13.02.2011
Schaffung einer Mahntafel
Rolle des Dr. Ernst Achenbach
von der FDP in der Zeit vor und nach 1945
Zu den besonders nachhaltig wirkenden NS-Tätern
gehörte der Nazi-Diplomat, Jurist und später führende
FDP-Politiker Dr. Ernst Achenbach aus Essen. Er baute mit den
SS-Tätern aus Himmlers Reichssicherheitshauptamt Dr. Werner Best
und Prof. Franz Six nach 1945 in Essen einen Apparat zur
Strafbefreiung von Mördern auf und hatte großen Einfluss sowohl
vor als auch nach 1945.
Kürzlich hat sich der Rat der Stadt Essen mit Achenbach und der
von der VVN-BdA geforderten Aufklärung über ihn befasst, -
allerdings ablehnend. Dies obwohl nun die Studie „Das Amt und die
Vergangenheit“ (Blessing-Verlag) der von Joschka Fischer
eingerichteten Kommission zur Geschichte des Auswärtigen Amtes und
seiner Mitarbeiter während der NS- und in der Nachkriegszeit
vorliegt. Über diese wird derzeit lebhaft diskutiert. Das Buch
belegt unsere Darstellungen zu Ernst Achenbach.
Vorbild für die Schaffung der von uns angeregten Mahntafel ist
ein Schild der Stadt Köln, das 1996 vor dem Hause Stadtwaldgürtel
35 angebracht ist:
"Hier, im Haus des Privatbankiers Kurt Freiherr von
Schröder, trafen sich am 4. Januar 1933 Adolf Hitler und Franz
von Papen, um über eine Regierungsbildung zwischen
Nationalsozialisten und Rechtskonservativen zu beraten. In einem
Gespräch wurden die Weichen für Hitlers Ernennung zum
Reichskanzler am 30. Januar 1933 gestellt und die Voraussetzungen
für die menschenverachtende Diktatur der Nationalsozialisten
geschaffen. Kurt von Schröder unterstützte bereits vor 1933 die
Ziele des Nationalsozialismus und organisierte nach 1933
finanzielle Leistungen der deutschen Wirtschaft an die SS."
Am 4. Oktober 2010 teilte der Oberbürgermeister der Stadt Essen
mit, der Ausschuss für Anregungen und Beschwerden des Rates habe
sich mit unserem Antrag hinsichtlich einer entsprechenden Mahntafel
zu Achenbach in Essen befasst. Nachdem eine Stellungnahme der
Familie Achenbach vorlag, habe man sich einvernehmlich geeinigt,
sich inhaltlich nicht weiter mit dem Anliegen der VVN-BdA zu
befassen. Wegen „schwerwiegender Recherchefehler“ der VVN-BdA
solle diese sich gegenüber der Familie Achenbach entschuldigen,
regten zwei Ratsfrauen an. Dazu stellen wir fest:
Im Gegensatz zu den Ausführungen von RA Achenbach (Schreiben von
ihm an die VVN-BdA NRW vom 19. 08. 10 und Leserbrief an die Essener
Medien) hat Ernst Achenbach an der Deportation französischer Juden
mitgewirkt, wie in der „Amt“-Studie ausgewiesen ist.
Und das Argument, Achenbach könne nicht an den Deportationen
teilgenommen haben, denn dies hätte ja zu seiner Bestrafung
geführt, und es wäre nicht denkbar, dass er acht Jahre lang im
Landtag und 19 Jahre lang im Bundestag sein konnte, wenn er Juden
deportiert hätte, kann ja wohl nur als schlechter Scherz angesehen
werden. Die Art der Amnestie, die Achenbach – durchaus mit
Unterstützung Adenauers – betrieb, stellte ja eher eine
Strafbefreiung und Strafvereitelung dar, die Achenbach somit auch im
eigenen Namen und zu eigenem Nutzen betrieb. NS-Täter in hohen
Funktionen der BRD hat es leider viele gegeben, und sie blieben Dank
der Bemühungen Achenbachs und anderer – Globke! – unbestraft
und unbehelligt.
In einer Broschüre zum Fall Achenbach ist die VVN-BdA äußerst
sorgfältig vorgegangen. Die VVN-BdA hält daher ihren Vorschlag auf
öffentliche Beachtung des faschistischen Treibens jenes Dr.
Achenbach von der FDP vor wie nach 1945 aufrecht. Sie ist bereit und
in der Lage, die von der Familie Achenbach vorgebrachten „Persilscheine“
für Dr. Achenbach zu widerlegen.
Verwiesen sei auf Dokumente von Serge und Beate Klarsfeld aus
Paris, die schon seit 1971 über Achenbach in Essen informierten.
Und auf Ernst Klee „Das Personenlexikon zum Dritten Reich“ –
Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt/Main 2003, Seite 10:
Achenbach, Ernst. Diplomat. * 9.4.1909 Siegen. Ab 1939
Attaché, ab 1940 Botschafts-, bzw. Gesandtschaftsrat der Pariser
Botschaft. Leiter der Politischen Abteilung, befaßt mit
Judenangelegenheiten. Herbst 1943 Kulturpolitische Abteilung im
Auswärtigen Amt. 1946 Rechtsanwalt in Essen, kurzzeitig
Verteidiger von Gajewski im IG-Prozeß und von Bohle im
Minister-Prozeß. Enge Kontakte zu Hugo Stinnes junior. Ab 1950
FDP MdL in Nordrhein-Westfalen (NRW). 1952 Initiator
Vorbereitender Ausschuß zur Herbeiführung der Generalamnestie
(für NS-Täter). Industriespendensammler der FDP in NRW.
Beteiligt am Versuch des Ex-Staatssekretärs Werner Naumann,
ehemalige Nazis in der FDP zu platzieren. Im Nachlaß Franz
Blücher (BA N 1080/273) Manuskript: Ziele und Methoden des
"Naumann-Kreises". Die Unterwanderungsversuche in der
FDP (Zusatz: Streng vertraulich! Nur für den Dienstgebrauch).
Dort heißt es: »Den günstigsten Ansatzpunkt für die
Unterwanderung des Landesverbandes NRW glaubte Naumann in Dr.
Ernst Achenbach gefunden zu haben ... vor dem Krieg
Geschäftsführer der ›Adolf-Hitler-Spende der deutschen
Wirtschaft‹«. 1957-1976 MdB. Vorsitzender des Auswärtigen
Ausschusses der FDP. 1971 Großes Bundesverdienstkreuz. 1972-1976
im Europäischen Parlament. † 2.12.1991 Essen. Lit.: Herbert.
Mit „Lit.: Herbert“ ist das Ulrich Herbert-Buch „Best“,
Bonn 1996, gemeint. Es schildert das Wirken von Dr. Werner Best
(Stellvertreter Heydrichs als Chef des Reichssicherheitshauptamtes)
und Dr. Ernst Achenbach. Beide werden im neuen Ruhr Museum in Essen
ausdrücklich als Helfer Adolf Hitlers aus der Ruhrindustrie
genannt.
Bereits in seiner Dokumentation aus dem Jahre 1962 „die
unbewältigte gegenwart“ hat das Präsidium der VVN in Frankfurt
am Main unter Bezugnahme auf die Illustrierte „Revue“ vom 26.
November 1960 über Dr. Ernst Achenbach ausgeführt:
„Er war während der Nazizeit 1943 Gesandtschaftsrat bei
der Deutschen Botschaft in Paris. Ihm wird vorgeworfen, an
Judenverfolgungen beteiligt gewesen zu sein. Die Illustrierte
"R e v u e" veröffentlichte in diesem Zusammenhang ein
Dokument, das in einer Ausstellung in Israel zu sehen war. Dabei
handelt es sich um einen Brief der NS-Botschaft in Paris an den
damaligen SS- und Polizeibefehlshaber der Stadt. Das Schreiben
enthält die Anweisung des Auswärtigen Amtes, die
"vorgesehenen Judenmaßnahmen" im besetzten Frankreich
trotz gewisser Widerstände des italienischen Verbündeten
vorzunehmen. Es ist von Achenbach unterzeichnet. - Der so
Bloßgestellte stellte sofort Strafantrag gegen die Illustrierte,
worauf die Ausgabe beschlagnahmt wurde. Diese Beschlagnahme wurde
nach einer Beschwerde des Verlages aber vom Landgericht München
wieder aufgehoben. Damit wurde bestätigt, daß die Anschuldigung
zu Recht besteht. Achenbach ist seit 1957 Bundestagsabgeordneter
der FDP.“
Wir könnten die Reihe der Zitate und Belege zum Fall Ernst
Achenbach noch lange fortsetzen, so auch mit einer Darstellung der
FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung zu Achenbach: „9.4. -
Liberale Stichtage: Vor 100 Jahren wird Ernst Achenbach geboren ….
Quelle: http://www.freiheit.org/Aktuelles-Magazin/618c10550i1psprv/index.html“
(siehe www.nrw.vvn-bda.de ).
Es sei aber abschließend aus dem schon genannten Buch zitiert,
das von Ex-Außenminister Joschka Fischer angeregt wurde und starke
Beachtung gefunden hat:
„1909 wurde Ernst Achenbach in Siegen geboren. 1937
NSDAP-Mitglied und Einstieg ins Auswärtige Amt. In Paris
mitverantwortlich für Judendeportationen. Nach dem Krieg Eintritt
in die FDP. Zuständig für die Besorgung von Spenden der
Deutschen Industrie. Von 1957 bis 1976 FDP-Bundestagsabgeordneter.
Von 1964-1977 auch Europaparlamentarier. Er verhinderte immer
wieder erfolgreich die Verfolgung von NS-Verbrechern. 1991 starb
er in Essen.“ (zitiert nach Frankfurter Rundschau vom 28. 10.
2010)
Wir bitten Sie, unsere Darstellung zum Fall und zum Brief des
Achenbach jr. in Ihrem Medium zu veröffentlichen. Zur Vorlage von
Faksimiles usw. stehen wir gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Sander
Landessprecher der VVN-BdA NRW
PS Sie haben folgendes berichtet:
http://www.derwesten.de/staedte/essen/NS-Vergangenheit-holt-FDP-in-Essen-ein-id4211954.html
Der Brief von Hanno Achenbach an Sie lautete:
In Ihrem Artikel über Dr. Ernst Achenbach zitieren Sie
mich, dass die Vorwürfe gegen meinen Vater staatsanwaltlich
mehrfach geprüft worden seien und dass es sich jedes Mal
herausgestellt habe, dass sie nicht begründet waren.
Sie meinen dann, dass ich mit dieser Bewertung ziemlich
allein stehen dürfte. Das ist falsch: Auf meiner Seite habe ich
alle drei Westalliierten - sie haben die seit 1947 bekannten
Vorwürfe geprüft und verworfen. Das Gleiche gilt für die
Staatsanwaltschaften Essen, München und Köln, die sich sämtlich
vor Eintritt einer etwaigen Verjährung damit befasst haben und
zum Ergebnis gekommen sind, dass die Vorwürfe nicht begründet
waren.
Andernfalls wäre es nicht denkbar, dass er acht Jahre lang
im Landtag und 19 Jahre lang im Bundestag sein konnte. Wer mehr
wissen will, kann mich fragen.
Hanno Achenbach, Goethestr. 87
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