18.10.2010
CDU-Politiker finden sich mit der Aussetzung der
Wehrpflicht nicht ab – und fordern ihre Ausweitung -
Statt Wehrpflicht für einen
Teil der männlichen jungen Generation nun Zwangsdienstpflicht für
alle
Die Zeitungen der WAZ-Gruppe berichten heute in
großer Aufmachung: „CDU-Landesminister fordert
Heimatschutzpflicht“ (siehe http://www.presseportal.de/pm/55903/1700546/westdeutsche_allgemeine_zeitung
und http://www.derwesten.de/nachrichten/politik/CDU-Landesminister-fordert-Heimatschutzpflicht-id3616389.html)
Dies war seit 1991 zu erwarten, als die Bundeswehr
auf Tagungen über die Zukunft des Militarismus und der deutschen
Kriege entsprechendes verlangte. Im Juni 1999 hat die VVN-BdA von
Ulrich Sander die Broschüre veröffentlicht „Die Bundeswehr im
Kriegseinsatz - Der dritte Feldzug gegen Serbien“. Darin heißt
es:
Auf einem „Fürstenfeldbrucker Symposium für
Führungskräfte aus Bundeswehr und Wirtschaft“, im September 1991
veranstaltet von der Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände und der Bundeswehr, wurde eine „neue
sicherheitspolitische Rolle Deutschlands“ eingefordert. Der Autor
hat an dieser internen Tagung teilgenommen und später das Protokoll
(bbw-Dokumentationsreihe Nr. 20 des Bildungswerkes der Bayerischen
Wirtschaft) eingesehen. Nachfolgend vergleicht er die 13
Festlegungen der Tagung mit der Realität am Beginn des Jahres 1999.
Bitte besonders Punkt 13 beachten.
Was unter “Deutschland normal“
verstanden wird
1991: Rüstungsindustrie und
Militärs legen den Kurs fest
1999: Bis auf einen wurde alle
Punkte erfüllt.
Auf einem „Fürstenfeldbrucker Symposium für Führungskräfte
aus Bundeswehr und Wirtschaft“, im September 1991 veranstaltet von
der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der
Bundeswehr, wurde eine „neue sicherheitspolitische Rolle
Deutschlands“ eingefordert. Der Autor hat an dieser internen
Tagung teilgenommen und später das Protokoll (bbw-Dokumentationsreihe
Nr. 20 des Bildungswerkes der Bayerischen Wirtschaft) eingesehen.
Nachfolgend vergleicht er die 13 Festlegungen der Tagung mit der
Realität am Beginn des Jahres 1999.
Es war die Zeit, da eine neue offensive Militärkonzeption für
das neue Deutschland jenseits der Militärdoktrin der
Blockkonfrontation von den Militärs und der Rüstungsindustrie
entworfen wurde, während die Öffentlichkeit damit rechnete, eine
Friedensdividende zu erlangen. Doch nicht die Umverteilung aus dem
Rüstungshaushalt zugunsten der Bewältigung von ökologischen und
sozialen Aufgaben standen auf der Tagesordnung der Militärs und der
Manager, sondern ein Rüstungsetat auf hohem Niveau mit „weniger
Personal und mehr Technik“, wie es Ursula von Haeften vom
Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft beim Fürstenfeldbrucker
Symposium formulierte.
Gefordert wurde 1991 von den
Managern, Generälen und CDU-Politikern:
1. Deutschland muß nun endlich „normal“ werden und sich
als stärkstes Land Europas als „Macht“ begreifen, die
Verantwortung übernimmt, ohne eine „Sonderrolle“ zu spielen.
Allerdings geht es doch um eine Sonderrolle, denn Deutschland ist
zur „Partnership in leadership“ (US-Präsident Bush) aufgerufen.
(So Verteidigungsminister a.D. Rupert Scholz, CDU, auf dem
Symposium)
Hingegen war dies Anfang der neunziger Jahre Konsens von der
Friedensbewegung bis zu Grünen und der SPD: Deutschlands Geschichte
verbietet es, wieder als militärische Großmacht aufzutreten. Acht
Jahre später ist Deutschland eine „normale“ große Macht, die
eine Sonderrolle wie Großbritannien, USA und Frankreich spielt. Die
Generäle und nicht die SPD und Grünen haben sich durchgesetzt.
2. Deutschland muß UNO-Militäraktionen unterstützen und mit
Truppen daran teilnehmen. (Scholz 1991 in Fürstenfeldbruck)
Keine Kampfeinsätze, allenfalls UNO-Blauhelmeinsätze, sagten
damals SPD und Grüne. Heute ist Deutschland bei jeder
UNO-Militäraktion „im deutschen Interesse“
(Verteidigungspolitische Richtlinien) dabei.
3. Der NATO-Vertrag soll geändert werden, damit die NATO auch
als Nordatlantikpakt an anderen Meeren „out of aerea“ tätig
werden kann. Legitimierungen für den Waffeneinsatz können auch von
WEU und KSZE (heute OSZE) kommen. (Scholz 1991)
Anstelle der NATO und des Warschauer Vertrages soll ein
Gesamteuropäisches Sicherheitssystem treten, sagten einst SPD und
Grüne. Heute wird der erweiterte NATO-Auftrag und die
Vergrößerung der NATO betrieben - gegen Rußland. Es gibt die
militärische Selbstmandatierung der NATO anstelle des
Gewaltmonopols der UNO - und es wird die Mandatierung für
Kriegseinsätze durch die WEU vorbereitet (so die Pläne von Fischer
und Scharping unter dem Stichwort Europäische
Verteidigungsidentität). Der „militärische Arm“ der EU wird
geschaffen. Scharping: Der „WEU erlauben, eigene Operationen
durchzuführen - und zwar unter Nutzung der NATO-Struktur.“ Der
NATO-Gipfel im April 1999 wird eine neue Nato-Strategie
beschließen. Diese sieht vor, daß die Nato auch ohne UN-Beschluß
jederzeit in allen Krisengebieten der Welt eingesetzt werden kann.
4. Deutsche Auslandseinsätze sind ohne Änderung des
Grundgesetzes möglich. (Scholz 1991)
Sie sollten gerade nicht möglich sein, war Konsens Anfang der
90er Jahre. Mittels der vom Parlament geduldeten Uminterpretation
des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht und unter Druck
des illegalen Generalstabs sind sie möglich geworden.
5. Zu schaffen ist ein Sicherheitsrat für Europa anstelle des
Weltsicherheitsrats. Keine politische Union ohne „europäische
Sicherheitsunion“ (Scholz 1991).
An die Stelle des Weltsicherheitsrates mit seinem Gewaltmonopol
gemäß UNO-Charta ist mit dem 16. Oktober 1998, dem
Vorrats-Beschluß des Bundestages über die Selbstmandatierung der
NATO in Sachen Kosovo und den Einsatz der Bundeswehr gegen Serbien,
der Nordatlantikpakt NATO getreten. (Nebenbei: Nie sollte es
Vorratsbeschlüsse für Bundeswehreinsätze geben; auch so ein
heiliges Prinzip der SPD/Grünen, das heute mit Füßen getreten
wird.) Die WEU wird zur „europäischen“ NATO ausgebaut. Mit
seiner letzten Sitzung hat der 14. Bundestag das Ende der
Unterwerfung der Deutschen unter die UNO-Charta beschlossen - „Bruch
der UNO-Charta“ wäre verharmlosend ausgedrückt. Das wird auch
nicht dadurch geheilt, daß die neue Regierung in ihrem rot-grünen
Koalitionspapier viel von der Stärkung der UNO und ihres
Gewaltmonopols spricht. Mit zwei weiteren Beschlüssen zur
Entsendung von Kampftruppen und Material nach Mazedonien - zur
Abstützung des Beschlusses vom 16.Oktober - hat die
Bundestagsmehrheit gezeigt, daß sie nicht willens ist, zum
Gewaltmonopol der UNO zurückzukehren.
6. Neben die unmittelbare Verteidigung tritt die Aufgabe der
internationalen Teilhabe der Deutschen mit gut ausgerüsteten
Eingreiftruppen. (BDA-Sprecher Hermann Linke 1991 in
Fürstenfeldbruck)
Gut ausgerüstete Eingreiftruppen der Bundeswehr sind in Gestalt
der Krisenreaktionskräfte und des Kommandos Spezialkräfte (KSK)
geschaffen worden. Die Opposition der SPD und Grünen gegen KSK
bestand nach der Bundestagswahl nur noch eine abstrakte Sekunde
lang. Zudem wurde das Prinzip, keine Vorratsbeschlüsse zu fassen,
aufgegeben: Ohne aktualisierte Bundestagsbeschlüsse kann ein „Vorratsbeschluß“
verwirklicht werden.
7. UNO, WEU oder NATO sollen Militäreinsätze auch gegen den
Willen der Betroffenen, etwa gegen Jugoslawien, durchführen, um das
Selbstbestimmungsrecht, wozu auch die Sezession gehört, mit
Waffengewalt zu erzwingen. So Scholz 1991. In diesem Zusammenhang in
Fürstenfeldbruck weiter: Nach Überwindung der wichtigsten Folgen
des zweiten Weltkrieges „sind wir heute damit befaßt, noch die
Folgen des Ersten Weltkrieges zu bewältigen“. Scholz ging es um
die Zerstörung Jugoslawiens. „Jugoslawien ist als Folge des
ersten Weltkrieges eine sehr künstliche, mit dem
Selbstbestimmungsgedanken nie vereinbar gewesene Konstruktion“,
sagte er. Kroatien und Slowenien müßten anerkannt werden, „dann
handelt es sich im Jugoslawienkonflikt nicht mehr um ein
innenpolitisches Problem Jugoslawiens, in das international nicht
interveniert werden dürfe.“
Genau so ist es geschehen, genauso kam es zum Krieg auf dem
Balkan. Auch heute geht es der NATO - unterstützt von der heutigen
Bundesregierung - offenbar um die Zerstörung Restjugoslawiens.
Alles läuft im Kosovokonflikt darauf hinaus: Es wurde die OSZE vor
eine unlösbare Aufgabe im Kosovo gestellt, wie einst die
UNO-Blauhelme. Die NATO scheine „ja gerade darauf zu warten,“
eine militärische Intervention umsetzen zu können,“ klagt sogar
der CDU-Politiker Willy Wimmer, Vizepräsident der OSZE-Versammlung.
(SZ, 30. 12. 98)
8. Die Sicherheitspolitik hat sich einzustellen auf die
Gefährdung der Werte der westlichen Gemeinschaft, die mögliche
Verweigerung strategischer Rohstoffe, die Massenauswanderung nach
dem Westen. (Brigadegeneral Peter Vogler, Luftwaffe, 1991 in
Fürstenfeldbruck)
Die Abwehr gegen Flüchtlingsströme bei gleichzeitigem Griff
nach den Rohstoffen und Handelswegen in aller Welt
(Verteidigungspolitische Richtlinien) ist zum Kern der deutschen
Militärdoktrin geworden. SPD und Grüne stellen diese Doktrin nicht
in Frage. Die „Werte“ der westlichen Gemeinschaft sind in den
Mittelpunkt der Sicherheitspolitik der neuen Regierung
(Koalitionsvertrag) gerückt.
9. Umstrukturierung der Bundeswehr, die kleiner wird, was
durch Kaderung, d.h. schnelle Einbeziehung der Reservisten, und
durch Vergabe von Instandhaltungsaufgaben in den zivilen Sektor
ausgeglichen wird. (General Vogler 1991)
Die Schaffung einer neuen Strategie und Struktur der Bundeswehr
ist weitgehend abgeschlossen und soll auch von der neuen
Regierungsmehrheit nicht in Frage gestellt werden. Es fehlt noch die
nötige Ausrüstung. Die Einsetzung einer Wehrstrukturkommission,
die zwei Jahre nichts verändern darf, führt dazu, daß auch
später nichts verändert werden kann: Die Beschaffungspläne sind
dann nicht mehr rückholbar. Die Beibehaltung der Wehrpflicht dient
vor allem der Beibehaltung der gegenwärtigen Truppenstärke („stehendes
Heer“, wie der Außen-Staatsminister Volmer es richtig nannte) von
340.000 Mann plus 400.000 Reservisten.
10. Man wolle keine Marktwirtschaft, sondern staatliche
Planwirtschaft auf dem Rüstungssektor, d.h. Weiterentwicklung von
Forschung und Technologie mit den Mitteln des
Verteidigungshaushalts. (Ministerialdirigent Norbert Roy, Beschaffer
im Bundesverteidigungsministerium 1991 auf dem Symposium)
Das Beschaffungsprogramm wird auch von der neuen Regierung
durchgesetzt. Die Bevölkerung wird erneut um die Friedensdividende
betrogen.
11. Akzeptanz von Rüstung und Einsatz der Truppe durch den
Steuerzahler. Sicherung der „Waffenbereitschaft“ der Bürger.
(Einleitung und Resümee der Tagung)
Das Arbeitsplatz-Argument (Kampf um jeden Arbeitsplatz in der
Rüstungsindustrie) und die Menschenrechtsdemagogie (Rettung der
Menschen auf dem Balkan - nicht aber der Kurden oder der bedrohten
Menschen in Afrika! „Rettung“ der Menschen auf dem Balkan, indem
sie als Flüchtlinge per Abschiebung an den Kriegsschauplatz
deportiert werden) haben zur Akzeptanz von Rüstung und
Kriegseinsätzen bei weiten Teilen der deutschen Bevölkerung
geführt.
12. Ein neues Geschichtsbild ohne die Betonung der Jahre 1933
bis 1945; „Auschwitz und Holocaust“ dürfen nicht länger gegen
das Selbstbewußtsein der Deutschen „instrumentalisiert“ werden.
(So mehrere Manager) Anstelle der Bedrohung aus dem Osten müssen
„Nation und Vaterland“ und die deutsche „Souveränität“ als
Begründung für die Bundeswehr treten. (Scholz auf dem Symposium)
Die Betonung auf das „Normalwerden“ der Deutschen führte zur
Ablenkung von der deutschen Vergangenheit. Deutschland wird so „normal“
wie seine Nachbarn - und die, so die deutschen Stammtische und immer
mehr Medien, werden auch nicht mit ihrer Vergangenheit konfrontiert.
Wo Strauß forderte, wir sollten aus dem Schatten von Auschwitz
heraustreten, sagt jetzt Martin Walser ähnliches. Und kein
Aufschrei bei den Grünen und der SPD, allenfalls bei Ignatz Bubis.
In der Bundeswehr etablieren sich neue Nazis auf den Schultern der
alten, die mit Traditionsverbänden der Wehrmacht die politische
Ausrichtung der Truppe fest im Griff haben. Sogar die selbst
eingestandenen rechtsextremistischen „Einzelfälle“ in der
Truppe sind von 200 im Jahre 1997 auf 300 im Jahre 1998 - dem Jahr
des Untersuchungsausschusses des Parlaments zum Rechtsextremismus in
der Bundeswehr - gestiegen. Nie aufgeklärt wurden die Wirkungen der
Aufrufe der Neonazis, unerkannt als junge „Nationale“ zum Bund
zu gehen und sich für kommende Kämpfe an der Waffe ausbilden zu
lassen. Nach Antisemiten und Nazifans wie Fritsch und Mackensen und
vielen anderen sind noch immer Kasernen benannt.
13. Einführung einer allgemeinen militärischen und sozialen
Dienstpflicht für alle Frauen und Männer. (Resümee der Tagung)
Dies ist der einzige Punkt aus dem Jahre 1991, der bisher noch
nicht auf dem Wege der Verwirklichung ist. Aber es wird daran
gearbeitet. Wer die Wehrpflicht erhalten will, wie es sich die neue
Bundesregierung vorgenommen hat, wird vor die Frage gestellt werden,
wie das ohne Aufstockung der Truppenstärke und der Dienstzeit
geschehen soll. Schon kommt aus dem SPD-geführten
Entwicklungshilfeministerium der Vorschlag zur Schaffung eines
Entwicklungshilfedienstes. Die Dienstverpflichtung aller wird somit
zur Lösung - allein schon aus Gründen der „Wehrgerechtigkeit“.
So wird es heißen. Und die neue Koalition wird zustimmen.
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