28.06.2010
Erinnerung bewahren - Authentische Orte erhalten -
Verantwortung übernehmen
Überlebende der
deutschen Konzentrationslager mahnen uns: "Die Welt hat zu wenig aus unserer Geschichte
gelernt"
Wir, die Unterzeichnenden, Überlebende der
deutschen Konzentrationslager, Frauen und Männer, vertreten
Internationale Häftlingskomitees der Konzentrationslager und ihrer
Außenkommandos. Wir gedenken unserer ermordeten Familien und der
Millionen Opfer, die an diesen Orten der Asche getötet wurden. Ihre
Verfolgung und Ermordung aus rassischen, politischen, religiösen,
sozialen, biologischen und ökonomischen gründen und ein
verbrecherischer Krieg haben die Welt an den Rand des Abgrunds
geführt und eine schreckliche Bilanz hinterlassen.
Nach unserer Befreiung schworen wir, einen neue Welt des Friedens
und der Freiheit aufzubauen. Wir haben uns engagiert, um eine
Wiederkehr dieser unvergleichlichen Verbrechen zu verhindern.
Zeitlebens haben wir Zeugnis abgelegt, zeitlebens waren wir darum
bemüht, junge Menschen über unsere Erlebnisse und Erfahrungen und
deren Ursachen zu informieren.
Gerade deshalb schmerzt und empört es uns sehr, heute
feststellen zu müssen: Die Welt hat zu wenig aus unserer Geschichte
gelernt. Gerade deshalb müssen Erinnerung und Gedenken weiterhin
gleichermaßen Aufgabe der Bürger und der Staaten sein
Die ehemaligen Lager sind heute steinerne Zeugen. Sie sind
Tatorte, internationale Friedhöfe, Museen und Orte des Lernens. Sie
sind Beweise gegen Verleugnung und Verharmlosung und müssen auf
Dauer erhalten werden. Sie sind Orte der wissenschaftlichen
Forschung und des pädagogischen Engagements. Die pädagogische
Betreuung der Besucher muss ausreichend gewährleistet sein.
Die unvergleichlichen Menschheitsverbrechen der
Nationalsozialisten - erinnert werden muss in diesem Zusammenhang
vor allem an den Holocaust - geschahen in deutscher Verantwortung.
Deutschland hat viel zur Aufarbeitung seiner Geschichte getan. Wir
erwarten, dass die Bundesrepublik und ihre Bürger auch in Zukunft
ihrer Verantwortung in besonderem Maße gerecht werden.
Aber auch Europa hat seine Aufgabe. Anstatt unsere Ideale für
Demokratie, Frieden, Toleranz, Selbstbestimmung und Menschenrechte
durchzusetzen, wird die Geschichte nicht selten benutzt, um zwischen
Menschen, Gruppen und Völkern Zwietracht zu säen. Wir wenden uns
dagegen, dass Schuld gegeneinander aufgerechnet, Erfahrungen von Leid hierarchisiert, Opfer miteinander in Konkurrenz gebracht und
historische Phasen miteinander vermischt werden. Daher bekräftigen
wir den von der ehemaligen Präsidentin des Europäischen Parlaments
und Auschwitz-Überlebenden Simone Veil vor dem Deutschen Bundestag
2004 ausgesprochenen Appell zur Weitergabe der Erinnerung:
"Europa sollte gemeinsame Vergangenheit als Ganzes kennen und
zu ihm stehen, mit allen Licht- und Schattenseiten; jeder
Mitgliedsstaat sollte um seine Fehler und sein versagen wissen und
sich dazu bekennen, mit seiner eigenen Vergangenheit im Reinen zu
sein, um auch mit seinen Nachbarn im Reinen sein zu können."
Unsere Reihen lichten sich. In allen Instanzen unserer Verbände,
auf nationaler wie internationaler Ebene, treten Menschen an unsere
Seite, um die Erinnerung aufzunehmen. Sie geben uns Vertrauen in die
Zukunft, sie setzen unsere Arbeit fort. Der Dialog, der mit uns
begonnen wurde, muss mit ihnen fortgeführt werden. Für diese
Arbeit benötigen sie die Unterstützung von Staat und Gesellschaft.
Die letzten Augenzeugen wenden sich an Deutschland, an alle
europäischen Staaten und die internationale Gemeinschaft, die
menschliche Gabe der Erinnerung und des Gedenkens auch in Zukunft zu
bewahren und zu würdigen. Wir bitten die jungen Menschen, unseren
Kampf gegen die Nazi-Ideologie und für eine gerechte, friedliche
und tolerante Welt fortzuführen, einer Welt, in der Antisemitismus,
Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus keinen Platz
haben dürfen.
Dies sei unser Vermächtnis.
Internationales Auschwitz Komitee
Noach Flug (Jerusalem)
Internationales Auschwitz Komitee
Sam Bloch (New York)
World Federation of Bergen-Belsen
Bertrand Herz (Paris)
Internationales Buchenwald Komitee
Max Mannheimer (München)
Internationales Dachau Komitee
Uri Chanoch (Jerusalem)
Internationales Komitee Nebenlager Dachau
Jack Terry (New York)
Internationales Flossenbürg Komitee
Albert van Hoey (Brüssel)
Internationales Komitee Mittelbau-Dora
Robert Pinçon (Tours)
Internationales Neuengamme Komitee
Annette Chalut (Paris)
Internationales Ravensbrück Komitee
Pierre Gouffault (Paris)
Internationales Sachsenhausen Komitee
[27. Januar 2009]
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