06.01.2011
Änderungen am Wehrpflichtgesetz 2005 und 2011
erlauben alles
Vom Kriegseinsatz der
Reservisten über Streikbruch bis zum Einsatz gegen Demonstranten
Die Aussetzung der Wehrpflicht wurde in den Medien
groß behandelt. Doch dies Datum spielte in den Medien und
Ministerreden nie eine Rolle: Am 17. Februar 2005 wurde das „Gesetz
über die Neuordnung der Reserve der Streitkräfte und zur
Rechtsbereinigung des Wehrpflichtgesetzes“ beschlossen. Der Kern
des Gesetzes ist die Anhebung des Alters von 45 auf 60 Jahre, bis
zum dem Reservisten einberufen werden können, und der Einsatz von
Reservisten im Krieg und im Inneren des Landes. Ohne mündliche
Aussprache – und fast ohne Berichterstattung der Medien – ging
die Beschlussfassung im Bundestag über die Bühne. Ihre Auswirkung:
Die Bundeswehr wird mit der Aussetzung der Wehrpflicht nicht
kleiner, sondern größer.
Von Ulrich Sander (Sprecher der VVN-BdA)
Das Datum 3. Januar 2011 wurde in den Medien ausführlich
behandelt. Zum letzten Mal wurde ein Kontingent von 12.000 jungen
Männern als Wehrpflichtige einberufen. Ohne Wehrpflichtige soll die
Bundeswehr von 240.000 auf 185.000 Soldaten schrumpfen.
"Historisch" wurde die Abschaffung der Wehrpflicht
genannt, obwohl es nur eine Aussetzung ist. Die Wehrpflicht ist
jederzeit rückholbar.
Seit 1957 haben 8,5 Millionen Männer den Kriegsdienst mit der
Waffe geprobt. So sie noch keine 60 Jahre alt sind können sie
jederzeit erneut zur Fahne gerufen werden - sollte der
Verteidigungsfall es erfordern. Ein solcher Verteidigungsfall war
der Eintritt Deutschlands in den Afghanistan-Krieg; es wurden jedoch
keine wehrpflichtigen Reservisten in diesen Krieg gesandt, sondern
nur freiwillige Wehrpflichtige und freiwillige Reservisten, die sich
zu Einsätzen, nicht nur zu Übungen, verpflichtet haben. Von
derartigen Reservisten gibt es rund 1,2 Millionen. Für 94.000 von
ihnen ist ständig ein "Arbeitsplatz" bei der Bundeswehr
vorhanden. Somit sinkt die Zahl der Soldaten nicht auf 185.000,
sondern sie steigt auf rund 280.000. Doch darüber wird nicht
berichtet.
Denn dies Datum spielte in den Medien und Ministerreden nie eine
Rolle: Am 17. Februar 2005 wurde das "Gesetz über die
Neuordnung der Reserve der Streitkräfte und zur Rechtsbereinigung
des Wehrpflichtgesetzes" beschlossen. Der Kern des Gesetzes ist
die Anhebung des Alters von 45 auf 60 Jahre, bis zum dem Reservisten
einberufen werden können, und der Einsatz von Reservisten im Krieg
und im Inneren des Landes. Ohne mündliche Aussprache - und fast
ohne Berichterstattung der Medien - ging die Beschlussfassung im
Bundestag über die Bühne.
Petra Pau (eine der beiden PDS-MdB, die es damals gab), führte
in ihrem schriftlich eingereichten Debattenbeitrag aus:
"Reservistinnen und Reservisten sollen in den Umbau der
Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer weltweit agierenden
Interventionsarmee aktiv einbezogen werden. … Hinzu kommt: Mit §
6c des vorliegenden Gesetzentwurfes wollen Sie den Einsatz der
Bundeswehr im Inneren der Bundesrepublik Deutschland vorbereiten.
Sie weisen Reservistinnen und Reservisten entsprechende Aufgaben
zu."
Über zwei Jahre später meldet die Bundeswehrzeitschrift
"Y": "Seit Jahresbeginn stellt sich die Bundeswehr in
der Fläche der Republik neu auf." Sie zitiert den damaligen
Minister Franz Josef Jung: "Die flächendeckende Einführung
der Zivilmilitärischen Zusammenarbeit im Inland stellt sicher, dass
die Bundeswehr in unsrer Heimat jederzeit und an jedem Ort unseres
Landes Hilfe und Unterstützung leisten kann." Diese
Zivilmilitärische Zusammenarbeit im Inland ist vollkommen eine
Sache der Reservisten. Künftige Oder- und Elbfluteinsätze werden
somit Sache von Arbeitern und Angestellten sein, die kurzfristig
abkommandiert werden. Und auch für den Ersatz streikender Fachleute
(Fluglotsen mit Wutpotential gibt es nicht nur in Spanien) steht ZMZ
Inneres bereit. In den Computern des Streitkräfteamtes sind alle
Reservisten mit ihren Fähigkeiten erfasst.
Die Bundeswehr kommt uns also beim Einsatz im Innern durch die
Hintertür und auf leisen Sohlen. Ein Heimatschutz nach
amerikanischem Vorbild wird bzw. wurde aufgebaut und den zivilen
Behörden in Stadt und Land "zur Seite gestellt". Im
Artikel 35 des Grundgesetzes ist für den Einsatz der Bundeswehr im
Innern nur vorgesehen: "Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder
bei einem besonders schweren Unglücksfall" (Artikel 35, Absatz
2). Von Hilfe bei Polizeiaufgaben und "Großereignissen"
ist im Grundgesetz nicht die Rede, wohl aber in Einsatzplänen der
Behörden. Die Regierung arbeitet mit dem schwammigen Begriff
"Terroranschläge", bei denen die Reservisten zu Hause in
Massen zur Waffe greifen sollen.
Spätestens am 29. August 2009 wäre folgende Schlagzeile in den
Medien fällig gewesen - sie unterblieb jedoch:
"Bundesregierung will mit Bundeswehr Streiks bekämpfen".
Eine Antwort der Bundesregierung an die LINKE im Bundestag vom
28.8.09 besagte eindeutig, dass die Kampfbedingungen der
Gewerkschaften erheblich eingeschränkt werden. Zumindest im
öffentlichen Dienst steht Streikbruch mittels Bundeswehr auf der
Tagesordnung. Denn in der Antwort der Bundesregierung an den
Bundestag schließt das Bundesverteidigungsministerium nicht aus,
dass die ZMZ-Kommandos bei Demonstrationen zum Einsatz kommen. Dies
obliege allein den Landesbehörden. Selbst der Militäreinsatz
anlässlich von Streiks im Transport-, Energie- oder
Gesundheitswesen sowie bei der Müllabfuhr wird nicht ausgeschlossen
- eine Entscheidung darüber sei "dem jeweiligen Einzelfall
vorbehalten". (laut BT-Drucksache 16/13847 und Pressemitteilung
von Ulla Jelpke vom 1. September 2009).
Die Bundestagsabgeordnete der LINKEN Ulla Jelpke dazu: "Die
Bundesregierung hält sich damit alle Optionen für den
Militäreinsatz im Inneren offen. Die ZMZ-Kommandos wirken gleichsam
als militärische Vorauskommandos, die schleichend in die zivilen
Verwaltungsstrukturen einsickern. Das Konzept der ZMZ läuft damit
letzten Endes auf einen offenen Verfassungsbruch hinaus."
Als verheißungsvoll wird die Änderung der
Wehrpflichtgesetzgebung seit 2005 vom Reservistenverband
aufgenommen. 123.000 der willigsten und aktivsten Militaristen sind
hierin - gesponsert von der Bundeswehr - vereinigt. Sie versichern,
"sich militärisch, körperlich und geistig fit zu
halten", um sich jederzeit in den Streitkräften zu engagieren,
ob im In- oder Ausland. Der Reservistenverband hat sich in den
ZMZ-Inneres-Kommandos der Bundeswehr verankert, die es in allen
Landkreisen und Kreisfreien Städten gibt. Sie haben darin eine
Hausmacht, und mit ihnen viele rechtslastige Kader. Diese Kommandos
mit rund 5.500 Reserveoffizieren, sind innerhalb einer Stunde
einsatzbereit. Doch davon sprach niemand am "historischen"
3. Januar 2011.
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