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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

17.11.2010

„Von der Wehrmacht zur Bundeswehr – Zum Selbstverständnis gestern und heute“

Referat von Ulrich Sander bei der Erwachsenenbildung des Ev. Kirchenkreises Jülich am 15. November 2010 in Übach-Palenberg (im Rahmen der Friedensdekade „Entrüstet Euch“)

Im Rahmen der diesjährigen Friedensdekade der evangelischen Kirche fand in Übach-Palenberg eine Veranstaltung des Ev. Kirchenkreises Jülich statt, auf der der Autor und Bundessprecher der VVN-BdA Ulrich Sander zum „Von der Wehrmacht zur Bundeswehr – Zum Selbstverständnis gestern und heute“ referierte. Nachdem die Reichswehrführung mit dem Eid auf Hitler den Bruch der demokratischen Weimarer Verfassung betrieb – auf die sie vereidigt war –, beruht nun ebenfalls das Selbstverständnis der Bundeswehr auf faktischen Verfassungsbruch. Die deutsche Verfassung lässt nur Truppen zur Verteidigung zu und stellt Angriffskriege unter Strafe. Notwendig sei die Wahrung des Grundgesetzes und die Abschaffung einer Armee, die gegen diese Verfassung verstößt.

Von der Wehrmacht zur Bundeswehr - Zum Selbstverständnis gestern und heute

Referat von Ulrich Sander bei der Erwachsenenbildung des Kirchenkreises Jülich am 15. November 2010 in Übach-Palenberg (im Rahmen der Friedensdekade "Entrüstet Euch")

Um den Weg von der Wehrmacht zur Bundeswehr bis ins heute zu verfolgen, muß auch ein Blick auf die Reichswehr der 20er Jahre geworfen werden.

Die Generäle planten schon 1925 das Große Heer und legten Hitler eine Steilvorlage für den Zweiten Weltkrieg ab 1939 vor.

Ab 1925 wurde der Plan "Großes Heer" konkret verfolgt, der Hitler bei seiner Machtübertragung entzückt haben wird - allerdings wird er ihn schon lange vorher gekannt haben. Der Plan blieb bis vor einigen Jahren der Öffentlichkeit verborgen. Die dpa verbreitete dazu am 5. März 1997 folgende Notiz: 

Zitat Nr. 1

"Das deutsche Militär hat sich seit 1925 aktiv auf einen Zweiten Weltkrieg vorbereitet. Dies wird nach Informationen der Zeitung Die Zeit durch ein bislang geheimes Dokument belegt. Danach habe sich das deutsche Militär lange vor Hitler mit konkreten Aufrüstungsplänen für ein Kriegsheer beschäftigt. Das mehrere hundert Seiten umfassende Dokument habe über Jahre im Pentagon gelagert und sei von einem Hamburger Privatforscher im Nationalarchiv in Washington entdeckt worden.

Auf Betreiben des Chefs der Heeresleitung, General Hans von Seeckt, sei sieben Jahre nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg mit der Planung für eine Kriegsarmee begonnen worden. Seeckt habe dem Truppenamt die Planungsaufgabe gestellt, ein Kriegsheer mit bis zu drei Millionen Mann aufzustellen. Die 102 Divisionen, die bei Kriegsbeginn 1939 bereitstanden, seien bereits damals detailliert geplant worden. Nur durch diese Vorbereitung habe Hitler binnen sechs Jahren die stärkste Landmacht des Kontinents bilden können. Einer der Verfasser, der ehemalige Generalleutnant Walter Behschnitt, habe die Arbeit später als das ‚Geheimste vom Geheimen' eingestuft." (nach FR 6.3.97)

Die Generäle planten also schon ab 1925 den Völkermord. Der Reichswehroberst und spätere Wehrmachtsgeneral v. Stülpnagel schrieb in dem genannten Dokument über die Art der geplanten grausamen Kriegführung: "Hemmungen irgendwelcher Art darf es nicht geben. ... Die Meinung der Welt gilt wenig"... Ein aufs "äußerste zu steigender Hass darf vor keinem Mittel der Sabotage, des Mordes und der Verseuchung zurückschrecken. ... Gas und Rauch, Bakterien, elektrische Fernlenkung und Zündung, Aviatik" (Flugwesen). Man plante den Staatsterrorismus.

Viele Reichswehroffiziere gehörten zu jenen, die Hitler 1933 zur Macht verhalfen. Es war nicht nur die Mehrzahl der Konservativen, die Führung der Wirtschaft - nein, auch höchste Militärkreise sahen in Hitler ihren Mann. Am 3. Februar 1933, vier Tage nach Beginn seiner Kanzlerschaft, suchte Hitler die Befehlshaber von Heer und Marine auf. Man plante gemeinsam die Ausrottung des Marxismus, den Kampf gegen die Ergebnisse des Ersten Weltkrieges, den Umbau der Reichswehr zur Wehrmacht sowie die Stärkung des "Wehrwillens mit allen Mitteln". Kurz darauf traf sich Hitler mit den Herren der Rüstungsindustrie, nahm ihre Millionenspenden für die NSDAP entgegen und versprach Hochrüstung und "Wehrhaftigkeit". Zur "Stärkung des Wehrwillens mit allen Mitteln" gehörte gnadenloser Terror gegen alle, die erkannt hatten: "Wer Hitler wählt, wählt den Krieg".

Hatte Reichswehrchef General v. Seeckt 1925 in einem unbedachten Moment ausgesprochen, worum es bei der Schaffung des Großen Heeres ging: "Wir müssen Macht bekommen, und sobald wir diese Macht haben, holen wir uns selbstverständlich alles wieder, was wir verloren haben," so stimmte Hitler an jenem 3. Februar 1933 zu: "Wie soll politische Macht, wenn sie gewonnen ist, gebraucht werden? Erkämpfung neuer Exportmöglichkeiten, vielleicht - wohl besser - Eroberung neuen Lebensraumes im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung." Mit dieser Äußerung Hitlers ging dieser einen Schritt weiter als die Generäle, aber diese stimmten schweigend zu. Und weitere Versprechen Hitlers entsprechen ebenfalls den Wünschen der Heeresführung: Keine Duldung des Pazifismus, Todesstrafe für Landesverrat, Beseitigung des "Krebsschadens der Demokratie", dann Wehrertüchtigung der Jugend, allgemeine Wehrpflicht, vor allem aber "die Wiederherstellung der deutschen Macht".

"Krebsschaden Demokratie"- verächtlicher konnte man nicht über die Weimarer Republik sprechen, auf deren Verfassung die Generäle vereidigt waren - soviel zur Eidestreue deutscher Offiziere.

Hitler weiter: Die Freiheit des Entschlusses habe man erst, wenn "im Geheimen wirtschaftlich und militärisch alle Vorbereitungen hundertprozentig" getroffen seien. (Ein Offizier hat die Äußerungen Hitlers vor den Generälen mitstenografiert; siehe "Der Krieg der Generäle - Hitler als Werkzeug der Wehrmacht" von C. Dirks und K.H.Janssen, Ullstein Berlin Juli 1999. In diesem Buch wird auch der Plan Großes Heer dokumentiert.)

Ein Jahr später hat Hitler vor der Generalität seine Absicht bekräftigt, für den Bevölkerungsüberschuß des Reiches Lebensraum zu schaffen, mit dem Zusatz: "Diesen werden uns aber die Westmächte nicht gönnen. Daher könnten kurze entscheidende Schläge nach Westen und dann nach Osten notwendig werden."

So kam es. Als der Krieg im Sommer 1939 unmittelbar bevorstand, hieß es im Vorwort des Buches "Wehrmacht und Partei" ("Wehrmacht und Partei" aus der NS-Bibliographie von 1938/39, herausgegeben von Reichsamtsleiter Dr. Richard Donnevert vom "Stab des Stellvertreters der Führers" Rudolf Hess): Jetzt "steht das deutsche Volk in einem harten Kampf um sein Lebensrecht gegen seine jüdischen und demokratischen Feinde." Wehrmacht und NSDAP kämpften "Schulter an Schulter". In dem Werk, das mit der Behauptung heutiger Militärhistoriker aufräumt, die Wehrmacht und die Nazis wären weltenweit auseinander gewesen, wird dem Soldaten jedes Bedenken, ob sein Tun erlaubt sei, genommen. Es wird vom "Vorrecht des Stärkeren" berichtet: "Recht bekommt, wer sich im Daseinskampf durchzusetzen versteht." Es gehe um "Forderungen an Siedlungsland, an Rohstoffquellen und Absatzmöglichkeiten" (Aus "Wehrmacht und Partei", Seite 1). An dieser Stelle sei angemerkt:

In den Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehrführung von 1992 heißt es zu den wichtigsten Aufgabe der "neuen" Bundeswehr: "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung." Die Kriegsziele der Bundeswehr werden heute also mit ähnlichen Worten geschildert, wie einst die der Wehrmacht.

Rechtzeitig zum Kriegsbeginn wurden die Offiziere und Soldaten auf Adolf Hitler eingeschworen. Der Eid, obwohl als Eidbruch geschworen, denn der Eid auf die Weimarer Verfassung wurde mit dem neuen Eid ja gebrochen, hielt die meisten Offiziere und viele Soldaten davon ab, sich vom Führer zu lösen. Sie kämpften bis zum letzten Moment für ein verbrecherisches System. Sie brachten 55 Millionen Menschen den Tod.

Letzter Tagesbefehl vom 9. Mai 1945. Zitat Nr. 2

Daran schloss sich Adenauer an.

vorher:

nachher:

General unter Hitler und Adenauer war Hans Röttiger, der nach Kriegsende zugab, er sei zu der Erkenntnis gekommen, „dass die Bandenbekämpfung, die wir führten, im Endziel den Zweck hatte, den militärischen Bandenkampf des Heeres dazu auszunutzen, um die rücksichtslose Liquidierung des Judentums und anderer unerwünschter Elemente zu ermöglichen.“

Für die Teilnehmer am Bandenkampf, also am massenhaften Vernichten der Juden und Kommunisten, stiftete Hitler das Bandenkampfabzeichen. Dieses Abzeichen durfte in der Bundeswehr getragen werden, es mussten nur Hakenkreuz und Totenkopf entfernt werden. An diesen Skandal wie auch an den der hohen Pensionszahlungen an die SSler im In- und Ausland erinnerte die VVN-BdA.

Wer sich bei Kriegsverbrechen schuldig gemacht hat, der soll seine Opferrente verlieren, beschloss dann 1998 der Bundestag, u.a. nachdem die VVN-BdA es gefordert hatte. Doch dann geschah nichts, weil nämlich unklar blieb, wie die Täter zu finden sind. Denn von deutschen Gerichten waren ja keine Wehrmachtsangehörigen je belangt worden. Die VVN-BdA schlug vor, zumindest allen Trägern des Bandenkampfabzeichens und ähnlicher Orden für Massenmörder die Opferrente zu nehmen und gegen sie zu ermitteln und mit den Ermittlungen die Ludwigsburger Zentralstelle zu beauftragen. Was wurde daraus? Nicht viel. Die Ludwigsburger Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Verbrechern teilte mit, sie sei personell zu schwach, um zu handeln. In Ludwigsburg gab es inklusive Kraftfahrer und Reinigungskräfte nur 25 Mitarbeiter. (Zum Beispiel bei der Stasiunterlagenbehörde sind es 3.400 Planstellen.)

Und mit dem Bandenkampfabzeichen von vor und nach 1945 wurde und wird schwunghafter Ebay-Handel getrieben, wenn nicht die hochbetagten Träger damit noch immer herumstolzieren.

Die Westlichen Alliierten setzten schon bald auf die Unterstützung der alten Wehrmachtsführung. Sie brauchten nun für den Krieg gegen den Bolschewismus jeden Fachmann, und sei er auch ein Nazimörder gewesen. Bereits am 9. Oktober 1950 kamen die Expertengespräche ehemaliger Offiziere der Wehrmacht über die "Aufstellung eines deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas" im Eifelkloster Himmerod zum Abschluss. Die dort erarbeiteten Überlegungen wurden als Denkschrift zur Vorlage für den Bundeskanzler Konrad Adenauer zusammengefasst. Fünf Jahre nach Kriegsende planten die Militärs wieder die Kriegsführung. Der Kalte Krieg machte es möglich. Kriegsverbrecher wurden eingesetzt, um neues Unheil vorzubereiten.

Die Teilnehmer in Himmerod waren Generäle wie jener Hans Röttiger, der nach Kriegsende zugab, er sei zu der Erkenntnis gekommen, "dass die Bandenbekämpfung, die wir führten, im Endziel den Zweck hatte, den militärischen Bandenkampf des Heeres dazu auszunutzen, um die rücksichtslose Liquidierung des Judentums und anderer unerwünschter Elemente zu ermöglichen." (Siehe "Szenen einer Nähe" von U. Sander, Bonn 1998, S. 30-32) (Siehe Zitat Bandenkampfabzeichen)

Röttigers Chef bei der Bundeswehr und in der Wehrmacht war Adolf Heusinger. Auch er führte in Himmerod wieder das große Wort. Er hat dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal 1945 eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, mit der die Teilnahme der Wehrmacht am Holocaust bestätigt wurde.

Heusinger war besonderer Vertrauter Hitlers und als Leiter der Operationsabteilung des Heeres an der Planung und Durchführung der Überfälle auf verschiedene Länder, darunter am Aggressionsplan "Barbarossa" gegen die Sowjetunion, führend beteiligt. Ralph Giordano berichtet in "Die zweite Schuld": "Am 17. März (1941) erklärte Hitler im Beisein von Generalmajor Adolf Heusinger und Generalstabschef Franz Halder nach Notizen des letzteren: ‚Die von Stalin eingesetzte Intelligenz muss vernichtet werden. Die Führermaschinerie des russischen Reiches muss zerschlagen werden. Im großrusssischen Reich ist Anwendung brutalster Gewalt notwendig. ...'"

Giordano: "Das war offener Aufruf zum Massenmord". Und er schrieb weiter: "Die Generalstäbler Franz Halder und Adolf Heusinger gingen davon aus, dass große Kesselschlachten mit riesigen Gefangenenzahlen den Ostkrieg bis August 1941 entscheiden würden. Dieser Glaube war allenthalben verbreitet und ließ völkerrechtliche und kriegsvölkerrechtliche Überlegungen nur im Zusammenhang ihrer Missachtung sichtbar werden."

Heusinger, dem also schwerste Kriegsverbrechen vorzuwerfen waren, wurde dennoch nach 1945 Berater der US-Armee, die sich auf die Konfrontation mit der UdSSR vorbereitete und "Russlandexperten" wie ihn suchte. Die US-Politiker wie auch Adenauer sagten: Hauptsache Antikommunist, da darf jemand schon Nazi gewesen sein.

In dem Buch "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" (Hamburg 1995) stellt Alfred Streim, der inzwischen verstorbene Leiter der Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen für die Aufklärung von NS-Verbrechen, fest, "dass die westlichen Alliierten auf die Deutschen keinen Druck zur Verfolgung der völkerrechtswidrigen Handlungen ausübten und im übrigen die von ihnen verurteilten Kriegs- und NS-Verbrecher Anfang der fünfziger Jahre begnadigten." Denn: "Infolge der damaligen angespannten politischen Weltlage hatten sie ein großes Interesse an der Wiederaufstellung deutscher Streitkräfte. Die Verfolgung von Angehörigen der früheren Wehrmacht stand der Wiederbewaffnung jedoch entgegen, zumal der damalige Bundeskanzler den westlichen Alliierten immer wieder erklärte, es werde keine neue deutsche Armee geben, solange noch Prozesse gegen Angehörige der Wehrmacht geführt und deutsche Soldaten sich in alliierter Haft befinden würden." (Heute kann bilanziert werden, dass sich aus 100.000 Ermittlungsverfahren gegen NS-Verbrecher nur 6.000 Verurteilungen ergaben, darunter nur wenige Wehrmachtsangehörige. Von den rund tausend Bundeswehrangehörigen, gegen die wegen Taten aus der Zeit ihres Dienstes in der Wehrmacht ermittelt wurde, ist niemand rechtskräftig verurteilt worden. Zum Vergleich: Im Gefolge des Verbots von FDJ und KPD wurden bis Ende der 60er Jahre gegen 500.000 Personen ermittelt - zumeist, weil sie falsche Gesinnung, niemals weil sie etwas verbrochen hatten. 10.000 von ihnen wurden eingesperrt.)

Die "Himmeroder Denkschrift" Heusingers und anderer aus dem Jahre 1950 war die eigentliche Geburtsurkunde der Bundeswehr. Die Autoren machten deutlich, dass sie an der von den USA gewünschten Schaffung der Bundeswehr nur teilnehmen würden, wenn die Forderungen erfüllt würden - sie wurden allesamt erfüllt:

  1. "Freilassung der als ‚Kriegsverbrecher' verurteilten Deutschen" und
  2. "Einstellung jeder Diffamierung des deutschen Soldaten (einschließlich der im Rahmen der Wehrmacht seinerzeit eingesetzten Waffen-SS) und
  3. Maßnahmen zur Umstellung der öffentlichen Meinung im In- und Ausland." Ferner wurde gefordert:
  4. "Ehrenerklärung für den deutschen Soldaten von Seiten der Bundesregierung und der Volksvertretung. Gerechte Regelung der Versorgung der früheren und zukünftigen Soldaten und ihrer Hinterbliebenen."

Teilnehmer an der Himmeroder Tagung, die da ihre Amnestie und die ihrer "Kameraden" betrieben, waren außer Heusinger und Röttiger die späteren Bundeswehrgenerale Speidel, Graf von Baudissin und Graf Kielmansegg. Die Amnestie der Kriegsverbrecher wurde auch von Kirchenvertretern betrieben. So forderte Weihbischof Neuhäusler im Jahre 1951 die US-Regierung auf, Urteile gegen Kriegsverbrecher aufzuheben. Wenn die Bundesrepublik aufgerufen sei, sich "zu einem starken Verteidigungsblock gegen den Bolschewismus im Osten zu formieren," sei dies notwendig. (Klee "Persilscheine und falsche Pässe", Fischer 1991)

Bei Gründung der Bundeswehr lautete die NATO-Vorgabe: 500 000 Soldaten so schnell wie möglich. Die Verwirklichung dieser Forderung durfte nicht durch zuviel Skrupel hinsichtlich der Biographien der Soldaten gestört werden. Adenauer sagte zynisch: Wir haben eben nicht genügend 18jährige Generäle. Ohne Rückgriff auf die militärische Erfahrung ehemaliger Wehrmachtssoldaten war nichts zu machen. Und so drückten die Personalgutachterausschüsse in den fünfziger Jahren häufig beide Augen zu. Adenauer hatte ihnen den Tipp auf den Weg gegeben: Wenn man kein sauberes Wassert hat, dann nimmt man eben schmutziges.

Eine Bemerkung muß zu Graf Baudissin gemacht werden.

Siehe Zitat Nr. 3

Offiziere mit erzkonservativem bis reaktionärem Staatsverständnis und bewährtem Feindbild wurden eingestellt. Darunter auch veritable Kriegsverbrecher. Das Konzept "Innere Führung" des Grafen Baudissin, das die Bundeswehr demokratiekompatibel machen sollte, empfand man als Hemmnis. Die Rolle der Wehrmacht als Instrument und Mitinitiator des größten Raub- und Vernichtungsfeldzugs der Geschichte wurde geleugnet. Das Dilemma war: Die Bundeswehr hatte einen militärischen Auftrag, dem die Verfassung Grenzen setzte. Sie hatte ein Konzept der Inneren Führung, das von den für Erziehung und Ausbildung verantwortlichen Vorgesetzten der Truppe allzu oft verletzt wurde.

Hitlergeneräle begründeten wie gesagt mit einer Himmeroder-Denkschrift den Nachkriegsmilitarismus. Und sie standen auch Pate, als die DDR der BRD angeschlossen wurde.

Zitat Nr. 4

Mit der Wende von 1989/90 hatte sich der "Verteidigungsblock gegen den Bolschewismus" erledigt. Der Westen hatte den Kalten Krieg gewonnen. Deutschland war von Freunden umgeben, eine Friedensdividende war das, was sich nun die Menschen erhofften. Doch während sich die Völker im stabilen Frieden wähnten und auch die meisten Politiker zunächst alles Mögliche, nur keine Militärkonzepte, erörterten, da hatten die Militärs - auch die deutschen - schon wieder neue Feinde entdeckt.

Diese wurden in den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 definiert, worin die Generäle ihr Konzept für die Kriegführung begründeten. Und 2003 waren dann die neuen die Verteidigungspolitischen Richtlinien der Generäle fällig, die Minister Struck mit dem Begriff aus dem Wortschatz eines heimlichen Generalstabs "Verteidigung Deutschlands am Hindukusch" als seine eigenen präsentierte.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 12. 7. 1994 die Militärs ermächtigt, mit der Zustimmung der einfachen Regierungsmehrheit im Bundestag Kriegseinsätze durchzuführen und sich nicht mehr auf den Verteidigungsauftrag der Verfassung zu beschränken. Die Generäle bekamen die verfassungswidrige Erlaubnis zur Kriegführung fern des deutschen Territoriums. (Zitat aus BVerG Urteil)

Dabei ging die Innere Führung weitgehend verloren. Militarismus bedeutet wieder für die Rechte - für Konservative wie Neofaschisten -, dass solche "soldatischen Werte" wie Mut, Treue, Kameradschaftlichkeit, Ehre, Tapferkeit aus jeglichem sozialen Wertebezug herausgenommen und isoliert als Ideale und Tugenden für alle gesellschaftlichen Bereiche gültig werden. Dieses Herauslösen der "deutschen Wertvorstellungen" (Verteidigungspolitische Richtlinien) aus dem bisher üblichen Militärkonzept hat seine Ursache auch in dem Bestreben, die Rolle der deutschen Wehrmacht und des "Soldatentums" im Zweiten Weltkrieg und in der Zeit der Kriegsvorbereitung für WK II zu rechtfertigen. Der höchste General Klaus Naumann sagte vor den Gebirgsjägern von Wehrmacht und Bundeswehr zu Pfingsten 1992: Die Wehrmacht sei allenfalls "missbraucht" worden. Wehrmacht sei gleichzusetzen "mit jener vorzüglichen Truppe, die Unvorstellbares im Kriege zu leisten und zu erleiden hatte." Wehrmacht stehe für "Bewährung in äußerster Not, für Erinnerung an und Verehrung von vorbildlichen Vorgesetzten, für Kameraden und Opfertod."

Während die Auslandseinsätze der Bundeswehr offiziell mit angeblichen Verpflichtungen im Rahmen der NATO und der UNO begründet werden, redet Generalinspekteur Klaus Naumann den Klartext der Rechten: Die Bundeswehr habe für Einsätze "auch außerhalb des Bündnisgebietes zur Verfügung zu stehen, soweit es deutsche Interessen (!) gebieten." (Information für die Truppe, 11/91) Wo Goebbels sagte: "Diesmal geht es um wichtigere Dinge, und zwar um Dinge, die uns alle angehen, um Kohle, Eisen, Öl und vor allem um Weizen" (Goebbels-Rede vom 18. Oktober 1942), da sagen die Verteidigungspolitischen Richtlinien über die "deutschen Interessen" aus:

  • "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt".

Hierzu nun Zitat Nr. 5

Weiter heißt es in den Richtlinien von 1992:

  • Ein "Teil der deutschen Streitkräfte muss daher zum Einsatz außerhalb Deutschlands befähigt sein."
  • Die Richtlinien sind "verbindliche Grundlage" für die "deutsche militärische Interessenvertretung nach außen."
  • An die Stelle der Verteidigung Deutschlands und des NATO-Territoriums wird die Aufgabe gestellt: "Sicherheits- und Verteidigunspolitik ist ein ganzheitlicher Ansatz von Schützen und Gestalten."
  • Und das "Gestalten" wird mit einer Formulierung umschrieben, die auch Hitler anstelle seines plumpen "ab 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen" hätte einfallen können: "Vorbeugung, Eindämmung und Beendigung von Krisen und Konflikten, die Deutschlands Unversehrtheit und Stabilität beeinträchtigen können." 

(Die Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr sind ein Programm, das die Rückkehr zur Zeit vor dem Briand-Kellogg-Pakt einschließt. Wenn Kriege wieder "erlaubt" sind, wie heutzutage, dann bedeutet dies Rückschritt bis zur Zeit vor dem Briand-Kellogg-Pakt vom 27. August 1928. Seit dieser Zeit sind Kriege als Mittel der Politik geächtet. In Paris unterzeichneten damals 15 Staaten, darunter auch Deutschland, den Pakt, zu dem der französische Außenminister Briand gegenüber dem US-amerikanischen Staatssekretär Kellog die Initiative ergriffen hatte. Alle Staaten der Welt, voran die Unterzeichnerstaaten, verpflichten sich darin, das Mittel der Schiedsgerichtsbarkeit an die Stelle bewaffneter Auseinandersetzungen treten zu lassen. Dieser Pakt wurde von Hitler gebrochen. Heute wird er von der Nato und ihren Mitgliedsstaaten gebrochen.
Mittels der VPR ist auch der Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen verbunden, die sich die gegen Deutschland und Japan siegreichen Völker 1945 gegeben haben, um "künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat," - das bekanntlich von deutschem Boden ausging. Man beschloss, die "Kräfte zu vereinen, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren." In Artikel 107, der immer noch gültig ist, heißt es ausdrücklich: "Maßnahmen, welche die hierfür verantwortlichen Regierungen als Folge des Zweiten Weltkrieges in Bezug auf einen Staat ergreifen oder genehmigen, der während dieses Krieges Feind eines Unterzeichnerstaats dieser Charta war, werden durch diese Charta weder außer Kraft gesetzt noch untersagt." 
Der heutige deutsche Militarismus stellt den Verstoß gegen die antimilitaristischen Beschlüsse von Potsdam dar. Wobei besonders makaber ist, dass sich die Bundeswehr gern auf die Mandate der UNO beruft, auf Aufträge der Weltgemeinschaft. Hingegen war in Beratungen der Militärzirkel Anfang der neunziger Jahre immer wieder zu hören, dass es allenfalls auf das UNO-Mandat ankommt und nicht auf die Kontrolle durch die UNO und dass auch andere Organisationen als Mandatserteiler denkbar sind als die UNO, nämlich die WEU, die NATO, ja sogar die EU wurde erstmals als möglicher Militärpakt genannt.)

Aggressiv heißt es in erläuternden "Informationen für die Truppe" 1993: Die Souveränität anderer Länder und das Nicht-Einmischungsprinzip müssten "in Frage gestellt" werden. Grundlegende Prinzipien des Völkerrechts und der UN-Satzung "wie das Souveränitätsprinzip, Nichteinmischungsgebot und das Selbstbestimmungsrecht" bedürfen einer "Fortentwicklung" ("Informationen für die Truppe" (11/93)). Wo Militärs sich so offen ausdrücken, da durften die Herren des großen Geldes nicht fehlen. Im "Kurz-Nachrichtendienst der Arbeitgeberverbände" (KND Nr. 89/93) werden die Kriegseinsätze eindeutig gegen die Wanderungsbewegungen gerichtet. Man müsse die Flüchtlinge in den Herkunftsländern halten, und zwar indem "militärische Einsätze wie in Somalia nicht ausgeschlossen werden".

Und auch Einsätze im eigenen Land wurden wieder denkbar: "Im Zeitalter weltweiter Wanderbewegungen und internationalem Terrorismus" verwischten zunehmend die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit. Das schrieb schon 1994 der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble (CDU) (lt. "Spiegel" vom 3.1.94), um zu fordern, dass die Bundeswehr auch bei größeren Sicherheitsbedrohungen im Innern "notfalls zur Verfügung stehen sollte".

Lebhaft wurde die Traditionsfrage erörtert, wenn auch nicht öffentlich. Harald Rettelbach, früher Direktor des Nato-Pressezentrums in Brüssel und heute hoher Reserveoffizier, stellt gern die rhetorische Frage: "Soll ich etwa die verdammen, die mir das Handwerkszeug beigebracht haben? Sie sind ja gerichtlich nicht verurteilt worden." So hörte ich es ihn sagen. Als Journalist habe ich oft solche Aussprüche gehört, ich habe mich damals oft in der Bundeswehr umgesehen.

Ausgerüstet mit dieser Tradition und diesem Handwerkzeug ging die Bundeswehr in ihre Auslandseinsätze. Und ihre Veteranen mischen sich nicht nur in die Geschichtspolitik mit ihren Reinwaschungsversuchen ein, sondern machen auch gemeinsam mit Verband Deutscher Soldaten, Fallschirmjäger-Reservisten und Verband der Reservisten handfeste Militärpolitik. Sie wollen nicht nur die Vergangenheit verklären, sondern auch unsere Zukunft militärisch gestalten. Die Konzepte dazu wurden früh geschaffen. Auf einer wichtigen Tagung, bei der dies geschah, war ich dabei.

Auf einem "Fürstenfeldbrucker Symposium für Führungskräfte aus Bundeswehr und Wirtschaft", im September 1991 veranstaltet von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundeswehr, wurde offensiv die "neue sicherheitspolitische Rolle Deutschlands" eingefordert. Ich habe an dieser internen Tagung teilgenommen und später das Protokoll (bbw-Dokumentationsreihe Nr. 20 des Bildungswerkes der Bayerischen Wirtschaft) eingesehen. Nachfolgend vergleicht er die 13 Festlegungen der Tagung mit der Realität von heute am Beginn des Jahres 1999.

Es war die Zeit, da eine neue offensive Militärkonzeption für das neue Deutschland jenseits der Militärdoktrin der Blockkonfrontation von den Militärs und der Rüstungsindustrie entworfen wurde, während die Öffentlichkeit damit rechnete, eine Friedensdividende zu erlangen. Doch nicht die Umverteilung aus dem Rüstungshaushalt zugunsten der Bewältigung von ökologischen und sozialen Aufgaben standen auf der Tagesordnung der Militärs und der Manager, sondern ein Rüstungsetat auf hohem Niveau mit "weniger Personal und mehr Technik", wie es Ursula von Haeften vom Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft beim Fürstenfeldbrucker Symposium formulierte.

Gefordert wurde 1991 von den Managern, Generälen und CDU-Politikern:

1. Deutschland muß nun endlich "normal" werden und sich als stärkstes Land Europas als "Macht" begreifen, die Verantwortung übernimmt, ohne eine "Sonderrolle" zu spielen, allerdings sei "Partnership in leadership" (US-Präsident Bush) gefragt. (So Verteidigungsminister a.D. Rupert Scholz, CDU, auf dem Symposium)

Hingegen war dies Anfang der neunziger Jahre Konsens von der Friedensbewegung bis zu Grünen und der SPD: Deutschlands Geschichte verbietet es, wieder als militärische Großmacht aufzutreten. Heute ist Deutschland eine "normale" große Macht, die eine Sonderrolle wie Großbritannien, USA und Frankreich spielt.

2. Deutschland muß UNO-Militäraktionen unterstützen und mit Truppen daran teilnehmen. (Scholz 1991 in Fürstenfeldbruck)

Keine Kampfeinsätze, allenfalls UNO-Blauhelmeinsätze, sagten damals SPD und Grüne. Heute ist Deutschland bei jeder UNO-Militäraktion "im deutschen Interesse" (Verteidigungspolitische Richtlinien) dabei.

3. Der NATO-Vertrag soll geändert werden, damit die NATO auch als Nordatlantikpakt an anderen Meeren "out of aerea" tätig werden kann. Legitimierungen für den Waffeneinsatz können auch von westeuropäischen Zusammenschlüssen und von der KSZE (heute OSZE) kommen. (Scholz 1991)

Anstelle der NATO und des Warschauer Vertrages soll ein Gesamteuropäisches Sicherheitssystem treten, sagten einst SPD und Grüne. Heute wird der immer mehr erweiterte NATO-Auftrag und die weitere Vergrößerung der NATO betrieben. Es gibt die militärische Selbstmandatierung der NATO anstelle des Gewaltmonopols der UNO - und es wird die Mandatierung für Kriegseinsätze durch die EU vorbereitet (Stichwort Europäische Verteidigungsidentität). Der "militärische Arm" der EU wird geschaffen.

4. Deutsche Auslandseinsätze sind ohne Änderung des Grundgesetzes möglich. (Scholz 1991)

Sie sollten gerade nicht möglich sein, war Konsens Anfang der 90er Jahre. Mittels der vom Parlament geduldeten Uminterpretierung des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht und unter Druck des illegalen Generalstabs sind sie möglich geworden. Das Bundesverfassungsgericht hatte am 12. 7. 1994 entschieden, dass Bundeswehreinsätze "out of area" nicht zwingend grundgesetzwidrig seien, eine Zweidrittel Mehrheit des Bundestages sei nicht erforderlich, sondern die Behandlung und Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit durch den Bundestag, und zwar nur im Rahmen von gegenseitigen kollektiven Sicherheitssystemen. (Ohne je an die Wiederbewaffnung zu denken, hatten die Väter und Mütter des Grundgesetzes 1949 den Artikel 24, 2 formuliert: Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen". Das Grundgesetz enthielt 1949 - abgesehen vom Verbot der Vorbereitung und Führung von Angriffskriegen und dem Recht auf Kriegsdienstverweigerung - keine militärischen Bestimmungen. Betont wurde in Artikel 25, dass "die allgemeinen Regeln des Völkerrechts … Bestandteile des Bundesrechts" sind, und Vorrang vor den deutschen Gesetzen haben." Das heißt: Das Gewaltmonopol der UNO-Charta und doie Verpflichtung zum Frieden sind gültig.)

5. Zu schaffen ist ein Sicherheitsrat für Europa anstelle des Weltsicherheitsrats. Keine politische Union ohne "europäische Sicherheitsunion" (Scholz 1991).

An die Stelle des Weltsicherheitsrates mit seinem Gewaltmonopol gemäß UNO-Charta ist mit dem 16. Oktober 1998, dem Vorrats-Beschluß des Bundestages über die Selbstmandatierung der NATO in Sachen Kosovo und den Einsatz der Bundeswehr gegen Serbien, der Nordatlantikpakt NATO getreten. Die EU wird zur "europäischen" NATO ausgebaut.

6. Neben die unmittelbare Verteidigung tritt die Aufgabe der internationalen Teilhabe der Deutschen mit gut ausgerüsteten Eingreiftruppen. (BDA-Sprecher Hermann Linke 1991 in Fürstenfeldbruck)

Gut ausgerüstete Eingreiftruppen der Bundeswehr sind in Gestalt der Krisenreaktionskräfte und des Kommandos Spezialkräfte (KSK) geschaffen worden.

7. UNO, europäische Gremien oder NATO sollen Militäreinsätze auch gegen den Willen der Betroffenen, etwa gegen Jugoslawien, durchführen, um das Selbstbestimmungsrecht, wozu auch die Sezession gehört, mit Waffengewalt zu erzwingen. (So Scholz 1991). In diesem Zusammenhang sagte Scholz in Fürstenfeldbruck weiter: Nach Überwindung der wichtigsten Folgen des zweiten Weltkrieges "sind wir heute damit befaßt, noch die Folgen des Ersten Weltkrieges zu bewältigen". Scholz ging es um die Zerstörung Jugoslawiens. "Jugoslawien ist als Folge des ersten Weltkrieges eine sehr künstliche, mit dem Selbstbestimmungsgedanken nie vereinbar gewesene Konstruktion", sagte er. Kroatien und Slowenien müßten anerkannt werden, "dann handelt es sich im Jugoslawienkonflikt nicht mehr um ein innenpolitisches Problem Jugoslawiens, in das international nicht interveniert werden dürfe."

Genau so ist es geschehen, genauso kam es zum Krieg auf dem Balkan. Dann ging es der NATO - unterstützt von der Bundesregierung - um die Zerstörung Restjugoslawiens. Alles lief im Kosovokonflikt darauf hinaus: Es wurde die OSZE vor eine unlösbare Aufgabe im Kosovo gestellt, wie einst die UNO-Blauhelme. Die NATO scheine "ja gerade darauf zu warten," eine militärische Intervention umsetzen zu können," klagt der CDU-Politiker Willy Wimmer, Vizepräsident der OSZE-Versammlung. (SZ, 30. 12. 98)

8. Die Sicherheitspolitik hat sich einzustellen auf die Gefährdung der Werte der westlichen Gemeinschaft, die mögliche Verweigerung strategischer Rohstoffe, die Massenauswanderung nach dem Westen. (Brigadegeneral Peter Vogler, Luftwaffe, 1991 in Fürstenfeldbruck)

Die Abwehr gegen Flüchtlingsströme bei gleichzeitigem Griff nach den Rohstoffen und Handelswegen in aller Welt (Verteidigungspolitische Richtlinien) ist zum Kern der deutschen Militärdoktrin geworden. SPD und Grüne stellen diese Doktrin nicht in Frage. Die "Werte" der westlichen Gemeinschaft sind in den Mittelpunkt der Sicherheitspolitik der Regierung gerückt.

9. Umstrukturierung der Bundeswehr, die kleiner wird, was durch Kaderung, d.h. schnelle Einbeziehung der Reservisten, und durch Vergabe von Instandhaltungsaufgaben in den zivilen Sektor ausgeglichen wird. (General Vogler 1991)

Dies wurde mit mehreren Reformschritten angegangen; derzeit gibt es wieder eine Reform mit sehr tiefen Einschnitten. Aber das vorgenannte Prinzip wird angewendet.

10. Man wolle keine Marktwirtschaft, sondern staatliche Planwirtschaft auf dem Rüstungssektor, d.h. Weiterentwicklung von Forschung und Technologie mit den Mitteln des Verteidigungshaushalts. (Ministerialdirigent Norbert Roy, Beschaffer im Bundesverteidigungsministerium 1991 auf dem Symposium)

Das Beschaffungsprogramm wird von der Regierung durchgesetzt. Die Bevölkerung wird um die Friedensdividende betrogen.

11. Akzeptanz von Rüstung und Einsatz der Truppe durch den Steuerzahler. Sicherung der "Waffenbereitschaft" der Bürger. (Einleitung und Resümee der Tagung)

Das Arbeitsplatz-Argument (Kampf um jeden Arbeitsplatz in der Rüstungsindustrie) und die Menschenrechtsdemagogie haben zur Akzeptanz von Rüstung und Kriegseinsätzen bei weiten Teilen der deutschen Bevölkerung geführt.

12. Ein neues Geschichtsbild ohne die Betonung der Jahre 1933 bis 1945; "Auschwitz und Holocaust" dürfen nicht länger gegen das Selbstbewußtsein der Deutschen "instrumentalisiert" werden. (So mehrere Manager) Anstelle der "Bedrohung aus dem Osten" als Rechtfertigung müssen "Nation und Vaterland" und die deutsche "Souveränität" als Begründung für die Bundeswehr treten. (Scholz auf dem Symposium)

Die Betonung auf das "Normalwerden" der Deutschen führte zur Ablenkung von der deutschen Vergangenheit. Deutschland wird so "normal" wie seine Nachbarn - und die, so die deutschen Stammtische und immer mehr Medien, werden auch nicht mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Wo Strauß forderte, wir sollten aus dem Schatten von Auschwitz heraustreten, so wird nun gehandelt. In der Bundeswehr etablieren sich neue Nazis auf den Schultern der alten, die mit Traditionsverbänden der Wehrmacht die politische Ausrichtung der Truppe fest im Griff haben. Sogar die selbst eingestandenen rechtsextremistischen "Einzelfälle" in der Truppe blieben stets auf hohem Niveau. Nie aufgeklärt wurden die Wirkungen der Aufrufe der Neonazis, unerkannt als junge "Nationale" zum Bund zu gehen und sich für kommende Kämpfe an der Waffe ausbilden zu lassen. Nach Antisemiten und Nazifans wie Fritsch und Mackensen und vielen anderen sind noch immer Kasernen benannt.

13. Einführung einer allgemeinen militärischen und sozialen Dienstpflicht für alle Frauen und Männer. (Resümee der Tagung)

Dies ist der einzige Punkt aus dem Jahre 1991, der bisher noch nicht auf dem Wege der Verwirklichung ist. Aber es wird daran gearbeitet. Schon seit langem kommt aus dem Entwicklungshilfeministerium der Vorschlag zur Schaffung eines Entwicklungshilfedienstes, und der niedersächsische Innenminister sagt: ….

Die Dienstverpflichtung aller wird somit zur Lösung - allein schon aus Gründen der "Wehrgerechtigkeit". So wird es heißen. Und die neue Koalition wird zustimmen.

Wie weiter? Wie wär's mal mit dem Grundgesetz?

Zitat Nr. 1

Die Kriegsvorbereitung begann schon zu Zeiten der Demokratie

Die dpa verbreitete am 5. März 1997 folgende Notiz:

"Das deutsche Militär hat sich seit 1925 aktiv auf einen Zweiten Weltkrieg vorbereitet. Dies wird nach Informationen der Zeitung Die Zeit durch ein bislang geheimes Dokument belegt. Danach habe sich das deutsche Militär lange vor Hitler mit konkreten Aufrüstungsplänen für ein Kriegsheer beschäftigt. Das mehrere hundert Seiten umfassende Dokument habe über Jahre im Pentagon gelagert und sei von einem Hamburger Privatforscher im Nationalarchiv in Washington entdeckt worden.

Auf Betreiben des Chefs der Heeresleitung, General Hans von Seeckt, sei sieben Jahre nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg mit der Planung für eine Kriegsarmee begonnen worden. Seeckt habe dem Truppenamt die Planungsaufgabe gestellt, ein Kriegsheer mit bis zu drei Millionen Mann aufzustellen. Die 102 Divisionen, die bei Kriegsbeginn 1939 bereitstanden, seien bereits damals detailliert geplant worden. Nur durch diese Vorbereitung habe Hitler binnen sechs Jahren die stärkste Landmacht des Kontinents bilden können. Einer der Verfasser, der ehemalige Generalleutnant Walter Behschnitt, habe die Arbeit später als das ‚Geheimste vom Geheimen' eingestuft." (nach FR 6.3.97)

 

Zitat Nr. 2

Aus dem letzten Wehrmachtsbericht des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) vom 9. Mai 1945

Seit Mitternacht schweigen nun an allen Fronten die Waffen. Auf Befehl des Großadmirals hat die Wehrmacht den aussichtslos gewordenen Kampf eingestellt. Damit ist das fast sechsjährige heldenhafte Ringen zu Ende. Es hat uns große Siege, aber auch schwere Niederlagen gebracht. Die deutsche Wehrmacht ist am Ende einer gewaltigen Übermacht ehrenvoll unterlegen. Der deutsche Soldat hat, getreu seinem Eid, im höchsten Einsatz für sein Volk für immer Unvergeßliches geleistet. Die Heimat hat ihn bis zuletzt mit allen Kräften unter schwersten Opfern unterstützt. Die einmalige Leistung von Front und Heimat wird in einem späteren gerechten Urteil der Geschichte ihre endgültige Würdigung finden. Den Leistungen und Opfern der deutschen Soldaten zu Wasser, zu Lande und in der Luft wird auch der Gegner die Achtung nicht versagen. Jeder Soldat kann deshalb die Waffen aufrecht und stolz aus der Hand legen und in den schwersten Stunden unserer Geschichte tapfer und zuversichtlich an die Arbeit gehen für das ewige Leben unseres Volkes.

Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer im Dezember 1952 vor dem Bundestag:

Ich möchte heute vor diesem Hohen Hause im Namen der Bundesregierung erklären, dass wir alle Waffenträger unseres Volkes, die im Rahmen der hohen soldatischen Überlieferungen ehrenhaft zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft gekämpft haben, anerkennen. Wir sind überzeugt, dass der gute Ruf und die große Leistung des deutschen Soldaten trotz aller Schmähungen während der vergangenen Jahre in unserm Volke noch lebendig sind und auch noch bleiben werden.

Zitat Nr. 3

Von der Inneren Führung zur Kriegsführung a la Kundus

Dem Konzept Graf Wolf von Baudissins, dem Konzept der Inneren Führung - dem Konzept des Staatsbürgers in Uniform, der sich gegen gesetzwidrige Befehle wehrt, der Offenheit und Pluralität, der öffentlichen Transparenz, der Rechtsstaatlichkeit - standen von Anfang die gepflegten Wehrmachtstraditionen entgegen.

"Besonders der zivile Oberbefehl, die Verpflichtung des Soldaten zum Widerstand gegen verbrecherische Befehle oder das demokratisch gesicherte Beschwerderecht waren Aspekte der Reform, die direkt mit den Ansichten und Praktiken der ehemaligen Wehrmachtsoffiziere kollidierten." (Norbert Frei "Karrieren im Zwielicht - Hitlers Eliten nach 1945", S. 156, Frankfurt Main 2002)

In Coesfeld wurden vor nicht langer Zeit Rekruten der Folter unterworfen - und niemand beschwerte sich. In Kundus hat sich am 4. September 2009 kein Soldat gegen den Massenmordbefehl gewendet, es wurde sogar ein Massenmordbefehl von Seiten eines Bundeswehroffiziers erteilt, und niemand in der Bundeswehrhierarchie hält das für den schreienden Gegensatz zur Inneren Führung. Und zugleich wird daran gearbeitet, eine Bundeswehrreform herbeizuführen, die den Oberbefehl wieder an einen General gibt.

Heeresinspekteur Albert Schnez forderte 1969 "die Umformung der zivilen Gesellschaft an Haupt und Gliedern" nach militärischem Vorbild, die völlige Abkehr von der Inneren Führung und vom Friedensgebot. ("Karrieren im Zwielicht…" S. 168)

1969 räumte General Grashey ein, die Innere Führung sei nur eine Maske gewesen, hinter der man sich habe verstecken müssen, um die Zustimmung der SPD zum Wehrbeitrag zu erhalten. ("Karieren im Zwielicht…" S. 168)

Heute versteht sich die Bundeswehr als eine Armee im bewaffneten weltweiten Einsatz. Zu diesem Zweck wurde sie transformiert. In der Bundeswehrzeitschrift "Y", Mai 09, schreibt der Chefredakteur, die Transformation der Bundeswehr war erfolgreich und hält an. Die Transformation der Gesellschaft nach dem Bilde der Bundeswehr ebenfalls: "Auch wenn es noch Betonköpfe vergangener Zeiten gibt, kann man feststellen, dass die Transformation der deutschen Gesellschaft gelungen ist."

Zitat Nr. 4

Generalleutnant Werner von Scheven, Vizechef der in die ehemalige DDR eingezogenen Bundeswehrtruppen am 3. Oktober 1990 in Straußberg

"Die Leistungsfähigkeit der Soldaten der Bundeswehr und ihrer Waffen soll nach unserer Überzeugung nicht hinter den Leistungen der Wehrmacht zurückstehen. Ich glaube sagen zu können, dass sich die Bundeswehr mit ihrer Leistung hinter früheren deutschen Armeen nicht zu verstecken braucht." … "herausragende soldatische Leistungen" von Wehrmachtsoffizieren müssten "Maßstab für die Leistungen der Bundeswehr sein." ("loyal 12/90).

Zitat Nr. 5

Der Begründer der "neuen Bundeswehr", Generalinspekteur Klaus Naumann, im "Spiegel" 3/93

"Es gibt nur noch zwei Währungen in der Welt: Wirtschaftliche Macht und die militärischen Mittel, sie durchzusetzen".

Bundesverteidigungsminister Guttenberg laut ZDF vom 9. 11. 10:

"Die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands müssen notfalls auch militärisch gesichert werden."

Aus den Verteidigungspolitischen Richtlinien 1992

"In den Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehrführung von 1992, gebilligt von allen Bundesregierungen seitdem, heißt es zu den wichtigsten Aufgabe der "neuen" Bundeswehr: "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt" Die Kriegsziele der Bundeswehr wurden von Horst Köhler völlig zutreffend geschildert." (aus einem Leserbrief in der Westfälischen Rundschau, 12. 11. 10)

Zitat Nr. 6

Alle deutschen Kriegsbeteiligungen verstoßen gegen das Grundgesetz

Ein Kommentar aus der Süddeutschen Zeitung vom 25. Januar 2010 lautet auszugsweise: "Zu den Grundfragen, die der Afghanistan-Krieg aufwirft gehört die Frage nach der verfassungsrechtlichen Grundlage solcher Einsätze. Das Grundgesetz ist der blinde Spiegel der Bundeswehr. Die deutsche Armee schaut hinein, sie sieht sich aber nicht mehr. Die Bundeswehr im Sinn des Grundgesetzes ist Vergangenheit, es gibt sie nicht mehr. Von der neuen Bundeswehr aber findet sich in der Verfassung kein Wort. Die Bundeswehr steht nicht mehr auf dem Boden des geschriebenen Grundgesetzes - die Panzer im Auslandseinsatz rollen an der Verfassung vorbei, die Flugzeuge donnern darüber hinweg. Der Verteidigungsminister müsste heute, streng genommen, Kriseninterventionsminister heißen. Das Grundgesetz sollte aber doch, ja es muss ein Vademecum sein für alle Staatsbürger in Uniform. Die Antworten auf fundamentale Fragen der Nation, die Antwort auf die Fragen, in denen es um die Staatsgewalt im Wortsinn, um Leben und Tod geht, die müssen in der Verfassung stehen." (Heribert Prantl SZ, 25. 01.10)