15.02.2011
Ausnahmezustand für 200 Rechte
NRW-LINKE will
Polizeistrategie beim Naziaufmarsch in Wuppertal im Innenausschuss
thematisieren
Ihre Fraktion hat beantragt, dass sich der
Innenausschuss des Landtages am Donnerstag mit dem Polizeieinsatz
anlässlich eines Naziaufmarsches am 29. Januar in Wuppertal
befassen soll. Warum? Böth: Der Einsatz der über 1500 Polizisten
wirft einige Fragen auf. Ich habe mich an den Protesten gegen den
Aufmarsch der 200 Neonazis beteiligt und eine Strategie der Beamten
wahrgenommen, die ich nazifreundlich nenne.
Inwiefern?
Ich war beispielsweise selbst Zeugin eines übertriebenen
Pfeffersprayeinsatzes gegen friedlich Demonstrierende. Hinzu kommt,
dass das gesamte Stadtgebiet von der Polizei abgesperrt war, was
mich an eine Bürgerkriegsübung erinnert hat. Hingegen konnten sich
Gruppen von Neonazis von der Polizei ungehindert durch die Stadt
bewegen und Straf- und sogar Gewalttaten begehen. Auch frage ich
mich, warum Neofaschisten mit Sonderzügen und extra bestellten
Bussen der Wuppertaler Stadtwerke befördert wurden. Diesbezüglich
interessiert mich natürlich auch, wer für die dadurch verursachten
Kosten aufkommt.
Welche Folgen könnte die Innenausschusssitzung für die Polizei
haben?
Das kann ich im Vorfeld natürlich nicht absehen. Klar ist
jedoch, dass ich erwarte, dass Innenminister Ralf Jäger (SPD)
Stellung bezieht, warum die Beamten bei mehreren Straftaten der
Neonazis nicht eingegriffen haben. Es geht mir keineswegs darum,
gegen den einzelnen Beamten mobil zu machen. Vielmehr möchte ich
vom Minister wissen, durch wen und in welchem Ausmaß die Polizei
überhaupt geschult wird.
Wir wollen außerdem erreichen, dass die Polizeistrategie, die
von Verantwortlichen des Innenministeriums gelenkt wurde, demnächst
in anderen Städten anders aussieht. Und wir wollen zeigen, dass der
Landtag ein Auge darauf hat.
Hätte der rechte Aufmarsch abgebrochen werden müssen?
Ja. Zwar bin ich keine Juristin, aber es gab meines Erachtens in
diesem Fall genügend Anlässe. Nochmal: Eine große Gruppe von
Nazis hat Antifaschisten körperlich angegriffen, es wurde
verbotenes Liedgut gesungen und es wurden Aufrufe zur Gewalt gegen
Andersdenkende propagiert.
So krakeelten die Neofaschisten beispielsweise Parolen wie »Haut
den Linken die Schädeldecke ein« oder »Linkes Gezeter – Neun
Millimeter«. Auch kündigten sie Säuberungsaktionen in Behörden
an, sollten sie die Macht übernommen haben. Solche Gewaltaufrufe
hätten bei jeder linken Demo zum Abbruch durch die Polizei
geführt. Es stellt sich außerdem die Frage der
Verhältnismäßigkeit, wenn eine ganze Stadt in einen
Ausnahmezustand versetzt wird, um 200 Nazis einen Aufmarsch zu
ermöglichen.
Gehen Politik und Justiz in NRW zu lax gegen die neofaschistische
Szene vor?
Das will ich so allgemein gar nicht behaupten. Es gibt mit
Dortmund und Aachen sicher Städte, in denen ich erwarte, dass die
Auseinandersetzung um die militanten und dort besonders starken
»Autonomen Nationalisten« deutlich intensiviert wird. Fernab von
juristischen Strategien ist es jedoch nach wie vor unerlässlich,
dass sich die Menschen vor Ort stets klar gegen die rassistische
Hetze der Rechten positionieren. Egal, ob sie nun wie »Pro NRW«
unter dem Deckmäntelchen einer vermeintlichen Bürgerbewegung oder
wie NPD und »Freie Kameradschaften« offen neofaschistisch
auftreten.
Interview: Markus Bernhardt
Mit freundlicher Genehmigung des Neuen
Deutschland vom 09.02.2011
|