20.02.2011
Rehabilitierung Jupp Angenforts und seiner Freunde
und Genossen gefordert
Eine Kleine Anfrage der „Linken“ im Landtag von
NRW hat das Schicksal der Frauen und Männer zum Thema, die Opfer
des Kalten Krieges und nie rehabilitiert wurden. Besonders das Leben
von Jupp Angenfort (ehemal. KPD-, DKP- und VVN-Funktionär) ist
Gegenstand des Textes, der trotz Immunität verhaftet und für fünf
Jahre eingesperrt wurde. Der Landtag, dem er angehörte,
protestierte nicht. Er hat wiedergutzumachen, meinen die „Linken“.
Drucksache 15/1302
15.02.2011
Kleine Anfrage 526
der Abgeordneten Bärbel Beuermann und Anna Conrads DIE LINKE
Rehabilitierung der Opfer des
sogenannten Kalten Krieges
Die politische und gesellschaftliche Verfolgung und
Stigmatisierung von Kommunist(inn)en und Sozialist(inn)en in der BRD
ist bis heute nicht aufgearbeitet worden. Vor allem kommunistische
Widerstandskämpfer/innen, die während des deutschen Faschismus in
Konzentrationslager verschleppt worden waren, litten unter dem
Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) am 17. August
1956. Dem Parteiverbot, welches vor allem für Antifaschist(inn)en
und kommunistische Widerstandskämpfer/innen gegen das Naziregime
ein harter Schlag war, folgten staatliche Repression, Berufsverbote
und mannigfaltige Diskriminierungen, denen vor allem Mitglieder der
Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) zum Opfer fielen.
Im Rahmen von rund 125.000 Ermittlungsverfahren, in die
mindestens 250.000 Bürgerinnen und Bürger einbezogen waren, kam es
zu rund 10.000 Verurteilungen gegen Kommunistinnen und Kommunisten.
Werner Maihofer (FDP), von 1974 bis 1978 Bundesminister des Innern,
sprach angesichts dieser Größenordnung von "Zahlen, die einem
Polizeistaat alle Ehre machen" (Quelle: Neues Deutschland,
3./4. Juli 2010).
Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der
Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete die
Verfolgung von Kommunist/innen als "schweren Fehler", den
Gerichte und Parlamente jedoch wieder korrigieren könnten (Quelle:
Neues Deutschland, 3./4. Juli 2010). Im vergangenen Jahr stimmten
Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag darüber hinaus einem Antrag
der Fraktion DIE LINKE zu, demzufolge kommunistische
Widerstandskämpfer - wie beispielsweise der mittlerweile
verstorbene nordrhein-westfälische KPD-Landtagsabgeordnete Josef
(Jupp) Angenfort - für ihre Verfolgung entschädigt werden sollten.
Der aus einem katholischen Elternhaus stammende Angenfort, der
vom 15. Mai 1951 bis 4. Juli 1954 NRW-Landtagsabgeordneter war, war
eines der prominentesten Opfer antikommunistischer Stimmungsmache
und staatlicher Repression in Nordrhein-Westfalen. Im Oktober 1943
geriet er als 19jähriger in der Sowjetunion in
Kriegsgefangenschaft. In Gesprächen mit russischen Soldaten und
deutschen Antifaschist(inn)en "begann ein Prozess der
Erkenntnis", sagte Jupp später. Er wurde Mitglied des
Nationalkomitees Freies Deutschland und wirkte unter deutschen
Soldaten gegen Krieg und Faschismus. Ende 1949 kehrte er in seine
Heimatstadt Düsseldorf zurück und wurde Mitglied sowie bald darauf
Vorsitzender der Freien Deutschen Jugend in der BRD, der
antifaschistischen und antimilitaristischen Jugendorganisation, die
1951 von der Regierung Adenauer verboten wurde. Unter Missachtung
der Immunität als Abgeordneter der KPD im NRW-Landtag wurde er im
März 1953 verhaftet. Es folgten 15 Jahre Verfolgung, die schwere
Zeit in der Illegalität und auf der Flucht - davon fünf Jahre im
Zuchthaus. Die "Süddeutsche Zeitung" schrieb 1954 über
ihn, ihm werde vor allem "Agitation gegen die
Remilitarisierung'" und "Werbung für die
Wiedervereinigung Deutschlands" vorgeworfen, mehr nicht. 1968
wurde er endlich vom Bundespräsidenten Gustav Heinemann auf freien
Fuß gesetzt. Lange Jahre war Jupp Angenfort Mitglied der Führung
der KPD und dann Präsidiumsmitglied der DKP. Von 1988 bis 2002 war
er Landesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
- Bund der Antifaschist(inn)en und später deren Landessprecher.
Walter Menzel, früherer Parlamentarischer Geschäftsführer der
SPD-Bundestagsfraktion erklärte zur Verurteilung Angenforts:
"Vergleicht man dieses Urteil mit den milden Urteilen gegen
Kopfjäger aus den Hitlerschen KZs, gegen viehische Mörder, die
nachträglich noch begnadigt werden, dann ist man empört darüber,
dass Menschen vor dem Richterstuhl so behandelt werden. Wir sind in
Westdeutschland wieder so weit, dass alle Gegner des Bundeskanzlers
als Bolschewisten oder des Hochverrats angeklagt werden."
(Quelle: Neues Deutschland, 27. März 2010)
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
- Wie bewertet die Landesregierung die staatliche und
gesellschaftliche Verfolgung, Stigmatisierung und
Diskriminierung von kommunistischen Widerstandskämpfer/innen?
- Erkennt die Landesregierung die Notwendigkeit, sich
öffentlich bei den Opfern des Kalten Krieges für das ihnen
angetane Unrecht zu entschuldigen?
- Was will die Landesregierung unternehmen, um die Opfer des
sogenannten Kalten Krieges für das ihnen angetane Unrecht zu
entschädigen?
- Was will die Landesregierung unternehmen, um den
nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten Josef (Jupp)
Angenfort gesellschaftlich zu rehabilitieren?
- In welchem Maße ist die Landesregierung bereit, das
lebenslange antifaschistische Engagement Josef Angenforts
entsprechend zu würdigen?
Bärbel Beuermann
Anna Conrads
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