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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

02.10.2010

Deutsche Herrschaft und ihr Personal

Zur Rechtsentwicklung heute

Die rechtspopulistische Partei entwickelt sich innerhalb des bisherigen Parteienspektrums: Und zwar durch Einigung über wichtige Elemente des Sarrazynismus und über die KSK-Kriegsführung. Die großen demokratischen Bewegungen werden ignoriert wie 1968, als die sogenannten Volksparteien sagten: Sie demonstrieren, wir regieren. So will wohl auch Frau Merkel über die Runden kommen, wie man ihrer Absage an die Stuttgart21-Opposition, an die Entwicklungsländer und an die Anti-Atom-Bewegung entnehmen kann. Notwendig bleibt eine demokratische außerparlamentarische Bewegung, damit kein antidemokratischer und unsozialer Kurs sich durchsetzt.

Eine Betrachtung von Ulrich Sander.

Deutsche Herrschaft und ihr Personal

Von Ulrich Sander

Würden die Redakteure und Medienmacher im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Integrationsdebatte einmal ins Archiv schauen - ganz hinten, wo’s noch nicht digitalisiert ist – da fänden sie aus Anfang der 90er dies: Das Asylrecht und das Ausländerproblem in allen Medien von morgens bis abends. Und Klage darüber, wie die Rechten das nutzen. Und wie sie hetzen gegen Ausländer. „Aber reden musste man ja mal darüber.“ Und dann wurde gehandelt. Am 1. Juli 1993 beschloss der Bundestag die faktische Abschaffung des Asylrechtes (Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes in der Fassung des Rep-Programms). Und so wird es wohl wieder kommen: Sarrazin zurückweisen und dann in der Politik bei ihm abschreiben. Das erleben wir derzeit sogar beim großen Sarrazinkritiker Siegmar Gabriel: Integrieren oder weggehen, sagt er.

Die Steigerung der Nichtbeachtung durch Beachtung geht dann mit der Behauptung weiter, 18 Prozent der Wähler würden eine Sarrazin-Partei wählen. Ich las es in der „BILD-Zeitung am Sonntag“, und am Montag danach beteten es alle Medien nach.

Schauen wir noch mal im Archiv nach, was alles schon mit der Zahl 18 geschah. Jahrelang hieß es, vermutlich zu recht, dass 18 Prozent der Deutschen ein antisemitisches, rechtes Weltbild hätten. Dann liefen die Neonazis mit T-Shirts mit der Nummer 18 rum (für die Buchstaben 1 und 8, d.h. für Adolf Hitler). Dann klebte sich der Westerwelle auf Geheiß des Möllemann die Zahl 18 unter die Schuhe, weil sie sich dachten, dann kriegt die FDP 18 Prozent der Stimmen, nämlich nicht nur alle, die solche T-Shirts tragen, sondern vor allem noch die heimlichen Antisemiten, die durch Möllemann auf die FDP aufmerksam gemacht worden waren. Und nun wieder 18 Prozent für Sarrazin. Soll wieder mal der rechte Bodensatz für „die Mitte“ aktiviert werden?

Als nächstes untersuchen die Medien die Frage, ob es in Deutschland überhaupt das Führungspersonal für eine Sarrazin-Partei gibt. Da wird dann wieder einiges übersehen, nicht nur, weil man nicht ins Archiv geht, sondern überhaupt das Gedächtnis abschaltet. Eine rechtspopulistische Kraft hat es in der Bundesrepublik immer gegeben, das war die CDU/CSU. Alte Nazis bekamen schöne Offizierslitzen und hohe Beamtenpositionen. Nur derjenige, der offenkundige Kriegsverbrechen begangen hatte, wurde aus der Schusslinie genommen, nicht aber aus der Partei entfernt und nicht bestraft. Das Urbild der sehr rechten Populisten war F. J. Strauß; noch heute ist es der CSU verboten, dessen Vergangenheit aufzuarbeiten. Solange die Naziszene aus alten Nazis bestand, die bis 1990 in Amt und Würden waren, bedurfte es keiner Kraft zwischen CDU/CSU und neonazistischen Organisationen, die als rechtspopulistische Kraft nicht in Frage kamen. 1993 hatten die Rechtspopulisten ihren größten Triumph, als das Asylrecht nach den „Rep“-Vorstellungen abgewickelt wurde, und 1999 waren dann die Militaristen mit dem Triumphieren dran: Deutschland führte wieder Krieg.

Es kann sein, dass nun wieder eine wirkliche rechte Kraft als Organisation gefragt sein wird. Aber zu vermuten ist eher, dass der deutsche Normalzustand wieder hergestellt wird: Die ganz rechten Elemente bestimmen von außen den Kurs der Volksparteien. Die Integrationspolitik wird nach Sarrazins Vorstellungen missgestaltet. Die großen demokratischen Bewegungen werden ignoriert wie 1968, als die Volksparteien sagten: Sie demonstrieren, wir regieren. So will wohl auch Frau Merkel über die Runden kommen, wie man ihrer Absage an die Stuttgart21-Opposition, an die Entwicklungsländer und an die Anti-Atom-Bewegung entnehmen kann. Notwendig bleibt eine demokratische außerparlamentarische Bewegung, damit kein antidemokratischer und unsozialer Sarrazynismus sich durchsetzt.

Notwendig bleibt auch eine starke antimilitaristische Bewegung. Denn die Gegenbewegungen für Krieg und Militarismus – als Bestandteil der allgemeinen Rechtsentwicklung – breiten sich immer mehr aus. Es wird kaum gefragt, was es zu bedeuten hat, dass der Bundeswehr fast überall eine Riesengelegenheit zur Selbstdarstellung mittels Panzern und anderem Tötungsmaterial geboten wird. Sogar auf dem Gelände der Landesgartenschau NRW im sauerländischen Hemer, auf dem im Zweiten Weltkrieg 25.000 Kriegsgefangene umgebracht wurden. Zum Spieleangebot auf Volksfesten trägt dann die Bundeswehr bei, ein Jahr nach der Massentötung von Kundus durch deutsche Truppen.

Während die afghanischen Kriegsopfer eben zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren, werden die deutschen „Gefallenen“ als Helden zu Grabe getragen. Im April 2010 kamen sieben Soldaten der Bundeswehr im Gefecht ums Leben. Ihr Tod wurde bei Gedenkfeiern instrumentalisiert, während die im „friendly fire“ gleichzeitig erschossenen sechs Soldaten der verbündeten afghanischen Armee während der Trauerfeier keine Erwähnung fanden.

Einer, der immer vorneweg ist, wenn es ans Töten geht, ist Hans-Christoph Ammon. Der Brigadegeneral und Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte, vertraute der Rheinischen Post an: „Unsere Soldaten müssen regelmäßig töten. Darum herumzureden, erscheint mir verkehrt. Aber auch diese so hoch belastungsfähigen Männer sind in diesem Punkt keine Maschinen. Sie haben eine sehr empfindliche Seele, die der Hilfe bedarf.“ Die Hilfe bestehe zum Beispiel darin, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für die Bundeswehr zu schaffen, überhaupt endlich wieder die von Strafe befreiende Militärgerichtsbarkeit zu schaffen. Oberst Georg Klein, der Massenmörder vom 4. September 2009 am Kundus, wurde von jeder Strafverfolgung befreit. Es wurden, so Ammon, Regeln geschaffen, nach denen die Aufständischen auch dann noch bekämpft werden, wenn sie den Angriff abbrechen. Früher nannte man das: Gefangene werden nicht gemacht.

Der Deutsche und das Deutsche sollen wieder herrschen – im Lande durch Sarrazynismus und außerhalb durch KSK-Kriegsführung.

Aus: Unsere Zeit vom 1.10.10 – Der Autor ist einer der Bundessprecher der VVN-BdA