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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

07.09.2010

Betr. Sarrazin. Warum nicht mal ins Archiv schauen?

Ulrich Sander sandte diesen Leserbrief an Redaktionen.

Sehr geehrte Redaktion!

Sarrazin in allen Medien von morgens bis abends. Und in allen Medien Klage darüber, dass Sarrazin von morgens bis abends in allen Medien ist. Unerhört, was der da schreibt und sagt – aber drüber reden muss man ja mal, heißt es weiter.

Warum gehen die Redakteurinnen und Redakteure nicht einfach mal ins Archiv, - ganz hinten, wo’s noch nicht digitalisiert ist?

Da findet man Anfang der 90er dies: Das Asylrecht in allen Medien von morgens bis abends. Und Klage darüber, wie die Rechten das nutzen. Und wie sie hetzen gegen Ausländer. Aber reden musste man ja mal darüber. Und dann wurde gehandelt. Am 1. Juli 1993 beschloss der Bundestag die faktische Abschaffung des Asylrechtes (Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes in der Fassung des Rep-Programms). Und so wird es wohl wieder kommen: Sarrazin zurückweisen und dann in der Politik bei ihm abschreiben.

Die Steigerung der Nichtbeachtung durch Beachtung geht dann mit der Behauptung weiter, 18 Prozent der Wähler würden eine Sarrazin-Partei wählen. Ich habe nicht einen einzigen Menschen getroffen, der derartigen Unfug sagt, aber ich las es in der BILD-Zeitung am Sonntag, und am Montag danach beten es alle Medien nach. Liebe Leute, schaut noch mal im Archiv nach, was alles schon mit der Zahl 18 geschah. Jahrelang hieß es, vermutlich zu recht, dass 18 Prozent der Deutschen ein antisemitisches Weltbild hätten. Dann liefen die Neonazis mit T-Shirts mit der Nummer 18 rum (für die Buchstaben 1 und 8 im ABC, d.h. für Adolf Hitler). Dann klebte sich der Westerwelle die Zahl 18 unter die Schuhe, weil er sich dachte, dann kriegt seine Partei 18 Prozent der Stimmen, nämlich alle, die solche T-Shirts tragen und dazu noch die heimlichen Antisemiten, die durch Möllemann auf die FDP aufmerksam gemacht worden waren. Und nun wieder 18 Prozent für Sarrazin. Sollen mal wieder die ganz rechten Leute für die Mitte aktiviert werden? Oder will die Mitte sich nun endgültig ganz nach rechts ausdehnen?

Ulrich Sander,

Dortmund