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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

11.09.2010

Fällig wäre eine UNO-Erklärung, die besagt: Religiös verbrämte Kriegshetze darf nicht länger von der Religionsfreiheit gedeckt werden

Die Linke verteidigt die Muslime gegen die rassistischen Angriffe des Thilo Sarrazin. Das ist gut so, denn es sind rassistische Angriffe. Manchmal sieht es aber so aus, als empfänden die Linken den Islam als irgendetwas besonders Progressives. Das ist nicht richtig. In Zeiten wie diesen ist grundsätzliche Kritik an Religionsgemeinschaften geboten. Ulrich Sander: „Ich habe dazu in Unsere Zeit im Frühjahr das mir dazu notwendig erscheinende geschrieben; es hat manchen Linken nicht gefallen. Ich möchte dennoch meine Kritik wiederholen. Und ich möchte einen Vorschlag machen.“

Selbstmordattentäter unterm Kreuz

Bisweilen, aber immer seltener, wird dem Dialog und der Toleranz unter den Religionen das Wort geredet. Das ist zu begrüßen. Es würde viele Menschen, Gläubige und Nichtgläubige, interessieren, ob es nennenswerte Bestrebungen unter den Religionsgemeinschaften gibt, gemeinsam der menschenverachtenden These von solchen gerechten Kriegen abzuschwören, nach der es zulässig ist, kriegerische und terroristische Aktionen durchzuführen, weil die Täter - darunter auch Selbstmordattentäter - einen sicheren Platz im Paradies zu erwarten hätten. Das sei doch fürs christliche Abendland selbstverständlich? Ist es nicht.

Im „Katholischen Feldgesangbuch“, genehmigt von den Katholischen Feldbischöfen der deutschen Wehrmacht am 24. August 1939 (eine Woche vor dem Überfall auf das katholische Polen!) heißt es am Beginn unter der Überschrift „Deutsches Soldatentum“: „1. Die Wehrmacht … schützt das Deutsche Reich und Vaterland, das im Nationalsozialismus geeinte Volk und seinen Lebensraum. Die Wurzeln ihrer Kraft liegen in einer ruhmreichen Vergangenheit, im deutschen Volkstum, deutscher Erde und deutscher Arbeit. Der Dienst in der Wehrmacht ist Ehrendienst am deutschen Volke. 2. Die Ehre des Soldaten liegt im bedingungslosen Einsatz seiner Person für Volk und Vaterland bis zur Opferung seines Lebens.“

In dem „Katholischen Feldgesangbuch“ folgt der „Fahneneid des deutschen Soldaten“ auf Adolf Hitler, und in einem vorgeschriebenen Gebet wird ausgesagt: "An der Front ist mein Platz, und wenn es mir noch so schwer fällt. Falle ich dort, was macht das! Morgen läuten die Glocken das Auferstehungsfest ein, - welch eine Hoffnung! Sterben müssen wir alle einmal, und einen Tod, der ehrenvoller wäre als der auf dem Schlachtfeld in treuer Pflichterfüllung, gibt es nicht." (Seite 13) Es folgen Gebete für Führer, Volk und Wehrmacht. "Laß uns alle unter seiner (Hitlers) Führung in der Hingabe an Volk und Vaterland eine heilige Aufgabe sehen, damit wir durch Glauben, Gehorsam und Treue die ewige Heimat erlangen im Reiche Deines Lichtes und Deines Friedens. Amen." (Seite 20)

Sehr oft lesen wir ähnliches aus der islamischen Welt. Sollte es Entschuldigungen der Kirchen oder der islamischen Instanzen für derartige kriegstreiberische Aussagen gegeben haben, wir sie aber alle nur nicht vernommen haben? Die Distanzierungen sämtlicher Glaubensgemeinschaften vom Terror sind für mich solange nicht akzeptabel, wie nicht eindeutig erklärt wird: Der selbstmörderische Mörder kommt nicht ins Paradies, sondern ins Fegefeuer.

Und außerdem sei noch bemerkt: Das Lamentieren der katholischen Kirche über ihre Kritiker unter dem Hinweis auf die Verfolgungen der Kirche durch die Nazis bleibt solange Schall und Rauch, wie die Kirche sich nicht vom „Feldgesangbuch“ der Jahre 1939 bis 1945 öffentlich distanziert hat.

Ulrich Sander

Hier nun mein Vorschlag, den ich vor einigen Jahren bereits dem Friedensratschlag in Kassel unterbreitete:

Völlige Freiheit der Religion mit einer Einschränkung

Im neuen UN-Rat für Menschenrechte wird derzeit ein Antrag islamischer Staaten gegen die Islamophobie behandelt. Zugleich beraten Vertreter großer Weltreligionen über eine Erklärung gegen den Terrorismus. Und von der Papst-Reise in die Türkei vernehmen wir ähnliche Äußerungen zu Gewalt und Religion.

All diese Vorstöße sind mit einem Mangel behaftet: Es wird die Tatsache des religiösen "Märtyrertums" der Selbstmordtäter nicht problematisiert. Der Terror und die Massenvernichtung mittels Selbstmordattentaten darf aber nicht ausgeblendet werden, wenn es um Fragen der Religionsfreiheit und des Schutzes der Religionen vor Verleumdungen sowie um Fragen von Krieg oder Frieden, Gewalt oder Gewaltlosigkeit geht.

Ich meine, fällig wäre eine UNO-Erklärung, die besagt: Religiös verbrämte Kriegshetze darf nicht länger von der Religionsfreiheit gedeckt werden. Bert Brecht schrieb 1951 an die deutschen Schriftsteller und Künstler: "Völlige Freiheit des Buches, des Theaters, der bildenden Kunst, der Musik, des Films - mit einer Einschränkung. Die Einschränkung: Keine Freiheit für Schriften und Kunstwerke, welche den Krieg verherrlichen oder als unvermeidbar hinstellen, und für solche, welche den Völkerhaß fördern." Ich erlaube mir hinzuzufügen: Völlige Freiheit der Religion - mit einer Einschränkung. Keine Freiheit der Religion, wenn sie Krieg verherrlicht oder als unvermeidbar hinstellt und den Völkerhaß fördert.

Ulrich Sander