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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

08.12.2010

WikiLeaks hilf!

Meldungen, die keine Chance hatten, in die Medien zu gelangen

Immer wieder werden wichtige Meldungen von führenden Medien nicht veröffentlicht. In einem Kommentar macht Ulrich Sander, einer der Sprecher der VVN-BdA, den Vorschlag, dass WikiLeaks sich solcher Informationen annimmt, damit sie dann doch den Weg in die Medien finden.

WikiLeaks hilf!

Meldungen, die keine Chance hatten, in die Medien zu gelangen

WikiLeaks in aller Munde. Es ist herausgekommen, was die US-Botschaft über Merkel und Westerwelle nach Hause schreibt. Wir wussten es alle. Aber beachtlich ist, wie Meldungen, wenn sie durch WikiLeaks geadelt wurden, bemerkt werden. Schon länger war zu vermuten, dass es im Dezember Schnee und Kälte gibt. Doch jetzt sind alle über das Wetter überrascht. Warum sagte uns keiner was? Hätte WikiLeaks es dem "Spiegel" gesteckt und wir hätten es dann per "Spiegel" erfahren: Wir hätten mit Schnee gerechnet.

Es gibt auch Meldungen, die keine Chance hatten, in die Medien zu gelangen. Die jetzt bekannt gewordenen personellen Kontinuitäten aus der Zeit vor und nach 1945 zum Beispiel. Die VVN-BdA hat schon 1960 vieles von dem gemeldet, was jetzt im Buch "Das Amt und die Vergangenheit" stand. 2004 hat sie die 60er Veröffentlichung "Weissbuch" erneut herausgebracht und sie nun auch ins Internet gestellt. (www.nrw.vvn-bda.de - Broschüren) Beachtung hätte alles gefunden, wenn es als "geheim" eingestuft wäre? Wer weiß? Ich schlage nun vor, dass folgende wichtige, aber unbeachtete Meldungen endlich per WikiLeaks Beachtung finden.

  • In den Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehrführung vom Herbst 1992, gebilligt von der Regierung, hieß es zu den wichtigsten Aufgabe der "neuen" Bundeswehr: "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt". Die so formulierten Kriegsziele der Bundeswehr blieben unbeachtet, so dass Horst Köhler mit einer ähnlichen Formulierung große Überraschung auslöste.
  • Unter der Bezeichnung LÜKEX 2010 - länderübergreifende Krisenmanagement- Übung - fand Anfang Januar 2010 die vierte Übung dieser Art in der Nachfolge der WINTEX-Übungen aus der Zeit des Kalten Krieges statt. "Übung für Atom-Anschlag am Flughafen" titelte der Kölner Stadtanzeiger seinen Bericht - wo es doch wohl "gegen" heißen müsste. Oder? Gemeint war: Der weltweite Terror wird nicht nur in Afghanistan bekämpft, sondern auch bei uns zu Hause. Und "Terroristen" sind auch Demonstranten, Globalisierungsgegner und ähnliche. Nicht nur in Afghanistan spielt zudem die Polizei als Bundeswehrhilfstruppe eine große Rolle, sondern auch im Inland soll die Bundeswehr mit der Polizei zusammenwirken. Zwischen 1 000 und 1 500 Polizisten und Soldaten waren gemeinsam in Köln im Einsatz. Doch wer meldete es?
  • Spätestens am Samstag, den 19. Februar 2005 wäre folgende Schlagzeile in den Zeitungen fällig gewesen - sie unterblieb jedoch: "Bundeswehrkader um Millionen Reservisten vergrößert - Einsatzalter auf 60 Jahre angehoben". Am 17. Februar 2005 war des Nachts vom Bundestag das "Gesetz über die Neuordnung der Reserve der Streitkräfte und zur Rechtsbereinigung des Wehrpflichtgesetzes" beschlossen worden. Ohne mündliche Aussprache - und fast ohne Berichterstattung der Medien. Der Kern des Gesetzes ist die Anhebung des Alters auf 60 Jahre, bis zu dem Reservisten zu Einsätzen - nicht nur zu Übungen - mobilisiert werden können.
  • Eine weitere unterbliebene Schlagzeile wäre am 29. August 2009 erforderlich gewesen. Sie hätte lauten müssen: "Bundesregierung will mit Bundeswehr Streiks bekämpfen". Eine Antwort der Bundesregierung an die "Linke" im Bundestag vom 28. 8. 2009 besagte eindeutig, dass die Kampfbedingungen der Gewerkschaften erheblich eingeschränkt werden. Zumindest im öffentlichen Dienst steht Streikbruch mittels Bundeswehr auf der Tagesordnung. Denn in der Antwort der Bundesregierung an den Bundestag schließt das Bundesverteidigungsministerium nicht aus, dass die ZMZ-Kommandos (Zivil- Militärische- Zusammenarbeitskommandos) bei Demonstrationen zum Einsatz kommen.

Am 11. November 2010 fand wieder eine völlig unbeachtete "Debatte" im Bundestag statt, die ein wichtiges Geschichtsthema betraf, nämlich die Frage nach dem Widerstand gegen Hitler, geleistet nicht nur von Adligen am 20. Juli 1944. Der Umgang der Mehrheit der Medien, aber auch des Deutschen Bundestages mit dem Antrag "Widerstand von Kommunistinnen und Kommunisten gegen das NS-Regime" (Drucksache 17/2201), eingebracht von der Fraktion der Partei "Die Linke" am 16. 6. 2010, ist ein Skandal, ja ein Schlag ins Gesicht der NS-Opfer. Ohne mündliche Aussprache, nur mit schriftlichen Wortbeiträgen, die seitens der CDU, CSU und FDP, aber auch der SPD den Geist der Restauration und des Kalten Krieges atmeten, wurde der Antrag am 11. November 2010 zu später Stunde beerdigt. Der kommunistische Arbeiterwiderstand wurde verhöhnt. Entschädigung für die NS-Opfer, die später auch politische Gefangene unter Adenauer waren, wurde erneut verweigert. Verweigert wurde auch die Berichterstattung darüber.

Nun hoffe ich zu all diesen Fällen auf Enthüllungen durch WikiLeaks. Vielleicht klappt dann die Beachtung durch die Medien.

Nachsatz: Die UZ hat obige Fakten alle vermeldet, das sei auch angemerkt. Somit ist dies eine Wiederholung. Sie sei entschuldigt mit dem Zitat, das einem Klassiker des Marxismus-Leninismus zugeschrieben wird: Die Wiederholung ist die Quelle der Weisheit.

Ulrich Sander

Aus Unsere Zeit, 10.12.10