17.02.2011
Friedensratschlag und Auschwitzkomitee: Stoppt die
Nazis in Dresden!
Ungeachtet der Verbotsdrohungen durch die Justiz
werden die Vorbereitungen für das Blockieren der Nazis am kommenden
Wochenende in Dresden fortgesetzt. Jetzt haben Auschwitzkomitee und
Friedensratschlag erneut Erklärungen herausgegeben.
Aufruf des Auschwitz-Komitees zum
Februar 2011 in Dresden
Wir, die letzten Zeugen des faschistischen Terrors, rufen
auf: [...]
Aus der Erfahrung unseres Lebens sagen wir: Nie mehr schweigen,
wegsehen, wie und wo auch immer Antisemitismus, Antiziganismus,
Rassismus und Ausländerfeindlichkeit hervortreten! Erinnern
heißt handeln!
(Esther Bejarano, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees)
Vor der Bombardierung war Auschwitz.
Das war den mehr als zwölftausend Menschen im Februar 2010
bewusst, die durch Blockaden das Trauermarsch-Ritual der Neonazis in
Dresden verhindert haben. Erstmalig nach Jahren des bereits von der
Nazipropaganda kultivierten Dresden-Mythos, des "sinnlosen
Angriffs alliierter Bomber auf eine unschuldige Kulturstadt".
Auch in diesem Jahr rufen wir wieder auf: Fahrt nach Dresden.
Unterstützt die Menschen, die dem Aufruf der Bündnisse no pasarán
und Dresden nazifrei! folgen und sich auf den Weg machen, um diesen
unsäglichen Aufmarsch zu stoppen. Setzt euch auf die Straßen.
Blockiert die Wege. Macht das so breit und entschlossen und
massenhaft, dass dieser Neonazi-Aufmarsch Geschichte wird.
Endgültig.
Solidarisch und gemeinsam Alt- und Neonazis am 19. Februar
2011 in Dresden stoppen.
Erinnern heißt handeln!
Notfalls auch mit Mitteln des zivilen Ungehorsams.
Auschwitz darf sich nie mehr wiederholen – das ist unsere
Verpflichtung für die Zukunft.
Und die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin Merkel fordern
wir wiederum auf: Verbieten Sie endlich nach Artikel 139 Grundgesetz
und entsprechend dem Potsdamer Abkommen alle faschistischen
Nachfolgeorganisationen, ihre Schriften, ihre Embleme, ihre
Aktivitäten! Das sind wir den Millionen Opfern der faschistischen
Verbrechen schuldig.
Kontakt: AuschwitzKomitee@t-online.de
Pressemitteilung des
Bundesausschusses Friedensratschlag
Aufmarsch der Nazis verhindern
Blockieren ist ein Menschenrecht
Kassel/Dresden, 16. Februar 2011 - Zu den bevorstehenden
Protesten gegen den Aufmarsch der Nazis am kommenden Samstag in
Dresden erklärte der Sprecher des Bundesausschusses
Friedensratschlag:
Es bleibt für uns eine unerträgliche Situation, dass den Alt-
und Neonazis erlaubt wird, das Gedenken an die Toten der
Bombenangriffe von Dresden 1945 für ihre
geschichtsrevisionistischen "Botschaften" zu missbrauchen.
Es ist für uns unerträglich, dass sächsische Gerichte die Polizei
auffordern, den Nazi-Aufmarsch dieses Mal besser zu schützen um den
Geschichtsleugnern den Weg für ihren gruseligen Umzug frei zu
kämpfen. Und es war unerträglich, dass am vergangenen Wochenende
ein erster "Gedenk"-Marsch der Nazis genehmigt, ein
antifaschistischer Stadtrundgang in der Dresdener Altstadt indessen
verboten wurde.
Wer heute der deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs (der
Gefallenen und bei der Offensive der Alliierten getöteten
Zivilpersonen) und der kriegsbedingten Umsiedlung von Millionen
Menschen gedenkt, muss die deutsche Verantwortung dafür und die
deutsche Täterschaft benennen. Wir wollen nur an drei Wahrheiten
erinnern:
1) Das Unglück des Zweiten Weltkriegs begann nicht erst mit den
Angriffen der Antihitlerkoalition auf Ziele in Deutschland. Es
begann am 1. September 1939 mit dem Überfall der deutschen
Wehrmacht auf Polen, setzte sich fort mit dem Feldzug im Westen und
den Luftangriffen gegen Städte in Großbritannien (z.B. Coventry)
und fand seinen Höhepunkt im Angriff auf die Sowjetunion 1941 und
den Vernichtungskrieg im Osten.
Allein in der Sowjetunion starben 20 Millionen Menschen. Während
des Krieges wurden sechs Millionen Juden in den
nationalsozialistischen Vernichtungslagern von Auschwitz, Treblinka,
Buchenwald, Sachsenhausen, Dachau, Majdanek u.a. systematisch
ermordet - das größte Verbrechen, das die Menschheit bisher
gesehen hat.
2) Zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs gehört die
Machtübernahme Hitlers und der NSDAP am 30. Januar 1933. Innerhalb
weniger Monate wurden die freien Gewerkschaften, alle
oppositionellen Parteien verboten, Kommunisten, Sozialdemokraten,
antifaschistisch und liberal gesinnte Demokraten aller Couleur
verfolgt und ein autoritäres, verbrecherisches und aggressives
Regime errichtet, das sich anschickte, nach der Wiedereingliederung
des Saarlands, des „Anschlusses“ Österreichs und der
Einverleibung des „Protektorats“ Böhmen und Mähren die „Kornkammern“
Osteuropas zu erobern, die slawischen „Untermenschen“ zu
versklaven und ein „tausendjähriges“ Weltreich zu errichten.
3) Dass sich dagegen die Völker Europas und der Welt zur Wehr
setzten und dass schließlich die Anti-Hitler-Koalition
Nazi-Deutschland in einem verlustreichen Krieg niederrang, war ein
Akt der Selbstverteidigung. Der Anti-Hitler-Koalition haben wir die
Befreiung der noch überlebenden Häftlinge des KZ Auschwitz (27.
Januar 1945) zu verdanken, ihr haben wir schließlich – am 8. Mai
1945 - die endgültige Befreiung Deutschlands von dem
terroristischen Nazi-System zu verdanken.
Vor einem Jahr war es einem breiten
demokratisch-antifaschistischen Bündnis gelungen, den Aufmarsch der
Rechten zu stoppen. Neofaschisten mobilisieren europaweit, diese
"Schmach" wieder auszuwetzen und wollen Dresden am Samstag
wieder ihren braunen Stempel aufdrücken. Dem wollen wir uns
entgegen stellen.
Die Friedensbewegung ist bekannt für ihre Gewaltlosigkeit. Sich
den alten und neuen Nazis in den Weg zu stellen, ist ein Akt
präventiven Selbstschutzes, weil es den Aufmarsch der organisierten
Nazi-Gewalt verhindern will. Eigentlich wäre das die Aufgabe der
staatlichen Organe.
Vor einem Jahr, am 13. Februar 2010, war es den Demokraten
gelungen, den Naziaufmarsch zu verhindern. Auch diesmal stellen wir
uns quer.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag hat in einem Appell an die
Friedensbewegung dazu aufgerufen, am 19. Februar nach Dresden zu
kommen und sich dem Aufmarsch der Rechtsradikalen entschlossen
entgegen zu stellen. (Den Aufruf "Nie wieder Faschismus - Nie
wieder Krieg!" können Sie hier herunterladen [pdf-Datei]:
http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Rassismus/Dresden2011.pdf
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
P.S.: Besuchen Sie die friedenspolitische Website der AG
Friedensforschung: http://www.ag-friedensforschung.de/
Und dort insbesondere das einschlägige Dossier "Rassismus,
Neofaschismus": http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Rassismus/Welcome.html
Tauziehen in Dresden
Versammlungsbehörde genehmigt
Neonazis einzig eine Kundgebung. Liedermacher Konstantin Wecker will
antifaschistische Blockierer mit Konzert unterstützen
Junge
Welt vom morgigen 18.02.2011
Von Markus Bernhardt
Kurz vor dem am Sonnabend in Dresden geplanten Aufmarsch der
rechtsextremen »Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland« (JLO) kommt
es zu einem juristischen Tauziehen zwischen der Versammlungsbehörde
der Stadt und den Anmeldern. Offenbar als Konsequenz aus der
erfolgreichen antifaschistischen Massenblockade 2010 in Dresden
hatten die Neonazis an verschiedenen Stellen in der Stadt
Aufmärsche angemeldet, um Blockaden zu erschweren. So hatte der
Hamburger Neonazikader Christian Worch sich in der Vergangenheit
für eine »Sternmarschlösung« ausgesprochen und seine
Gesinnungsgenossen aufgerufen, sich »nicht mehr wie eine
Hammelherde an einem einzelnen Ort einpferchen« zu lassen.
Eben diese Pläne durchkreuzte am Mittwoch abend jedoch die
Versammlungsbehörde der sächsischen Landeshauptstadt. Diese teilte
den Rechten mit, daß besagte drei Anmeldungen »zeitgleich an einem
Ort als stationäre Kundgebung durchzuführen« seien. Dagegen
reichten die betroffenen Rechtsextremisten Klage vor dem
Verwaltungsgericht Dresden ein.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung von Stadt und
Polizeidirektion Dresden von Donnerstag kündigte Polizeipräsident
Dieter Hanitsch– ganz dem totalitarismuspolitischen Sprech
verpflichtet – an, daß die Beamten mit einer hohen
»Gewaltbereitschaft aller extremistischen Teilnehmer« an
Demonstrationen rechneten. Die Stadtverwaltung kündigte zudem an,
weiterhin an dem mit der Polizei abgestimmten Konzept festhalten zu
wollen, demzufolge es zu einer strikten räumlichen Trennung von
Neofaschisten und Nazigegnern kommen soll.
Jedoch lassen sich weder das bundesweite antifaschistische
Bündnis »Dresden stellt sich quer!« noch diverse prominente
Unterstützer der geplanten Blockaden von derartigem Säbelrasseln
der Dresdner Behörden beeindrucken. Der Liedermacher Konstantin
Wecker etwa kündigte am Donnerstag an, seine derzeitige Tour zu
unterbrechen und gemeinsam mit seinem musikalischen Weggefährten Jo
Barnikel ein Solidaritätskonzert für die Blockierenden in Dresden
zu spielen. Den Antifaschismus dürfe man, »wie sich leider auch
2011 herausstellt, offenbar nicht dem Staat überlassen«, so der
Musiker.
Unterstützung erhält »Dresden stellt sich quer!« von
verschiedenen Gliederungen der Linkspartei, von DKP, SPD und Grünen
sowie von antifaschistischen Widerstandskämpfern und
Holocaust-Überlebenden, Gewerkschaftern und der Föderation
kurdischer Vereine in Deutschland YEK-KOM. Auch der Schlagzeuger der
Band Die Ärzte, Bela B., Sebastian Krumbiegel von den Prinzen und
die Dresdner Band Polarkreis 18 rufen zum Protest auf.
Im Gespräch mit junge Welt forderte Heinrich Fink,
Bundesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
– Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), am Donnerstag die Polizei zum
Gewaltverzicht auf. »Ich freue mich sehr, daß so viele Nazigegner
sich den Faschisten direkt in den Weg stellen wollen, und gehe davon
aus, daß die Polizei es nicht fertigbringt, Pfefferspray und
Schlagstöcke gegen friedliche Demonstranten einzusetzen«, so der
ehemalige Rektor der Berliner Humboldt-Universität.
www.dresden-nazifrei.com
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