer Guerilla-ähnlichen Taktik übergehen", heißt es auf
Altermedia. Für uns heißt das: Wir dürfen uns auf unseren
Erfolgen nicht ausruhen, sondern müssen wachsam bleiben, was die
Naziszene jetzt plant.
Gelungen ist die Blockade des Dresdner Naziaufmarsches zwei Jahre
in Folge, weil es eine breite Mobilisierung von der Autonomen Antifa
über die Linkspartei bis rein in Teile des bürgerlichen Lagers
gab. Von Anfang an wurde auf das Mittel der friedlichen, aber
massenhaften Blockade orientiert. Diese Entschlossenheit, den
Naziaufmarsch zu be- und verhindern, ist ebenfalls entscheidend für
unseren Erfolg.
Leider musste dieser Erfolg gegen die Polizeiführung
durchgesetzt werden. Die sächsische Landesregierung, verstärkt
durch die Bundespolizei, haben alles versucht, den Nazis ihre
Aufmarschzone zu sichern und keine Antifas hineinzulassen. Es war
einerseits bitter zu sehen, wie die Polizei immer wieder ohne
Vorwarnung und ohne geringsten Anlass mit Pfefferspray und
Wasserwerfer in die Menge hineinschoss. Die Polizei hat für
Eskalation gesorgt und hinterher über 82 verletzte Polizisten
geklagt. ‚Dass über 200 Demonstranten verletzt wurden, viele
davon mit Knochenbrüchen, ausgeschlagenen Zähnen ,
Augenverletzungen und Hundebissen, das interessierte die Medien
schon weniger. Andererseits war es erfreulich und zeugt von unserer
Stärke, dass diese Schikane die Antifaschisten nicht abgeschreckt
hat. Für mich zeigt das: Im Kampf gegen die Nazis dürfen wir uns
keinesfalls auf den bürgerlichen Staat verlassen!
Dresdner Erfahrung nutzen
Wenn im September wieder die Autonomen Nationalisten in Dortmund
zu ihrem alljährlichen "nationalen Antikriegstag"
aufmarschieren, gilt es auch an die Dresdner Erfahrungen
anzuknüpfen. Es ist sogar zu befürchten, dass der "nationale
Antikriegstag", der bislang vor allem ein Kampftag der
"autonomen Nationalisten" war, nach der erneuten
Niederlage von Dresden in der ganzen Nazi-Szene an Bedeutung
gewinnt.
Die Dresdner Erfahrung sollten wir ebenso nutzen, wenn am 7.Mai
die rassistische Vereinigung Pro NRW in Köln mit europaweiter
Unterstützung ihren sogenannten Marsch der Freiheit durchführen
will. 28 führende extrem rechte Politiker und Ideologen aus Europa
- darunter der FPÖ-Vorsitzende HC Strache und der
Vlaams-Belang-Fraktionsvorsitzende Filip Dewinter - rufen zu diesem
Ereignis auf, das in der Tradition der unsäglichen
Anti-Islamkongresse dieser Leute steht. Und so, wie in den letzten
Jahren diese Anti-Islamkongresse durch ein breites Bündnis
verhindert wurden, so gilt es auch diesen Marsch gegen angebliche
Islamisierung und Überfremdung zu stoppen. Ich bin froh, dass sich
bereits ein Bündnis gegen diesen rassistischen Aufmarsch mit dem
schönen Namen "Arsch für die Freiheit" gebildet hat.
Gezeigt hat Dresden aber auch, dass wir uns beim Kampf gegen
Nazis eben nicht auf den Staat, auf Justiz und Polizei verlassen
können. Das hatte ich ja vorhin bereits ausgeführt. Die Polizei
schützte nicht nur die Nazis, sondern sie hielt sich zurück, als
Neonazis minutenlang in aller Ruhe mit Steinen und Stangen ein
alternatives Kulturzentrum angriffen. Ein Video auf youtube
dokumentiert das gut. Schließlich stürmten 120 zum Teil vermummte
LKA-Beamte ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl das Haus der
Begegnungen, in dem sich das Pressezentrum von "Dresden
Nazifrei" befand. Im Gebäude wurden auch ein Büro der
Linkspartei und eine Anwaltskanzlei durchsucht. Alle Türen wurden
zerstört, Computer beschlagnahmt und die Anwesenden teilweise unter
Schlägen gezwungen, sich zu entkleiden. Auch Mitarbeiter der
Linkspartei wurden über Nacht inhaftiert. Hintergrund seien
Ermittlungen gegen Unbekannt wegen Verdachts auf Bildung einer
kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129 StGB und
Landfriedensbruchs gewesen, rechtfertige die Dresdener
Staatsanwaltschaft diese klar rechtswidrige Aktion.
Entwicklungen rechts außen
Lasst uns jetzt aber einen Blick auf aktuelle Entwicklungen ganz
rechts außen werfen.
Weiterhin ist die NPD unangefochtene Hauptkraft im rechtsextremen
Lager. Umfragen zu Folge könnte der Partei am 20.März sogar der
Einzug in den Landtag von Sachsen-Anhalt gelingen. Das wäre die
dritte Fraktion nach Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen.
Als großer Schritt nach vorne wurde von der Partei Ende letzten
Jahres ihre vereinbarte Vereinigung mit der zweitgrößten
rechtsextremen Partei in Deutschland, der Deutschen Volksunion DVU
gefeiert. Laut "Bekanntmachung von Rechenschaftsberichten
politischer Parteien" hatte die NPD Ende 2008 nach eigenen
Angaben 6782 Mitglieder und die DVU 6180. Dennoch müssen wir jetzt
nicht die Entstehung einer faschistischen Partei mit über 12.000
Mitgliedern befürchten. Gerade bei den DVU-Mitgliedern handelt es
sich weitestgehend um Karteileichen, von denen viele wohl nicht zur
neuen gemeinsamen Partei NPD-Die Volksunion wechseln werden. Zudem
hat eine gerichtliche Klage einiger DVU-Funktionäre das
Vereinigungsprojekt Ende Januar vorläufig gestoppt. Dem
DVU-Bundesvorsitzenden Matthias Faust wurde damit untersagt, den
Verschmelzungsantrag mit der NPD zu unterschreiben. Das Landgericht
München bestätigt in seiner einstweiligen Verfügung
"erhebliche, mit den Anforderungen an demokratische
Abstimmungen unvereinbare Mängel" bei der Urabstimmung über
die Vereinigung innerhalb der DVU. Doch wenn die Vereinigung
demnächst dann stattfinden sollte, wäre das für die NPD vor allem
ein Prestigegewinn, der auch einige neue Mitglieder auf dem Papier
bringt. Zudem wäre eine Konkurrenz im rechten Lager ausgeschaltet.
Der Vorsitzende des DVU-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Max
Branghofer, und sein Sohn Gerald sind übrigens aus Protest gegen
die Vereinigung mit der NPD seit dem 1.Februar Mitglieder in der
rechtspopulistischen Islamhasser-Truppe Pro NRW geworden. In dieser
sich aus der Kölner Stadtratsfraktion Pro Köln entwickelten
rassistischen Partei mit bürgerlicher Fassade sehe ich hier in NRW
zur Zeit eine größere Gefahr als in der NPD. Zwar waren die
Wahlergebnisse bei der Kommunal- und Landtagswahl noch lange kein
Durchbruch. Doch die Pro-Bewegung, die mittlerweile Ableger in
vielen Teilen Deutschlands hat, könnte tatsächlich die Stimmung
vieler Bürger bedienen. Köln und NRW sind sozusagen das Testfeld
für diese Bewegung, die unter dem Deckmantel von Bürgerinitiativen
gegen Moscheebau ein knallhart rassistisches Programm vertritt und
insbesondere über seine Jugendorganisation auch Verbindungen ins
offen rechtsextreme Milieu verfügt.
Sarrazin und die Folgen
Dass bis in die sogenannte Mitte der Gesellschaft hinein ein
breites Potential für eine rechtspopulistisch-rassistische
Sammlungsbewegung existiert, hat im vergangenen Jahr nicht zuletzt
die Debatte um Thilo Sarrazins rassistische Thesen gezeigt. 1,2
Millionen Mal verkaufte sich bisher die pseudowissenschaftlich
verbrämte Hetzschrift "Deutschland schafft sich ab" des
Exbundesbankers und Hobbygenetikers Sarrazin. Die Sarrazin-Debatte
war kein Ausrutscher. Die Zustimmung zu ausländerfeindlichen
Einstellungen ist bundesweit seit Beginn der Wirtschafts- und
Finanzkrise dramatisch gestiegen. Das zeigt eine aktuelle Studie
"Die Mitte der Krise", die Leipziger Wissenschaftler im
Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung im Oktober letzten
Jahres veröffentlichten. Mehr als jeder dritte Deutsche hält
demnach Deutschland für "in einem gefährlichen Maß
überfremdet" und ist der Überzeugung, Migranten kämen nur
nach Deutschland, "um unseren Sozialstaat auszunutzen".
Die Anfeindungen richten sich vor allem gegen Muslime. Deren freie
Religionsausübung wollen bundesweit 58,4 Prozent "erheblich
eingeschränkt" sehen, in Ostdeutschland gar über 75 Prozent.
Hier ist also ein Potential rassistischer und antidemokratischer
Einstellungen zu verorten, dass bislang noch von den großen
Volksparteien, aber auch der Linken gebunden wird. Es ist aber
keineswegs auszuschließen, dass zukünftig eine rechte
populistische Kraft dieses rassistische Potential abschöpft.
Allerdings müssen wir deutlich machen, dass die rassistische
Stimmung in der Mitte der Gesellschaft von den so genannten Eliten
aus Wirtschaft und Politik zielgerichtet angefacht wird. Der Hype um
Sarrazins Buch wäre ohne die Medienkampagne großer Blätter wie
Focus und Bild nicht möglich gewesen. Politiker wie der bayerische
Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer schlugen in
die selbe Kerbe und forderten einen Zuzugsstopp für Türken. Auch
SPD-Chef Sigmar Gabriel, der gegen Sarrazin ein
Parteiausschlussverfahren eingeleitet hatte , übernahm dann dessen
Forderung nach härteren Sanktionen für angebliche
"Integrationsverweigerer", und die Bundesregierung
startete eine entsprechende Gesetzesinitiative. Belastbare Zahlen
über angebliche Integrationsverweigerer gibt es nicht. Auch
Sarrazin hat nach eigenen Angaben zu einigen seiner Behauptungen
keine genauen Daten vorliegen und daher Zahlen "schöpfen"
müssen.
Was also steckt hinter der Kampagne gegen Muslime und angebliche
Integrationsverweigerer? Ich denke, es handelt sich um das
altbekannte Schema, in der Krise einen Sündenbock zu finden. So
soll von den Mitverursachern und Profiteuren der Wirtschafts- und
Finanzkrise abgelenkt werden. Hatte sich Sarrazin als Berliner
Finanzsenator mit seinen abfälligen Bemerkungen über
Hartz-IV-Empfänger insgesamt noch den Unmut weiter Kreise
zugezogen, so schoss er sich dann lieber auf den Teil der Armen im
Land mit muslimischen Hintergrund ein - und bekam Applaus von vielen
Menschen, denen es materiell auch nicht besser geht. Spalte und
Herrsche - das ist die bekannte Methode dahinter.
Antifaschismus und Antikapitalismus
Eine Emnid-Umfrage im Auftrag der Bild am Sonntag zeigte im
September, dass gerade unter Anhängern der Linkspartei die
Zustimmung zu Thilo Sarrazins Thesen am stärksten ist. 29 Prozent
der Linkspartei-Anhänger würden demnach auch eine Sarrazin-Partei
wählen. Zum Vergleich: von den Unionswählern sind es nur 17
Prozent. Wir haben es hier mit Opfern der neoliberalen Politik zu
tun. Mit Menschen, die von großer Perspektiv-Angst gebeutelt
werden. Noch gelingt es der Linken, diese Gruppe einzubinden. Aber
wie lange? Nur eine konsequente kapitalismuskritische oder besser
antikapitalistische Politik wird hier einen Weg aufzeigen. Also
Klassenkampf statt rassistischer Sündenbocksuche.
Ich weiß, dass das nicht die primäre Aufgabe der VVN als einer
antifaschistischen Organisation ist. Aber die VVN ist schließlich
dem Schwur von Buchenwald verpflichtet. Und da heißt es: "Die
Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der
Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser
Ziel." Und die Wurzeln des Faschismus, das ist eben die
kapitalistische Gesellschaft mit ihrem verallgemeinerten
Wolfsgesetz, in der der große den kleinen frisst und jeder gegen
jeden kämpft. Dagegen müssen wir die Vision einer solidarischen
Gesellschaft setzen und vorleben. Auch das ist Teil
antifaschistischer Politik.
Extremismus-Ansatz
Für den Verfassungsschutz ist es freilich schon ein Beweis für
den angeblichen Extremismus der VVN, wenn in der Argumentation eine
Verbindung von Kapitalismus und Faschismus hergestellt wird. Unter
der schwarz-gelben Bundesregierung ist Anti-Antifaschismus direkt
zum Regierungsprogramm geworden. Im Namen des schon im
Koalitionsvertrag enthaltenen Extremismus-Konstruktes werden
Rechtsextremismus und linker Antifaschismus gleichgesetzt. Damit
verbunden sind Angriffe auf zivilgesellschaftliche Projekte gegen
Rechtsextremismus und Rassismus, die seit 2001 aus Bundesmitteln
gefördert werden. Diese Projekte, darunter Beratungsstellen für
Opfer rassistischer Gewalt, sind in den Augen der Bundesregierung
selber extremismusverdächtig und sollen daher durch eine
Knebelverordnung auf Linie gebracht werden: Alle Projekte, die
zukünftig noch Gelder aus den Bundestöpfen erhalten wollen, sind
nicht nur gezwungen, sich in einer schriftlichen Erklärung zum
Grundgesetz zu bekennen, sondern sie müssen sich darüber hinaus
verpflichten, nur noch zu solchen Organisationen und Personen
Kontakte zu halten, die gleichfalls den Zielen des Grundgesetzes
verpflichtet sind. Hierfür sollen die geförderten Projekte selber
Verfassungsschutzberichte auswerten. Im Zweifelsfall - etwa im Fall
von Kontakten zur Linkspartei oder zur VVN-BdA - soll beim
Verfassungsschutz nachgefragt werden, ob der jeweilige
Kooperationspartner zum demokratischen oder
"extremistischen" Flügel dieser Organisationen gehört,
riet die Bundesregierung auf Anfrage der Linkspartei.
Zur Verbreitung des Extremismusansatzes trägt ja gerade auch der
Verfassungsschutz bei. In Herne konnte wir das gerade wieder in
einer Wanderausstellung des VS sehen, die Autonome Antifa und
Linkspartei schon rein optisch in die Nähe der NPD rückte. Und die
Andi-Comics des VS in NRW, die jetzt auch in einer bundesweiten
Ausgabe geplant sind, sollen schon Jugendlichen und Schülern
deutlich machen, dass sich radikale Linke und rassistische Neonazis
im Grunde genommen gleichen.
Wie weit die Extremismushysterie schon geht, konnten wir grade im
thüringischen Suhl sehen. Dort ließ die CDU von der
Staatsanwaltschaft zwei Tafeln einer VVN-Ausstellung beschlagnahmen
- allerdings ohne juristischen Erfolg. Auf den beschlagnahmten
Tafeln werden "inhaltliche Parallelen" zwischen Positionen
der extremen Rechten und rechtspopulistischen Äußerungen von
Politikern von CDU und FDP aufgezeigt. Zudem wird auf personelle
Kontinuitäten zwischen dem Nazifaschismus und der frühen BRD und
mangelnde Verfolgung der NS-Verbrechen hingewiesen. Für die CDU ist
offenbar nicht nur die immer noch von einigen
Verfassungsschutzämtern beobachtete VVN extremistisch. Vielmehr
hält die CDU es offenbar für kriminell, wenn abweichend von ihrem
Extremismusansatz rassistisches und antidemokratisches Gedankengut
in der Mitte der Gesellschaft benannt wird. Denn genau davon soll
der Extremismusansatz ja ablenken.
Es wird eine dauerhafte Aufgabe der antifaschistischen Bewegung
sein müssen, argumentativ gegen den Extremismusansatz anzugehen. In
breiten gesellschaftlichen Bündnissen müssen wir Druck machen,
dass die Knebelverordnung des Bundesfamilienministeriums
zurückgezogen wird. So schlecht stehen unsere Chancen dabei nicht.
Neben der Linken lehnen auch SPD und Grüne diese
Extremismus-Klausel ab und eine Vielzahl von Verbänden
einschließlich des Zentralrates der Juden und des Zentralrates der
Muslime hat dagegen protestiert.
Antimilitarismus
Nun komme ich zu meinem zweiten Thema: Antimilitarismus. Wegen
begrenzter Zeit liegt der Fokus nicht auf dem Engagement gegen die
Kriegspolitik der Bundesregierung nach außen, sondern auf
Entwicklungen im Inland. Dies vor allem deswegen, weil hier m. E. zu
wenig Aufmerksamkeit herrscht.
Der Inlandseinsatz der Bundeswehr, nach dem der frühere
Innenminister Schäuble lautstark gerufen hatte, steht nicht auf der
Agenda der jetzigen Regierung - aber das ist kein Grund zur
Entwarnung. Denn die Bundeswehr befindet sich auf dem Vormarsch, um
in der Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle einzunehmen.
Und zwar auf zweierlei Art: zum einen im Bereich der Innenpolitik
- die Stichworte heißen Amtshilfe und Zivil-Militärische
Zusammenarbeit -
und zum anderen im Bereich der Meinungsbildung, Stichwort:
Präsenz der Bundeswehr im Bildungswesen.
Bundeswehr im Inneren:
Die Bundeswehr wird seit Jahren knapp unterhalb der Grenze zum
offenen Verfassungsbruch im Innern eingesetzt. Sie schießt noch
nicht, aber sie besetzt schon einmal die Positionen. Deutlich wird
das vor allem bei der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit, auf deren
Bedeutung ja auch der Kollege Uli Sander zu Recht immer wieder
hinweist. Ich will kurz erläutern, was ZMZ heißt:
Unter der Maßgabe, den Katastrophenschutz zu verbessern, hat die
Bundeswehr in sämtlichen Regierungspräsidien, Landkreisen und
kreisfreien Städten Deutschlands kleine Reservistenkommandos
etabliert. Das sind Freiwillige, die das praktisch nebenbei machen,
ehrenamtlich, wenn man so will. Ihr Anführer, in der
Militärsprache der "Beauftragte der Bundeswehr für
Zivil-Militärische Zusammenarbeit", sitzt im
Katastrophenschutzstab der Kommunalverwaltung und ist gehalten, auch
über Sitzungen und Übungen hinaus den engen Kontakt zu den zivilen
Behörden zu halten. Tritt der Katastrophenfall ein, werden die
Reservisten - es sind immer insgesamt 12 - aktiviert.
Sinn der Sache soll sein, den Bedarf der zivilen Rettungskräfte
nach Amtshilfe durch die Bundeswehr schneller zu bewältigen, also
rascher abchecken zu können, wie viele Bergepanzer, Zelte, Decken
usw. die Bundeswehr bereitstellen kann. Das hört sich unverdächtig
an. Aber es drängen sich kritische Fragen auf:
- welchen Bedarf gibt es für diese neue Struktur überhaupt?
War der Katastrophenschutz früher so ineffizient, dass es diese
ZMZ wirklich braucht?
- und wer definiert den Begriff Katastrophe? Wir wissen ja, dass
die Bundesregierung ausdrücklich auch die Abwehr von
Terroranschlägen für eine Aufgabe des KatSchutzes hält.
DIE LINKE hat im Bundestag eine Menge Fragen dazu gestellt, und
die Antworten waren alles andere als beruhigend. Zunächst heißt
es, beim bisherigen KatSchutz seien keine gravierenden Mängel
bekannt gewesen. Außerdem seien die alte und die neue Struktur des
KatSchutzes nicht vergleichbar - die Frage, warum dann jetzt alles
umgekrempelt werden muss, bleibt damit völlig offen.
Dann haben wir gefragt, wie es eigentlich mit Demonstrationen
aussieht, ob das auch Anlässe für die ZMZ sein können. Antwort:
die Entscheidung, ob die Katastrophenschutzbehörden und damit die
Bundeswehr bei Demonstrationen tätig würden, obliege den
zuständigen Landesbehörden.
Weiter wollten wir wissen, wie es mit Streiks aussieht. Wir
wissen ja alle, dass ein Streik für Kapitalisten grundsätzlich
eine Katastrophe darstellt. ZMZ-Tätigkeiten bei Streiks im
Transport-, Energie- oder Sanitätssektor sowie bei der Müllabfuhr
seien, so hat die Bundesregierung geantwortet, dem "jeweiligen
konkreten Einzelfall vorbehalten".
Ich will so kurz wie möglich die Knackpunkte zusammenfassen:
- die Platzierung von Offizieren in zivilen Behörden bedeutet,
dass die Bundeswehr regulär in den Rathäusern am Tisch sitzt.
Das Mitreden von Soldaten in inneren Angelegenheiten wird damit
von der Ausnahme zur Regel.
- in den KatSchutz-Stäben sitzen Vertreter und Behörden, die
für die Absicherung von Inlandseinsätzen unverzichtbar sind.
Wenn wir uns mal vorstellen, dass irgendwann tatsächlich im
Inland scharf geschossen werden sollte, dann muss die Bundeswehr
über die Kapazitäten von Rettungsdiensten und Feuerwehr
Bescheid wissen. Dann muss sie auch wissen, welche Kraftwerke
und Fabriken in der Nähe sind, das gilt auch für die
Bekämpfung von Streiks und Blockaden. Nicht zuletzt ist die
Polizei vertreten und kann dem Militär auf dem kurzen Dienstweg
Informationen übermitteln - zum Beispiel über politisch
besonders "verdächtige" Personen, wenn etwa
Demonstrationen usw. anstehen. Das meinte ich vorher mit dem
Hinweis, die Bundeswehr beziehe schon mal die Positionen
- Gegenwärtig unterstützen die ZMZ-Kommandos die polizeiliche
Arbeit. Nur ungefähr die Hälfte der konkreten Arbeit der ZMZ
war wirklich katastrophenbezogen, z. B. Vogelgrippe auf Rügen
oder Schneeräumen in Bayern. Es gibt wie gesagt keinen Hinweis,
dass dies nicht auch möglich gewesen wäre ohne die
ZMZ-Kommandos. Die andere Hälfte der Einsätze bezog sich auf
sogenannte Großereignisse: Veranstaltungen wie die Love-Parade,
Länderfestivals, NRW-Tag, aber natürlich auch der G8-Gipfel
2007 in Heiligendamm und der NATO-Gipfel 2009. Da haben die
ZMZ-Einheiten, Zitat Bundesregierung, "im Rahmen ihrer
Beraterfunktion Hinweise auf die vorhandenen Potentiale der
Bundeswehr gegeben", und zwar auch der Polizei. Der
gemeinsame Nenner lautet: zu üben, wie große Menschenmengen,
ob Demonstranten oder unpolitische Festivalbesucher, mit Hilfe
des Militärs unter Kontrolle gehalten werden können.
- langfristig droht die Verschärfung dieser
Repressionsberatung. Alle ZMZ-Tätigkeiten, so heißt es,
geschähen "im Rahmen der verfassungsrechtlichen
Vorgaben". Aber das kann nicht beruhigen: denn das
Weißbuch der Bundeswehr fordert nach wie vor die
"Erweiterung" der Verfassung in Richtung
Inlandseinsätze. Das Thema ist ja nicht abgehakt.
- neben dem Einsatz anlässlich von Streiks - in Griechenland
und Spanien ist das Militär ja bereits gegen Streiks
vorgegangen - droht auch die weitere Militarisierung der
Terrorbekämpfung.
In diesem Zusammenhang noch ein Hinweis: Die Erweiterung der
Verfassung braucht nicht in jedem Fall eine Mehrheit im Bundestag.
Manchmal reicht eine andere Interpretation. Das
Bundesverfassungsgericht wird sich noch in diesem Frühjahr mit der
Frage befassen, ob die Bundeswehr zur Abwehr oder Bewältigung von
Katastrophen auch typisches Militärgerät einsetzen darf. Bislang
konnten sich die beiden Gerichtssenate hier nicht einigen. Bejaht
das Gericht die Frage, dann wird die Militarisierung der
Innenpolitik womöglich einen großen Sprung nach vorne machen. Und
wie schon gesagt: Unter "Katastrophen" versteht die
Regierung auch geplante Terroranschläge, manche auch einen großen
Streik, und ganz bestimmt gehören soziale Unruhen dazu.
Ich will noch kurz zur Amtshilfe etwas sagen: Das Grundgesetz
sieht vor, dass sich die Behörden von Bund, Ländern und Kommunen
gegenseitig Amtshilfe leisten. Das Verteidigungsministerium als
Behörde tut dies auch. Beim G8-Gipfel 2007 haben wir allerdings
gesehen, dass Amtshilfe ein großer Graubereich ist: Faktisch war
das ein Militäreinsatz, bei dem mit Tornado-Flugzeugen,
Spähpanzern und Hunderten von Feldjägern die Polizei gegen
Demonstranten unterstützt wurde.
DIE LINKE hat nach dem G8-Gipfel angefangen, die
Amtshilfemaßnahmen genauer zu erfassen, durch regelmäßige Kleine
Anfragen. Das Ergebnis ist wie befürchtet: Es gab einen massiven
Anstieg. Ende der 1990er Jahre hat es noch eine einzige Amtshilfe
pro Jahr gegeben, 2008 waren es dann schon 31, und 2009 sogar 44
solcher Einsätze. [Mittlerweile liegen die Zahlen für 2010 vor:
71!] Die meisten Einsätze sind für sich genommen harmlos, etwa
Streckenposten bei Sportveranstaltungen oder Sanitäter usw. Es gibt
heute auch kaum noch eine Großveranstaltung ohne Bundeswehr. Es ist
klar, dass hier kein Sachzwang besteht, sondern eine politische
Strategie: Die Bundeswehr schickt Soldaten als vermeintliche Freunde
und Helfer in die Öffentlichkeit und setzt auf den
Gewöhnungseffekt. Das ist eine psychologische Vorbereitung auf
weitere Einsätze.
Linke und antimilitaristische Kräfte in den Kommunen sollten die
Stadt- oder Kreisverwaltung auffordern, die ZMZ aufzukündigen (die
Bundeswehr kann nur anbieten, nicht darauf bestehen, in den Kat-Stab
aufgenommen zu werden!). Man muss immer die Frage stellen, welchen
Nutzen die ZMZ denn bringen soll, und auf die Gefahren hinweisen.
Militärreklame
Die Bundeswehr führt jedes Jahr Tausende von Werbemaßnahmen in
der Öffentlichkeit durch, angefangen von Heeresmusikkorps bis hin
zu Werbeständen auf Messen und Ausstellungen. Dabei vermischt sie
generell ihre Rekrutierungsarbeit, also das Werben um Nachwuchs, mit
allgemeiner Öffentlichkeitsarbeit. Die Auslandseinsätze werden
dabei gutgeheißen und die Kriegspolitik als alternativlos verkauft.
Um das Ausmaß anzudeuten: Die sog. Zentren für
Nachwuchsgewinnung hatten sich für 2010 die Teilnahme an 684 Messen
und Veranstaltungen vorgenommen, darunter Volksfeste und
Ausbildungsmessen, aber auch zahlreiche Werbeauftritte auf
Schulhöfen. 2009 waren es noch 547 solcher Messeauftritte. Es ist
also innerhalb eines Jahres ein Anstieg um über 20 Prozent.
Dieser Anstieg erklärt sich vor allem dadurch, dass es der
Bundeswehr immer schwerer fällt, den Nachwuchs zu rekrutieren. Zwar
wird die Bundeswehr kleiner, aber weil die Wehrpflicht weg fällt,
müssen alle 17.000 Freiwillige, die jährlich gebraucht werden [die
Zahlen des BMVg sind z. Z. mit Vorsicht zu genießen, Tatsache
bleibt: Die Bundeswehr gilt nicht als attraktiver Arbeitgeber!], auf
dem freien Arbeitsmarkt geworben werden. Das Problem dabei: Es gibt
nicht ausreichend qualifizierte Bewerber. Eine aktuelle Studie,
über die vor wenigen Tagen in der Presse berichtet wurde, besagt:
Nur 4,2 Prozent derjenigen jungen Männer, die gemustert wurden,
haben ein Interesse am Soldatendienst. Wir müssen also damit
rechnen, dass die Bundeswehr ihre Reklametätigkeit noch stark
ausbauen wird.
Militär raus aus Schulen!
Zentral für die Werbung sind die Schulen, an die Jugendoffiziere
und Wehrdienstberater entsandt werden.
Die 94 hauptamtlichen Jugendoffiziere bieten sich gegenüber den
Schulen als Referenten an, nach dem Motto: Wenn auf dem Lehrplan
sowieso zwei Stunden zum Thema Sicherheitspolitik stehen, warum dann
nicht gleich einen "Experten vom Fach" einladen? Letzes
Jahr wurden 142.000 Jungen und Mädchen von einem Offizier
"unterrichtet". Jugendoffiziere machen nicht direkt
Nachwuchswerbung, aber sie werben für die aktuelle Militärpolitik,
für die NATO als angebliches Verteidigungsbündnis, für den
Afghanistan-Krieg. Das müssen sie sogar, laut Dienstanweisung sind
sie verpflichtet, immer die offizielle Sichtweise des
Verteidigungsministeriums darzustellen. Ein Jugendoffizier ist
demnach kein "Experte", sondern eine Art PR-Agent. Um das
mal zu vergleichen: Das wäre so, als würde man den Pressesprecher
eines Energiekonzerns als "Experte" in Sachen Atomkraft
einladen.
Man muss dazu wissen: Der Vortrag des Jugendoffiziers gilt als
regulärer Unterricht, mit Anwesenheitspflicht. Freiwillig ist nur
die Entscheidung des Lehrers, auf das Angebot der Bundeswehr
einzugehen. Und da gibt es zunehmend Druck von oben, denn die
Bundeswehr hat vor zwei Jahren damit begonnen, mit den
Bundesländern Kooperationsabkommen zu vereinbaren. Diese
signalisieren den Lehrern vor Ort eindeutig: Sowohl Bundeswehr als
auch Bildungsministerium halten es für richtig, dass Lehrer die
Jugendoffiziere einladen. In NRW hat der hiesige Jugendoffizier
schon festgestellt, dass dieses politische Signal zu einem messbaren
Anstieg der Einladungen an Schulen geführt habe, die genauen Zahlen
werden wir noch abfragen. 2009 haben sie jedenfalls in NRW über
33.000 Schüler erreicht.
Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt: Die militärpolitische
Indoktrination -nichts anderes ist das! - erstreckt sich nicht nur
direkt auf die Schüler, sondern auch indirekt über die Lehrer.
Immer mehr von ihnen lassen sich vom Militär ‚einbetten'. Die
Zahl der Referendare, die Ausbildungsangebote der Bundeswehr nutzen,
ist seit dem Jahr 2003 von 50 auf nunmehr 1.073 hochgeschnellt.
Weitere 3.266 Lehrer haben 2009 Fortbildungen beim Militär besucht.
Sie lernen dort die Sicht auf die Militärpolitik, die sie den
Schülern vermitteln sollen.
Zu den Jugendoffizieren kommen noch die Wehrdienstberater. Diese
betreiben ausschließlich Nachwuchswerbung. Knapp 200.000
Jugendliche wurden in Vorträgen in Klassenzimmern erreicht, hinzu
kommen Werbemaßnahmen auf Schulhöfen.
Zur Rechtslage gibt es ein Gutachten vom Wissenschaftlichen
Dienst des Bundestages, das im Wesentlichen besagt: Schulunterricht
muss politisch neutral sein. Weil Bundeswehreinsätze umstritten
sind, müssen sie auch im Unterricht als strittig dargestellt
werden. Das können Jugendoffiziere nicht leisten. Sich dagegen zu
wehren, kann heißen: konkrete Protestaktionen von Schülern
unterstützen, es auf ein Gerichtsverfahren wegen vermeintlichen
Schwänzens ankommen lassen. Möglich ist aber auch, sich in den
Schulgremien, Elternräten usw. zu engagieren. Ich selbst stelle
regelmäßig Anfragen zu den bevorstehenden Terminen der
Bundeswehr-Werber, was Protestaktionen erleichtert.
Betonen möchte ich folgendes: Dass Jugendliche an der Schule
über die Bundeswehr exakt das lernen, was ihnen die Bundeswehr
selbst erzählen will, ist bildungspolitisch absolut skandalös. Es
gibt seit einiger Zeit auch zunehmende Proteste nicht nur von
Friedensorganisationen, sondern auch von Gewerkschaften wie verdi
und GEW, auch Kinderschutzorganisationen und terre des hommes
sprechen sich dagegen aus, dass man vor Kindern Militärreklame
betreibt.
Hier in NRW gab es ja vor kurzem eine Anhörung im Landtag,
Anlass war ein Antrag der Linken, das Kooperationsabkommen zu
kündigen. Dabei gab es verschiedene Ansichten, ob man den Auftritt
der Jugendoffiziere an Schulen komplett verbieten sollte, oder man
ihn dann zulässt, wenn auch Friedensbewegte dort auftreten. Nach
meinem Dafürhalten sind Bundeswehr und Friedensbewegung nicht
vergleichbar, weil letztere ganz einfach nicht das Personal und die
Finanzen hat wie das Militär. Ich kann nicht einsehen, welchen
pädagogisch wertvollen Beitrag Offiziere an Schulen zu leisten
hätten, deshalb plädiere ich für ihren Ausschluss von dort.
Das Thema Militär an Schulen ist von der Friedensbewegung und
von Gewerkschaften als wichtig erkannt worden, und es bietet gute
Möglichkeiten, die Sorge von Eltern um einseitige Beeinflussung
ihrer Kindern mit grundsätzlicher Militarismuskritik zu
verknüpfen. Diese Chance sollten wir als linke Kraft unbedingt
nutzen und uns in diese Kämpfe einbringen. Indem wir der Bundeswehr
den Nachwuchs streitig machen, gefährden wir damit direkt ihre
Kriegführungsfähigkeit.
Ich würde mir außerdem wünschen, dass auch die
Zivil-Militärische Zusammenarbeit wieder zurückgedrängt wird und
die Bundeswehr, solange es sie noch gibt, in der Kaserne bleibt.
Generell gilt: Wenn Soldaten in die Öffentlichkeit drängen,
sollte die Friedensbewegung sie mit Protest konfrontieren.
Erfahrungsgemäß reagieren die Militärs sehr empfindlich, wenn
ihre Reklameauftritte durch Gegenaktionen konterkariert werden. Sie
will ja Beliebtheitspunkte sammeln, und schon die Ankündigung von
Protest genügt häufig, das Militär zu einer Absage von
Schulbesuchen oder öffentlichen Auftritten zu bewegen.
Unsere Aufgabe liegt also darin, die zahlreichen Aktivitäten
gegen die Militarisierung der Öffentlichkeit und besonders der
Schule zu unterstützen. Besonders wichtig ist dabei, die
Koordination von Schülern untereinander zu fördern, denn in diesem
Bereich mangelt es noch.
In NRW müssen wir außerdem unbedingt den Nazi-Aufmarsch Anfang
September in Dortmund im Auge behalten. Nach dem großen Erfolg in
Dresden dürfen wir nicht nachlassen, sondern den Nazis, sollten sie
es in Dortmund noch einmal probieren, endgültig klarmachen: Es gibt
für sie keinen Platz, nirgends!
Drittens ist es für uns unerlässlich, nicht nur auf solche
Termine zu reagieren, sondern selbst Themen anzupacken. Dabei
sollten wir auf die Zusammenhänge zwischen den Themen, die ich
angesprochen habe, achten: Verarmungspolitik à la Hartz-IV,
rassistische Hetze à la Sarrazin, die Verbindung staatlicher
"Extremismuspolitik" mit neofaschistischen Aufmärschen
und die Militarisierung der Innenpolitik. Hier liegen
Handlungsfelder, die wir bearbeiten müssen, und die Erfolge, die
dabei schon erreicht worden sind, sollten uns Mut für unsere
weitere Arbeit machen.
Siehe auch:
Bericht über drei Jahre VVN-BdA-Arbeit vorgelegt
Landesdelegiertenkonferenz der
VVN-BdA NRW tagt am 26. Februar 2011 in Düsseldorf
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