20.02.2011
Dresden: Nazi-Aufmarsch erfolgreich verhindert -
Polizei steht als schlechter Verlierer da
Friedensratschlag:
Gewaltdiskussion lenkt ab
Dr. Peter Strutynski schrieb an die Aktivisten der
Friedens- und Antifa-Bewegung: Die Strapazen haben sich gelohnt: Der
Nazi-Aufmarsch in Dresden konnte erfolgreich verhindert werden.
Über 20.000 Demonstranten - so viele wie nie zuvor - blockierten
den rechten Spuk. Der Sprecher des Bundesausschusses
Friedensratschlag vermeldet auch, es habe leider auch unschöne
Begleiterscheinungen gegeben, die von einem Teil der Presse
genüsslich gegen angebliche "linksextreme Gewalt" etc.
ausgeschlachtet wird. Der Wortlaut der Presseerklärung.
Kassel/Dresden, 20. Februar 2011 - Zu den Vorfällen anlässlich
der Blockade des rechtsradikalen Aufmarsches am Samstag in Dresden
erklärte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag:
Wenn sich über 20.000 Menschen aus Dresden und aus dem ganzen
Land einem Aufmarsch gewalttätiger Anhänger faschistischer
Ideologien in den Weg stellen, dann ist das für sich genommen schon
eine gute Sache. Noch besser ist es , wenn der Aufmarsch der Alt-
und Neonazis tatsächlich verhindert werden kann. Und das war in
Dresden der Fall. Ein Sieg der Demokratie!
Dass die Friedensbewegung sich an den demokratischen Protesten
beteiligt hat, ist eine Selbstverständlichkeit. Faschismus ist eine
Menschen verachtende Ideologie, Faschismus ist praktizierte Diktatur
und Gewalt, Faschismus bedeutet Krieg. Nach allen völkerrechtlichen
Verträgen nach dem Zweiten Weltkrieg (z.B. dem Potsdamer Abkommen
vom August 1945), nach der UNO-Charta (sog. "Feindklausel"
Art. 107) und nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
(Art. 139) gehört die Bekämpfung von Nazismus, Rassismus und
Militarismus zu den Wesensbestandteilen unserer Demokratie.
Faschistisches Gedankengut unterliegt demnach auch nicht dem
Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, Neonazi-Aufmärsche nicht
dem Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit. So gesehen waren alle
Verfügungen sächsischer Gerichte, den Nazis am 19. Februar Rede-
und Bewegungsfreiheit in Dresden zu geben, mit unseren
Rechtsgrundlagen nicht vereinbar.
So gesehen haben die Menschen, die sich am 19. Februar 2011 dem
Nazi-Aufmarsch in den Weg stellten, das Recht und die Demokratie in
diesem Land verteidigt. Dies ist in diesem Fall vollständig
gelungen, da die Nazis durch die Blockadeaktionen der vielen
Tausenden keine Möglichkeit erhielten, ihre Hassbotschaften im
öffentlichen Raum zu verbreiten. Der Bundesausschuss
Friedensratschlag beglückwünscht die Organisatoren des Protestes,
das Bündnis "Dresden nazifrei", die aus dem ganzen Land
angereisten Antifaschisten und die Stadt Dresden zu diesem
großartigen Erfolg.
Leider wurde der Erfolg der Demokraten sowohl am Samstag während
der Aktionen als auch im Nachhinein getrübt durch verschiedene
Gewalt-Ereignisse. Sie gehen einerseits auf das Konto der Polizei.
Nachdem sich nämlich an zahlreichen Punkten der Stadt größere
Menschenmengen zu friedlichen Blockaden zusammengefunden hatten,
konnte die Polizei die vom Verwaltungsgericht verfügte Anweisung,
den Nazis den Weg frei zu machen, nicht mehr durchsetzen. Anstatt
sich einzugestehen, dass der Einsatz polizeilicher Gewalt nur zur
Eskalation der Situation führen müsse und sich von daher verbiete,
ging die Polizei an verschiedenen Stellen mit Gewalt gegen die
Demonstranten vor. Dazu beigetragen hatten auch die im Vorfeld
kolportierten Meldungen, dass viele "gewaltbereite
Chaoten" oder "Linksextreme" in die Stadt einfallen
würden. Die dann erzeugten "Gewaltexzesse" gehören also
zu einem Teil in die Kategorie der "self-fulfilling prophecies".
Bedauerlich an diesen Vorfällen ist indessen auch, dass sich zu
diesem erwarteten Szenario auch immer wieder genügend Grüppchen
finden, die - möglicherweise auch durchsetzt und angespornt von
Spitzel-Provokateuren - dieses "Spiel" mitmachen und der
Polizei Anlässe oder Vorwände zum Eingreifen bieten. Das liefert
den konservativen Politikern und den Mainstream-Medien die Bilder,
die sie zur Diffamierung der Linken und der Antifaschisten brauchen.
Sie lenken ab von den Inhalten und politischen Botschaften der
demokratischen Proteste. Dies ist umso bedauerlicher, als es der
jahrelangen Aufklärungsarbeit und der Aktionen des Bündnisses
"Dresden nazifrei" zu danken ist, dass die Bevölkerung in
und außerhalb Dresdens die Nazis gründlich "satt hat".
Die Polizei erwies sich auch als schlechter Verlierer, als sie am
Abend, also Stunden nach dem Erfolg der Demokraten, das Büro von
"Dresden nazifrei" im "Haus der Demokratie"
stürmte, wahllos andere Bürotüren im Haus aufbrach und ebenso
wahllos Menschen festsetzte sowie Computer und andere
"Beweismittel" (Beweise wofür? Für den erfolgreichen
Protest?) mitnahm. Der Bundesausschuss Friedensratschlag ist empört
über diese - angeblich von der Staatsanwaltschaft
"mündlich" angeordnete - Aktion (ein Durchsuchungsbefehl
lag nicht vor!) und fordert eine Beendigung der Strafverfolgung von
Antifaschistinnen und Antifaschisten.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
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