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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

01.03.2011

VVN-BdA verlangt: Bundeswehr raus aus den Schulen: „Kein Werben fürs Sterben“

Diese und weitere Forderungen sind in den Anträgen enthalten, die von der Landeskonferenz der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – VVN-BdA an den Bundeskongress gerichtet wurden, der Anfang April in der Humboldt-Universität in Berlin tagt. Es geht darin weiter um die Rechte der Roma und Sinti und ihren Schutz vor Ausweisung, um die Fortsetzung der Aktion Spurensuche „Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“ auf Bundesebene und um das Schicksal der Hinterbliebenen von NS-Opfern. „Rettet das Leben von Mumia Abu-Jamal“ ist ein weiterer Beschluss überschrieben.

Blick in den Saal bei Verdi in Düsseldorf. Links die HauptlosungAntrag 3: Die Hinterbliebenen der NS-Opfer fordern ihr Recht

Das Bundesverfassungsgericht hat im November 2009 beschlossen: "Angesichts des Unrechts und des Schreckens, den die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat", kann "die Bundesrepublik Deutschland als Gegenentwurf hierzu" verstanden werden. (Az. 1 BvR 2150/08) Die Gegnerschaft zur Naziherrschaft ist also Verfassungsgebot und Staatsdoktrin. Dem ist die VVN-BdA verpflichtet.

Unsere Organisation ist eine Organisation der Opfer und Hinterbliebenen sowie der nachgewachsenen Generationen von Antifaschistinnen und Antifaschisten. Diesen Opfern wurde in der genannten Gerichtsentscheidung das Recht auf besonderen Schutz - ihrer Würde und ihrer Unversehrtheit - zugesprochen: Eine "Verletzung der Würde der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft" wird in besonderem Maße verurteilt. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes wurde für Nordrhein-Westfalen 1946 von Vertretern von 50.000 Überlebenden des Holocaust, von NS-Opfern und Teilnehmern am Antinazi-Widerstandskampf gegründet. Ihre heutigen Mitglieder erklären: Wir, die wir Krieg und Faschismus noch durchlitten haben, aber auch die zweite und dritte Generation und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter, fühlen uns dem Auftrag der Gründer der VVN-BdA und des Grundgesetzes verpflichtet.

In letzter Zeit hat es eine Anzahl von Dokumentationen gegeben, die das belegen, was die VVN seit den 60er Jahren nachgewiesen hat: In der Bundesrepublik konnten Eliten der Nazizeit aus Wirtschaft, Gerichtsbarkeit, aus dem Gesundheitswesen und aus dem Beamtentum in großer Zahl wieder Einfluss gewinnen und sogar ihr Vorgehen gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten fortsetzen.

Gerichte verfolgten Teilnehmer des Arbeiterwiderstandes, vornehmlich des kommunistischen Widerstandes, um sie - auch unter Hinweis auf Vorstrafen aus politischen Prozessen von 1933 bis 1945 - wegen ihrer politischen Tätigkeit erneut einzusperren und ihnen die Rechte auf Entschädigung abzusprechen. Ärzte aus der NS-Zeit wurden als Gutachter eingesetzt, um die Entschädigungsrechte der oft schwer geschädigten politisch, rassisch und religiös Verfolgten in Zweifel zu ziehen. Ehemalige Gestapobeamte fanden in der Polizei der BRD wieder Verwendung, und man setzte sie auch ein, um die demokratischen Rechte der Verfolgten erneut anzutasten Organisationsverbote führten zur Bestrafung der Widerstandskämpferinnen und -kämpfer, während Naziorganisationen wie die NPD sich ungehindert entfalten konnten. Berufsverbote wurden gegen die Kinder von Antifaschisten ausgesprochen. Das Versammlungsrecht von Antifaschisten wurde eingeschränkt.

Die VVN-BdA setzt sich dafür ein, dass eine Wiedergutmachung für die so Benachteiligten erfolgen muss. Vor allem geht es um die Rehabilitierung der Opfer. Ende der sechziger Jahre gab es zwar ein Strafrechtsänderungsgesetz, das zahlreichen Verfolgungen ein Ende setzte, eine Rehabilitierung der Betroffenen erfolgte jedoch nicht. Auch die Kinder und Enkel der Betroffenen hatten - infolge der Leiden ihrer Verwandten - mitzuleiden:

  • denn die Familien der Opfer litten oft materielle Not,
  • die Kinder und Enkel, also die 2. und 3. Generation, waren betroffen von psychischen Schäden und Traumatisierungen,
  • sie waren im Bildungswesen, in Schule und Gesellschaft Diskriminierungen bis hin zu Berufsverboten ausgesetzt.
  • Sie galten als Kinder von "Vorbestraften".

Die jetzt bekannt gewordenen personellen Kontinuitäten aus der Zeit vor und nach 1945 müssen zu Konsequenzen führen. Doch die Gelegenheiten, die sich dazu bieten, werden nicht genutzt. Der Umgang des Deutschen Bundestages mit dem Antrag "Widerstand von Kommunistinnen und Kommunisten gegen das NS-Regime" (Drucksache 17/2201), eingebracht von der Fraktion DIE LINKE am 16. 6. 2010, ist ein Skandal, ja ein Schlag ins Gesicht der NS-Opfer. Ohne mündliche Aussprache, nur mit schriftlichen Wortbeiträgen, die seitens der CDU, CSU und FDP, aber auch der SPD den Geist der Restauration und des Kalten Krieges atmeten, wurde der Antrag am 11. November 2010 zu später Stunde beerdigt. Die CDU/CSU-Reaktion ist unfassbar und, ähnlich wie bei den vielen Debatten zum Kriegsverrat, sprachlich und argumentativ stark in der Nähe von rechtsextremen Organisationen. Auch in der Erinnerungsarbeit der Gedenkstätten für Opfer des NS-Unrechts werden die Vertreter der 2. und 3. Generation oftmals abgewiesen. Man erklärt ihnen ungeschminkt: Euer Anspruch auf Mitsprache in der Gedenkarbeit ist verwirkt. Genugtuung darüber, dass Zeitzeugen sich nicht mehr einmischen können, ist unverkennbar. Wir haben beschlossen, uns einzumischen.

Die in der VVN-BdA vereinigten Angehörigen der 2. und 3. Generation danken dem Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte dafür, dass er sich ihrer Sorgen und Nöte angenommen hat. Sie danken den Vertretern der LINKEN und der GRÜNEN, die sich in der schriftlichen Debatte vom 11. 11. 10 vorbildlich verhalten haben. Diese Bemühungen sollten fortgesetzt werden.

Der Bundesausschuss der VVN-BdA soll in diesem Sinne schon bald ein Treffen der 2. und 3. Generation einberufen, um deren sozialen und politischen Anliegen zu vertreten. Notwendig ist die Dokumentation der Biografien der Opfer der 2. und 3. Generation.

Einstimmig beschlossen von der LDK der VVN/BdA Nordrhein-Westfalen am 26.02.2011

Antrag 6: Rallye "Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945"

Die VVN/BdA NRW schlägt dem Bundeskongress vor, dass die Kampagne/Rallye "Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945" auf das ganze Bundesgebiet ausgedehnt wird.

Begründung:

Die Rallye "Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945" hat die nordrhein-westfälische VVN-BdA aus Anlass des 75. Jahrestages der Machtübertragung an Hitler auf den Weg gebracht.

1945 schworen die befreiten Häftlinge des KZ Buchenwald: "Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. ... Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht." Doch die Wurzeln des Nazismus wurden nicht beseitigt, nur wenige der Schuldigen standen vor den Richtern. Deshalb gilt es, die Wurzeln des Nazismus weiter zu bekämpfen und die Schuldigen weiter zu benennen.

Zahlreiche Vertreter des Großkapitals wurden im höchsten Maße schuldig. Von ihrem Profit, den sie aus Krieg und Leid der Menschen zogen, haben sie kaum etwas in Form von Entschädigung an die Opfer zurückgezahlt. Wissenschaftler haben errechnet, dass im Jahre 2000 bei der sog. Entschädigung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter nur zehn Prozent der Summe an entgangenem Lohn an die Überlebenden gezahlt wurde, von den gut zehn Millionen bereits verstorbenen Sklavenarbeitern gar nicht zu reden, die keinen Pfennig oder Cent erhielten und deren Angehörige ebenfalls leer ausgingen.

Der NRW-Landesverband hat auf seiner Website damit begonnen, eine Dokumentation über diese Verbrechen an Rhein, Ruhr und Lippe zu erstellen. Für zahlreiche Orte sind Texte über die Verbrechen der Wirtschaft erstellt, Mahntafeln aufgehängt und Stadtrundgänge an die Täterorte durchgeführt worden.

Einstimmig beschlossen von der LDK der VVN/BdA NRW am 26.02.2011

Antrag 7: Kein Werben fürs Sterben! Bundeswehr raus aus Schulen und gesellschaftlichen Einrichtungen

Der Bundeskongress möge beschließen:

Die VVN-BdA fordert die Schulministerin von NRW und andere Schulminister der Länder auf, den Vereinbarungsvertrag mit der Bundeswehr zu annullieren und keine weitere Einflussnahme von Bundeswehrangehörigen an den Schulen mehr zuzulassen sowie jegliches Lehr- und Unterrichtsmaterial der Bundeswehr an den Schulen zu unterbinden.

Da die Bundeswehr das Ziel verfolgt, die Akzeptanz für Militäreinsätze weltweit zu erhöhen und junge Menschen für das Kriegshandwerk zu gewinnen, unterstützt die VVN-BdA Aktionen und Initiativen, die sich gegen die Einflussnahme der Bundeswehr auf Schulen, Universitäten, Arbeitsagenturen und andere gesellschaftliche Institutionen richten.

Begründung:

In den letzten Jahren betrieb die Bundeswehr zunehmend PR-Arbeit in Richtung zukünftiger Soldatinnen und Soldaten. Ein ganzer Apparat steht dazu bereit. Abgesehen von den reinen Werbeoffizieren ("Wehrberater"), deren Aufgabe es ist, den Soldatenberuf als vorgeblich attraktiven Ausbildungs- und Arbeitsplatz auf Ausbildungs- und Jugendmessen, Karrieretreffs und diversen Formen der Berufsberatung anzupreisen, gibt es allein in NRW 15 hauptamtliche, speziell ausgebildete Jugendoffiziere, die in den Unterricht eingeladen werden wollen. Die Bundeswehr schreibt dafür jährlich tausende von Schulen an und rühmt sich einer wachsenden Zahl von Einsätzen an Schulen.

Die Landesregierung NRW hat im Oktober 2008 eine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr geschlossen, die eine solche Entwicklung eim Oktober erleichtern und verstärken soll. Andere Bundesländer sind gefolgt. Der Vertrag ermöglicht der Bundeswehr eine direkte Einflussnahme auf die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts. Sie stellt Lehrmaterial für den Unterricht bereit, bietet Seminare für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrerinnen und Lehrer an. Jugendoffiziere werden verstärkt in die Schulen eingeladen. Ausgerechnet Vertreter der Bundeswehr werden damit betraut, im Schulunterricht und in der Lehrerbildung Themen wie "Sicherheitspolitik", "globale Konfliktverhütung", "Krisenbewältigung" und "nationale Interessen", "friedenssichernde Maßnahmen durch Kriegseinsätze" zu behandeln, sie als Einsatz für Menschenrechte und Demokratie zu rechtfertigen. Ganz in diesem Sinne eröffnet dieser Vertrag der Bundeswehr auch verstärkten Zugang zur Lehrerfortbildung und Referendarausbildung. Im Jahr 2009 waren in NRW 29.000 Schüler(innen) in Angebote der Bundeswehr einbezogen, dazu 2.110 Referendare und Lehrer.

Der Bundeswehr geht es vor allem darum, den Soldatenberuf unter den zukünftigen Schulabgängerinnen und -abgängern schmackhaft darzustellen. Nachdem seit Anfang dieses Jahres die Wehrpflicht "ausgesetzt" wurde, ist diese Zielsetzung von noch größerer Bedeutung geworden. Diejenigen, die meinen Jugendoffiziere und Wehrdienstberater müssten in die Schulen kommen wie andere Berufsberater auch, der verkennt jedoch: Die Bundeswehr ist eine Armee. Ihr Sinn besteht in erster Linie darin, Kriege zu führen und junge Menschen an Waffen auszubilden. Dabei wird billigend der Tod von Menschen in Kauf genommen. Auch wer in der Bundeswehr nicht aktiv an der Waffe dient, ist doch Teil dieser Maschinerie. Nicht zuletzt nutzt die Bundeswehr gezielt den Mangel an Ausbildungsplätzen für ihre Werbung aus, bietet interessante Karrieren innerhalb der Bundeswehr an, nicht nur an Schulen. Auch die Arbeitsagenturen stellen der Bundeswehr Büros zur Verfügung und suggerieren somit, dass es sich bei dem Soldatenberuf um eine normale Perspektive für junge Menschen handelt.

Die damalige Schulministerin Barbara Sommer und Generalmajor Bernd Diepenhorst freuten sich einmütig darüber, dass die bis dahin ohnehin schon "gute Zusammenarbeit" durch eine förmliche "Kooperationsvereinbarung" weiter "gestärkt" werde, um eine deutliche Verbesserung der "politischen Bildung" an den Schulen des Bundeslandes zu erzielen. Die verstärkte Einflussnahme auf die inhaltliche Ausrichtung des Politikunterrichts wurde zu einem Zeitpunkt vereinbart, als sich bekanntlich in Umfragen eine Zweitdrittelmehrheit der Bevölkerung für den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan erklärte. Einer antimilitaristischen Grundstimmung zu begegnen, besonders unter Jugendlichen, auch deshalb geht die Bundeswehr an die Schulen.

Die Kooperationsverträge verletzen den Grundsatz der Erziehung zu "Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung", wie er z.B. in der NRW-Landesverfassung und im Schulgesetz festgelegt ist, und sind schon aus diesem Grund zu kündigen. Die Gründungsmitglieder der VVN, Überlebende des Zweiten Weltkrieges, haben ihre schrecklichen Erfahrungen den nachfolgenden Generationen weitergegeben. Ihr wichtigstes Vermächtnis: "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus". Die VVN-BdA wendet sich gegen jede Form von Kriegserziehung an den Schulen, die im völligen Gegensatz zum humanistischen Bildungsauftrag der Schulen steht.

An verschiedenen Orten hat sich schon Widerstand gegen die PR-Offensive des Militärs formiert: Schülervertretungen, der Hauptvorstand und einzelne Gliederungen der GEW, örtliche Initiativen haben sich in dieser Frage positioniert und sind aktiv geworden. Diese Initiativen verdienen es, unterstützt und weiter getragen zu werden.

Einstimmig beschlossen auf der LDK der VVN/BdA NRW am 26.02.2011

Antrag 9: Keine Abschiebung von Roma und anderen ethnischen Minderheiten in den Kosovo.

Da laut Aussage der Bundesregierung in NRW 3558 ausreisepflichtige Roma wohnen, begrüßen wir die Haltung der nordrhein-westfälischen Landesregierung, die aus humanitären Gründen keine Roma in den Kosovo abschieben will.

Wir fordern die Landesregierung von NRW auf, darauf hinzuwirken, dass diese Praxis beibehalten und von den anderen Bundesländern und der Bundesregierung übernommen wird.

Begründung:

In der gesamten Bundesrepublik gelten 10.041 Personen (8.489 Roma und 1.552 andere ethnische Minderheiten) als "vollziehbar und zur Ausreise verpflichtet". In unsere Forderung mit einbezogen sind deshalb auch andere ethnische Minderheiten, die aus den obengenannten Gründen ebenfalls nicht in den Kosovo abgeschoben werden dürfen.

Laut Pressemitteilung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma vom 16.11.2010 werden noch immer aus verschiedenen Bundesländern, wie insbesondere aus Niedersachsen, schutzbedürftige Menschen in den Kosovo abgeschoben, obwohl alle internationalen Organisationen und Institutionen vor Abschiebungen nach Kosovo warnen. Wie von verschiedenen internationalen Organisationen und NGOs mitgeteilt wurde, verlässt ein sehr großer Teil der aus Westeuropa abgeschobenen Roma innerhalb kurzer Zeit wieder den Kosovo, sei es um in Serbien, Montenegro oder Mazedonien eine sichere Lebensperspektive zu suchen, sei es, um wieder nach Westeuropa zu gelangen. Schätzungen gehen dahin, dass bis zu 70% der abgeschobenen Familien, binnen zweier Monate den Kosovo wieder verlassen. Dies sei ein deutlicher Hinweis darauf, dass die abgeschobenen Menschen keine Perspektive im Kosovo haben.

Die abgeschobenen Familien können in der Regel nicht in ihre ursprünglichen Häuser und Wohnungen zurückkehren, da diese entweder zerstört wurden, oder - zumeist in den Städten - von Kosovo-Albanern besetzt sind. Ein Verfahren zur Rückgabe von Eigentum besteht zwar, ist aber de facto aussichtslos, da die Gerichte überlastet sind, und zum anderen Eigentumsnachweise zerstört oder verloren sind. Mit der Forderung nach Rückgabe von Eigentum setzen sich die betroffenen Roma-Familien außerdem potentiellen Repressalien aus, wenn die neuen Besitzer Kosovo-Albaner sind.

Der Zentralrat weist erneut auf die von der Bundesrepublik Deutschland endlich im Juli 2010 ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention hin, die Deutschland verpflichtet, bei allen Entscheidungen das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen. Kinder, die seit Jahren in Deutschland leben und die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, müssen deshalb mit ihren Familien einen sicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland bekommen.

Nach Meinung der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion. DIE LINKE, Ulla Jelpke, vollzieht sich hier langsam, aber stetig eine der größten Abschiebeaktionen der deutschen Geschichte. In der gesamten Bundesrepublik gelten 10.041 Personen (8.489 Roma und 1552 andere ethnische Minderheiten) als "vollziehbar und zur Ausreise verpflichtet". So die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (17/2857).

Unter humanitären Gesichtspunkten ist diese Entwicklung katastrophal. 18 Prozent jener Menschen, die abgeschoben werden sollen, leben seit über 12 Jahren in Deutschland. Auf den Abschiebelisten stehen selbst alleinerziehende Eltern, Kinder und Pflegebedürftige. Die Bundesregierung schlügt sämtliche Hinweise von Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen in den Wind, dass die Roma und Ashkali im Kosovo ein menschenunwürdiges Dasein erwartet. Die kosovarischen Behörden sind unfähig und unwillig, sie zu integrieren. Oftmals erwartet sie nur Verarmung, Obdachlosigkeit und Diskriminierung. Auch der Europarat hat Anfang Oktober einen Abschiebestopp gefordert, genauso wie der EU-Kommissar für Menschenrechte, UNICEF und amnesty international.

Die Bundesregierung verdrängt gerne, dass die meisten Flüchtlinge infolge des NATO- Angriffs auf Jugoslawien sowie der Machtübernahme der UCK im Kosovo ihr Land verlassen mussten. Mit seiner Beteiligung am Krieg von 1999 hat sich Deutschland mitverantwortlich gemacht. Diese Verantwortung darf nicht einfach mitsamt den Menschen abgeschoben werden.

Abschließend sei daran erinnert, dass in der Zeit der Nazi-Barbarei nicht nur Juden in die Konzentrationslager verschleppt und auf grausame Weise getötet, sondern auch Sinti und Roma, die vom Volksmund mit dem diskriminierenden Begriff "Zigeuner" bezeichnet wurden. Nach Schätzungen fielen im vom faschistischen Deutschland besetzten Europa bis zu 500.000 Sinti und Roma dem Holocaust zum Opfer, einem Verbrechen, das sich jedem historischen Vergleich entzieht und das in seinem Ausmaß unvorstellbar bleibt.

Einstimmig beschlossen von der LDK der VVN-BdA NRW am 26.02.2011

Antrag 11: Bedingungsloser Schutz für Sinti und Roma

Angesichts der zunehmenden gegen Sinti & Roma gerichteten und teils völkerrechtswidrigen Handlungen in Europa ist es ein Anliegen der VVN-BdA, die Zusammenarbeit mit den Gremien der Sinti und Roma auszubauen. Wir unterstützen den Appell des Zentralrates der Sinti und Roma in Deutschland vom 17.12.2010 (siehe Anlage) an die Bundesregierung, die Länder und Kommunen, Grabstätten von ermordeten oder verfolgten Sinti & Roma nicht zu entfernen, sondern dauerhaft zu erhalten und zu schützen.

Zur Information und Begründung:

Appell für den Schutz und die Erhaltung der Grabstätten von NS-verfolgten Sinti und Roma (am 17.12.2010 an die Präsidentin des Bundesrates Hannelore Kraft):

"22 Überlebende der NS-Verfolgungen appellieren an die Bundesratspräsidentin:

Viele der Gräber von Sinti und Roma, die Opfer der Völkermordmaßnahmen durch die Nationalsozialisten waren und nach 1945 verstorben sind, sollen wegen abgelaufener Grabrechte jetzt endgültig beseitigt werden. Für unsere Familien ist der Erhalt dieser Grabstätten als geschützte Gedenkorte von großer Bedeutung".

Dieser Aufruf wurde von der VVN-BdA und den Flüchtlingsräten initiiert. Die Erklärung wurde am 8.12.2010 dem Bundesinnenminister übergeben. Der 8. Dezember 1938 war der Tag, an dem Himmler mit seinem "Runderlass" zur "Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen der Rasse heraus" den Massenmord an 500.000 Sinti und Roma einleitete.

Einstimmig beschlossen von der LDK der VVN/NRW am 26.02.2011

Antrag 12: Rettet das Leben von Mumia Abu-Jamal

Die VVN-BdA setzt ihren Kampf für Mumia Abu-Jamal mit größerer Kraft auf Landes- und auf Kreisebene fort.

Mumia Abu-Jamal, Ehrenmitglied der VVN-BdA seit 2002, ist in Lebensgefahr!

Am 9. November 2010 wurde vor dem 3. Bundesberufungsgericht eine Anhörung abgehalten, die richterliche Entscheidung wird in den kommenden Monaten erwartet. Es wird darüber entschieden, ob das Strafmass im Fall Mumia Abu-Jamal von einer Jury neu festgelegt wird; diese Jury könnte nur ein Urteil zwischen Lebenslänglich oder der Todesstrafe fällen. Bei der Ablehnung einer neuen Juryverhandlung wird das Todesurteil bestätigt: "Sollte das 3. Bundesberufungsgericht gegen uns entscheiden, ist Mumia von der Hinrichtung bedroht. In diesem Fall werde ich zurück zum Supreme Court gehen und eine Überprüfung beantragen. Der Supreme Court gewährt jedoch in lediglich 1-2% aller Fälle eine Überprüfung. Mumia könnte also kaum in größerer Gefahr sein." Robert Bryan, damaliger Hauptanwalt von Mumia.

Seit 2008 hat Mumia eine Reihe von schweren juristischen Niederlagen hinnehmen müssen. Mit der endgültigen Ablehnung eines neuen Prozesses durch den Obersten Gerichtshof am 6. April 2009 wurde die formal letzte Möglichkeit zur objektiven Aufklärung des Falles von der amerikanischen Justiz abgewehrt.

Deshalb müssen wir den politischen Druck auf die verantwortlichen Stellen erhöhen! Nur so kann Mumia vor der Hinrichtung mit der Giftspritze gerettet werden! Wir stellen Öffentlichkeit her:

  • Vorführung des Films "In Prison My Whole Life" und Informationsveranstaltungen
  • Anträge auf kommunaler Ebene
  • Presseerklärungen
  • Infostände, Kundgebungen, Bündnisarbeit etc.
  • Informationen über alle Aktivitäten werden an die US-Botschaft und an die Konsulate gesendet
  • Wir sammeln Spenden für die Verteidigung.
  • Wir unterstützen die Online-Petition auf http://www.petitiononline.com/Mumialaw/
  • Wir schreiben Mumia: Mumia Abu-Jamal; AM 8335; SCI Greene Prison; 175 Progress Drive, Waynesburg; PA 15370; USA

Wir klagen die US-Behörden an, die Ermordung eines Unschuldigen aus rassistischen und politischen Gründen herbeiführen zu wollen!

Das werden wir - Antifaschistinnen und Antifaschisten- nicht zulassen! Hoch die internationale Solidarität! Gegen die Todesstrafe!

Einstimmig beschlossen von der LDK der VVN/BdA NRW am 26.02.2011

Siehe auch:

Bericht über drei Jahre VVN-BdA-Arbeit vorgelegt
Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA NRW tagt am 26. Februar 2011 in Düsseldorf