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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

08.07.2010

Politische Justiz im kalten Krieg 

Volker Beck, MdB Bündnis 90/Die Grünen, sagt Falsches

Nach den Landtagswahlen in NRW vom 9. Mai dieses Jahres führten die Landtagsfraktion von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ein Sondierungsgespräch mit der Landtagsfraktion der Partei "Die Linke". Bei den Bündnisgrünen war der erste parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Volker Beck beteiligt. Laut Neues Deutschland vom 16. Juni 2010 wurde es als skandalös empfunden, dass "Die Linke"-Landtagsfraktion die politische Verfolgung von Kommunisten im Kalten Krieg in der BRD zum Gesprächsthema machte. Gegenüber ND sagte Beck: "Auch Kommunisten haben in der Bundesrepublik Unrecht erlitten... Die Verfolgung in den Adenauerjahren war ein schwerer Fehler." Dann behauptet Beck, dieser Fehler sei "im System" korrigiert worden, während für in der DDR Verfolgte "erst das System zusammenbrechen musste, ehe die Opfer rehabilitiert und entschädigt wurden." 

Zuvor behauptete Beck entgegen der Wahrheit, "Die Opfer (aus der alten BRD, KS) sind durch Landeshärtefonds unter Rot-Grün bereits entschädigt worden." Das stimmt nicht. Seit 1990 wurden alle Eingaben der Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des kalten Krieges (IROKK) wie auch alle Anträge der Bundestagsgruppe bzw. der Fraktion der PDS - und seit der 16. Wahlperiode der Fraktion der Partei "Die Linke" - zu diesem Thema abgelehnt. Auch von Volker Beck und seiner Fraktion kam nicht die geringste Unterstützung dieses Anliegens. Auch unsere Forderung nach Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Grundgesetz wurde stets zurückgewiesen mit der Behauptung, in der DDR seien die Verurteilungen "unrechtsstaatlich", aber in der alten BRD "rechtsstaatlich" erfolgt.

Herr Beck hätte noch einmal in die "Blätter für deutsche und internationale Politik", Nr. 6/00 schauen sollen. In dieser Ausgabe der Zeitschrift wurde der Briefwechsel des Rechtsanwalts Dr. Heinrich Hannover mit Kanzler Schröder abgedruckt, der sich allerdings durch seinen Ministerialdirektor Ernst H. Hüper in der Beantwortung der Briefe vertreten ließ. Hannover erinnerte Schröder an seine eigenen Erfahrungen aus gemeinsamer Verteidigung in politischen Strafsachen. Am 18. 9. 1999 schrieb Heinrich Hannover an Kanzler Schröder u. a.: "Ich verbinde mit der Kenntnis Deiner damaligen Haltung die Hoffnung, dass Du endlich dafür sorgst, dass die noch lebenden Opfer der Justiz des Kalten Krieges, die, wie Du weißt, nicht nur in der DDR, sondern auch in der alten Bundesrepublik produziert worden sind, rehabilitiert und entschädigt werden." Im Auftrag Schröders lehnte Hüper diese Forderung ab, weil "die Strafverfahren, die Sie im Auge haben, nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geführt worden sind." Der Briefwechsel ging noch zweimal hin und her. In seiner Antwort vom 21. März 1999 erinnerte Hüper, dass Kommunisten, die bereits von den Nazis wegen ihres Kampfes gegen Faschismus und Krieg nun in der BRD erneut als Kommunisten verfolgt und denen Rente und Wiedergutmachung aberkannt worden waren, "... zur Abgeltung von Härten in Einzelfällen im Rahmen der Wiedergutmachung" zufriedengestellt worden seien. Weiter schreibt Hüper: "Zusätzlich hat die Bundesregierung im Rahmen des Paragraphen 8 der Richtlinien (in der Fassung vom 7. März 1988) die Möglichkeit geschaffen, in besonderen Ausnahmefällen über die Einmalbeihilfen hinaus auch laufende Beihilfen aus dem Wiedergutmachungs-Dispositions-Fonds zu gewähren." In der Praxis geschah das jedoch nur nach Einzelfallprüfungen und der IROKK ist nicht ein Fall bekannt, in dem "Laufende Beihilfen" gewährt wurden. In seinem Antwortbrief schrieb Dr. Hannover: "Ihr Brief macht hinreichend deutlich, dass der Sozialdemokrat Schröder nichts an den noch immer existenten Auswirkungen der in der Ära des CDU-Kanzlers Konrad Adenauer ergangenen Unrechts-Urteile ändern will. 

So werden auch die letzten noch lebenden Opfer einer verfehlten Gesinnungsjustiz die materiellen Folgen ihrer Verurteilung bis an ihr Lebensende tragen müssen. Das sind keine ´Härtefälle´, in denen so etwas wie Gnade zu walten hätte, sondern diese Menschen sind Opfer einer Justiznachhut das Nazistaats, deren Täter sich keine Sorgen um ihre wohldotierten Pensionen zu machen brauchten". Zum Schluss fordert Hannover Hüper auf: "Richten Sie Ihrem Chef bitte aus, dass er sich schämen möge." Gegenüber dem ND äußerte Beck des weiteren, im demokratischen Rechtsstaat könne man Fehler machen, "aber Gerichte und Parlamente können diese Fehler korrigieren." Die Aussagen von Volker Beck entsprechen nicht der Realität in der BRD. Entgegen seiner Behauptung hat es keine Rehabilitierung und Entschädigung gegeben, und auch keine Anerkennung der Haftzeiten politisch Verfolgter als Ausfallzeiten für die Rentenberechnung. Leider ist die Genossin Katharina Schwabedissen (ND vom 17. Juni 2010), Volker Beck in dieser Frage auf den Leim gegangen. Sie hätte sich besser vorher bei der IROKK schlaumachen sollen. Es sind nicht nur "bei weitem nicht alle Opfer der Kommunistenverfolgung rehabilitiert worden", sondern nicht ein einziges Opfer.

Volker Beck kann ja mit seiner Fraktion im Bundestag nachholen, was er bisher versäumt hat. Dem Petitionsausschuss des Bundestages liegt unsere Eingabe vom 6. November 2009, (Pet 1-16-06-1124-011486) zur Behandlung vor. Darin heißt es: "Seit über zwei Jahrzehnten fordern wir vom Bundestag und der Bundesregierung unsere Rehabilitierung, Entschädigung für die Haft und die Anerkennung unserer Haftzeiten als Ausfallzeiten für die Rentenberechnung sowie die Aufhebung der Verbote der Freien Deutschen Jugend in Westdeutschland und der Kommunistischen Partei Deutschlands."

Des weiteren ist dem Bundestag von der Fraktion der Partei "Die Linke" ein Antrag zugegangen mit der Forderung "Widerstand von Kommunistinnen und Kommunisten gegen das NS-Regime anerkennen".(Drucksache 17/2201 vom 16. 6. 2010) Die Worte des MdB Volker Beck werden an seinen Taten zu messen sein.

Karl Stiffel Sprecher der IROKK

Quelle: Unsere Zeit Nr. 26 (2. Juli 2010)