21.08.2010
VVN-BdA: Die Volksverhetzung der Nazis vor der
Gedenkstätte Steinwache in Dortmund wird nicht geduldet
Dienstaufsichtsbeschwerde
gegen den Polizeipräsidenten
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund
der Antifaschisten hat eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen
Polizeipräsidenten Hans Schulze beim Innenminister eingelegt. Denn
Herr Schulze hat nicht einmal den Versuch unternommen, den
Nazi-Aufmarsch vom 4. 9. zu unterbinden, obwohl sich
verbesserte Möglichkeiten dafür bieten. Ulrich Sander,
Bundessprecher der VVN-BdA aus Dortmund, sagte dazu auf einer
öffentlichen Pressekonferenz unter freiem Himmel auf dem
Wilhelmplatz in Dortmund-Dorstfeld: „Er weigert sich, wichtige
Urteile höchster Gerichte anzuerkennen und anzuwenden. Das Gelände
vor der Gedenkstätte ‚Steinwache’ darf niemals den Nazis für
ihre Jubelfeier aus Anlass des Überfalls auf Polen 1939 überlassen
werden. Ja, wir sagen ‚Jubelfeier’, denn der angebliche Titel
der Zusammenrottung „Antikriegstag“ ist Lug und Trug. Die Nazis
rufen regelmäßig ‚Nie wieder Krieg – nach unserem Sieg’. Den
1. September, den Jahrestag des Überfalls auf Polen 1939,
verhöhnen sie, indem sie behaupten, der 2. September, der Tag
da im Jahr 1939 Großbritannien zugunsten Polens in den Krieg
eingriff, sei der eigentliche Tag des Kriegsbeginns. Eine neue
Kriegsschuldlüge wird begründet, die in diesem Fall auch immer
eine Holocaustleugnung – also Volksverhetzung! –
darstellt, denn mit dem 1. 9. 1939 begann der Weg in den
Vernichtungskrieg.“ Die Polizei hatte die Pressekonferenz
zunächst untersagt, weil auf ihr zur antifaschistischen Blockade
aufgerufen werden sollte. Diese „Straftat“, die keine ist, wurde
nun dokumentiert und soll „Folgen“ haben. Im Internet haben
Neonazis Gesprächsnotizen der Polizei veröffentlicht, in denen
ihnen Schutz gegen Blockaden zugesagt wurde.
Aus der Presseerklärung von Ulrich
Sander:
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der
Antifaschisten hat eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen
Polizeipräsidenten Hans Schulze beim Innenminister eingelegt. Denn
Herr Schulze hat nicht einmal den Versuch unternommen, den Aufmarsch
zu unterbinden, obwohl sich verbesserte Möglichkeiten dafür
bieten. Er weigert sich, wichtige Urteile höchster Gerichte
anzuerkennen und anzuwenden. Das Gelände vor der Gedenkstätte
"Steinwache" darf niemals den Nazis für ihre Jubelfeier
aus Anlass des Überfalls auf Polen 1939 überlassen werden. Ja, wir
sagen „Jubelfeier“, denn der angebliche Titel der
Zusammenrottung „Antikriegstag“ ist Lug und Trug. Die Nazis
rufen regelmäßig „Nie wieder Krieg – nach unserem Sieg“.
Den 1. September, den Jahrestag des Überfalls auf Polen 1939,
verhöhnen sie, indem sie behaupten, der 2. September, der Tag
da im Jahr 1939 Großbritannien zugunsten Polens in den Krieg
eingriff, sei der eigentliche Tag des Kriegsbeginns. Eine neue
Kriegsschuldlüge wird begründet, die in diesem Fall auch immer
eine Holocaustleugnung – also Volksverhetzung! – darstellt,
denn mit dem 1. 9. 1939 begann der Weg in den
Vernichtungskrieg.
Wir schrieben dem Minister: Wir erinnern uns an Ihre Bemühungen,
das Berliner Gesetz in NRW durchzusetzen, das Nazidemonstrationen an
Gedenkorten nicht zulässt. Das war zu der Zeit, da Sie zur
Opposition gehörten. Nun sind Sie der zuständige Minister. Wir
wünschen Ihnen eine glückliche Hand im Amt.
Wir hoffen, dass Sie ihre damaligen Bemühungen nun erfolgreicher
durchsetzen können und werden. Wir hoffen ferner, dass Sie mit der
Tradition Ihres Vorgängers im Amt brechen, der regelmäßig die die
Nazis begünstigende „Sicherheitspraxis“ des Dortmunder
Polizeipräsidenten deckte, der uns Antifaschistinnen und
Antifaschisten mit Haft bedrohte, wenn wir Nazidemonstrationen
bekämpfen, weil dies nach Paragraph 21 des
Versammlungsgesetzes untersagt sei, und der sogar in alle Schulen
des Landes eine Informationsschrift sandte, in der Nazis und
Antifaschisten auf eine Stufe gestellt wurden („Andy“ Nr. 3)
und die bundesweit gebräuchliche Losung „Faschismus ist keine
Meinung – Faschismus ist ein Verbrechen“ als
verfassungsfeindlich dargestellt ist.
Was werfen wir dem Polizeipräsidenten vor?
Er hat folgendes missachtet:
1. Das höchste Verwaltungsgericht von Nordrhein-Westfalen, das
Oberverwaltungsgericht Münster, hat immer wieder betont und sich
auch im Streit mit dem Bundesverfassungsgericht nicht davon
abbringen lassen: „Eine rechtsextremistische Ideologie lässt sich
auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren.“
(Beschluss OVG NRW, Az 5 B B 585/01).
2. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Haltung nunmehr endlich
übernommen. Es gilt nun, entsprechend dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts von Mitte November 2009 (Az. 1 BvR
2150/08) zu handeln. Dieses Gericht hatte nach seiner
Fehlentscheidung vom September 2009, das Verbot der Nazidemo vom 4.
9. 09 in Dortmund aufzuheben, neu beraten und im Fall Rieger
entschieden. „Wegen der besonderen Geschichte Deutschlands gilt in
der Frage der Meinungsfreiheit für Nazis eine Ausnahme. ‚Angesichts
des Unrechts und des Schreckens, den die Naziherrschaft über Europa
und weite Teile der Welt gebracht habe’, enthalte das Grundgesetz
in diesem Punkt eine Ausnahme vom Verbot, ein Sonderrecht gegen
bestimmte Propaganda zu schaffen. Denn ‚das Grundgesetz kann
weithin geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des
national-sozialistischen Regimes gedeutet werden’." (Zitiert
nach dpa vom 17.11.09)
3. Verwiesen wird vom BVerfG auf den neuen Paragraphen 130
Absatz 4 des Strafgesetzbuches, der ein Versammlungsverbot
erlaubt, wenn Aggression und Angriff auf die Opfer, Lobpreisung der
Gewalt- und Willkürherrschaft gegeben sind. (Der Wortlaut: Es „wird
bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den
öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden
Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und
Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.“) Die
„Ausländer-raus“-Rufe der Nazis, die Holocaustleugnung durch
Reden der Nazis, in denen sie die Kriegsschuld leugnen, sich zur
Geschichte gratulieren, zu der auch Auschwitz gehöre, und in denen
sie neuen Massenmord nach einem Sieg des „nationalen Sozialismus“
ankündigen („die aus dem gelobten Land sind dann alle im Himmel“)
sie sprechen eine eindeutige Sprache. Diese Zitate stammen aus Reden
früherer „Nationaler Antikriegstage“ in Dortmund; sie sind der
Polizei bekannt.
4. Der Zwei plus Vier-Vertrag hat die Bundesrepublik Deutschland
verpflichtet, die Westgrenze Polens für alle Zeit als verbindlich
anzusehen und keine Gebietsansprüche zu stellen. Die rechtsextremen
Organisationen sind die einzigen, die offen dagegen verstoßen. Zum
Jahrestag des Überfalls von NS-Deutschland auf Polen, womit der
Vernichtungskrieg begann, die „Autonomen Nationalisten“ (eine
militante Neonazi-Struktur) ihren bundesweiten „Nationalen
Antikriegstag“ zu gestatten, das ist ein Verstoß gegen das
Völkerrecht, das ist Unterstützung von Kriegshetze.
Unsere Organisation ist eine Organisation der Opfer. Diesen
Opfern wurde in der genannten BVerfG-Entscheidung und im StGB das
Recht auf besonderen Schutz zugesprochen. Unsere Organisation wurde
für Dortmund 1947 von 2000 Überlebenden des Holocaust, von
NS-Opfern und Teilnehmern am Antinazi-Widerstandskampf gegründet.
Wir, die Krieg und Faschismus noch durchlitten haben, aber auch die
zweite und dritte Generation fühlen uns dem Auftrag der Gründer
der VVN-BdA verpflichtet. Die Volksverhetzung der Nazis in Dortmund
regelmäßig zum 1. September ist unerträglich und wird von
uns niemals hingenommen.
Abschließend möchte ich ankündigen, dass der SPD-Ratsherr
Norbert Schilff, Geschäftsführer des Internationalen
Rombergparkkomitees, und ich vor der Steinwache am 3.-4. 9. 10
eine 16-stündige Mahnwache organisieren werden, um die Nazis von
der Gedenkstätte fernzuhalten. Wir bitten um Ihre Unterstützung.
Schließlich möchte ich Ihnen die Erklärung der FIR übergeben,
die sie herausgegeben hat, um gegen den Aufmarsch der Nazis zu
protestieren.
Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister Sierau!
Will die Stadt Dortmund
neonazistische Jubelfeier zum Überfall auf Polen genehmigen?
Mit Irritation und großer Empörung hat die Internationale
Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der
Antifaschisten, die Dachorganisation von Verbänden ehemaliger
Widerstandskämpfer, Deportierter, Verfolgter und Antifaschisten
heutiger Generationen aus über 25 Ländern Europas und Israel
Presseberichte zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Stadt Dortmund
am 4. September einen Neonazi – Aufmarsch, der in
geschichtsfälschender Weise den Überfall der Hitler-Wehrmacht auf
Polen begehen soll, genehmigen will.
Mehr noch, sie will diesen Aufmarsch genehmigen an einem Ort, der
wie kein zweiter an die Verbrechen der Naziherrschaft in Dortmund
gegen deutsche Antifaschisten und Nazigegner anderer Nationalitäten
erinnert, nämlich vor der Steinwache, der heutigen Mahn- und
Gedenkstätte „Widerstand und Verfolgung 1933 – 1945“.
Dieser Ort ist ein Symbol für den Kampf gegen Krieg und Faschismus,
gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, für Toleranz und
Völkerverständigung. Er wird mit dieser Entscheidung der
Stadtverwaltung den Stiefelfaschisten überlassen und den Menschen
in Dortmund entzogen.
Wir rufen die politisch Verantwortlichen der Stadt Dortmund auf,
sich an ihre eigenen Erklärungen anlässlich der Karfreitags –
Gedenkveranstaltungen zu den Morden in der Bittermark zu erinnern.
Das Gedenken an die Opfer muss verbunden sein mit dem demokratischen
Handeln gegen Neofaschismus, Rassismus, Antisemitismus und
Kriegshetze heute.
Daher unterstützt die FIR alle Formen des entschiedenen
demokratischen Widerstands, ob Blockadeaktionen oder andere Formen
des gesellschaftlichen Protestes. Wir fordern die politisch
Verantwortlichen in Dortmund und Nordrhein-Westfalen auf, den
Nazi-Aufmarsch zu untersagen und die Polizei einzusetzen zum Schutz
der demokratischen Kräfte und nicht zur Durchsetzung faschistischer
Aktivitäten.
Dr. Ulrich Schneider
Generalsekretär
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