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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

14.06.2010

Fit zum Regieren?

Die Partei „Die Linke“ sagt, ihre Widersacher und die Presse entstellen ihre Ansichten.

„Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden. Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten.”

„Die Linke“ wird regelmäßig gescholten, dass sie solche Forderungen aufstellt. Bei diesem Text handelt es sich allerdings um Artikel 27 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950. Die Verfassung ist von der Mehrheit angenommen worden und sie gilt noch immer.

Von Hanjo Seissler

Das Parteilprogramm von „Die Linke” strebe an „den Kapitalismus zu überwinden” und einen demokratischen Sozialismus zu errichten. Im Deutschen Bundestag stellt sie mit 76 von 622 Sitzen die viert stärkste von fünf Fraktionen.

Sie entstand 2007 als Verschmelzung der Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) – die Nachfolgerin der früher in Ostdeutschland regierenden Kommunistischen Partei, der SED – und der „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit” (WASG), einer losen Vereinigung von meistens westdeutschen Linken und ehemaligen Mitgliedern der Sozialdemokraten, die durch deren Sozialreformen desillusioniert wurden.

Seit 15. Mai diesen Jahres wird „Die Linke“ von dem aus München stammende ehemaligen Gewerkschafter Klaus Ernst und der Ost-Berlinerin Gesine Lötzsch geführt. Beide sind Mitglieder des Deutschen Bundestages.

Sahra Wagenknecht, 41, ist eine der vier stellvertretenden Vorsitzenden, die auch am 15. Mai gewählt wurden. Sie ist der Überzeugung, dass sie und andere Mitglieder von „Die Linke“ regelmäßig als kommunistische Spinner oder Nachfolger der SED abgetan würden, „weil unsere Positionen in den Medien nicht sachlich, sondern vor allem polemisch widergespiegelt werden.”

Sie ist wahrlich keine Spinnerin, aber Wagenknecht ist Kommunistin. Sie trat 1989 der SED bei, sechs Monate bevor die Berliner Mauer fiel. Bis Februar dieses Jahres war sie ein führendes Mitglied der so genannten Kommunistischen Plattform innerhalb der Linken. Sie hat ihre Mitgliedschaft dort ruhen lassen, da nach Parteiregeln Personen in bundesweit führenden Positionen nicht einer bestimmten politischen Richtung zugeschrieben werden können sollen. (….) … sagt Wagenknecht, dass ihre Partei im Grundton der Berichterstattung der Medien ein weltfremdes, absurdes Programm repräsentiere. „Dass wir klare, realistische Forderungen vertreten, findet kaum Widerhall in der Berichterstattung”, sagt sie.

Das empfinden sogar viele Deutsche so, denen „linke Positionen” zuwider sind.

Kritiker monieren, dass die einstige Abgeordnete des Europäischen Parlaments und heutige Bundestagsabgeordnete in TV-Talkshows nicht fair behandelt wird. Sie sagen, sie werde regelmäßig von Gästen oder von Moderatoren unterbrochen ohne einen Satz zu Ende bringen zu können; und in den meisten deutschen Zeitungen und Zeitschriften werde jede Diskussion innerhalb Der Partei „Die Linke“ als Konflikt, Intrige, Gezänk oder Machtgerangel dargestellt.

Nicht wenige haben den Eindruck, die meisten Journalistinnen und Journalisten erinnerten sich nicht an die leidenschaftlichen und oft bizarren parteiinternen Flügelkämpfe im Anfangsstadium der Grünen in der Öffentlichkeit und den Parlamenten. Das ist 30 Jahre her. (…)

Wagenknecht studierte Philosophie und Neuere Deutsche Literatur. In ihre Abschlussarbeit untersuchte sie, wie der junge Karl Marx die idealistische Denkwelt des Hegel übernahm. Sie hofft, dass ihre volkswirtschaftliche Dissertation über „The Limits of Choice. Saving Decisions and Basic Needs in Developed Countries“ bald angenommen wird.

Wagenknecht, Tochter einer deutschen Mutter und eines iranischen Vaters, ist eine der prominentesten Mitglieder der Partei und die berühmteste Person innerhalb der neuen Generation der Führungsriege von „Die Linke“. Ihre Intelligenz, ihr Wissen, ihre Bildung, ihre Selbstdisziplin und Selbstkontrolle imponiert auch Leute, die sie lieber auf dem Mond als in der Politik sehen wollen.

Trotzdem, sie macht oft Bemerkungen, die ihren Gegnern die Nackenhaare abstehen lassen: „Die Krise ist Konsequenz der Politik der Deregulierung“, ist eine. Finanzmarktkontrollen wurden abgebaut und Politik nach Maßgabe von Banken und Vermögenden betrieben. Hinzu kommt die Fehlkonstruktion der Eurozone. Die hat die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaften in Europa außer Acht gelassen. So konnte Deutschland durch eine Politik von Lohn- und Sozialdumping Länder wie Griechenland niederkonkurrieren. Jetzt, da der Karren im Dreck steckt, sollen die Steuerzahler die Rechnung begleichen.” Wagenknecht wiederholt nur die Positionen ihrer Partei, aber sie ist besonders gut darin.

„Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit. Der Lohn muss der Leistung entsprechen und den angemessenen Lebensbedarf des Arbeitenden und seiner Familie decken.”

Obiges ist nicht aus dem Parteiprogramm von Die Linke, sondern steht in Artikel 24 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen. Bei Wagenknecht klingt das so: „Es muss klar sein, dass die für Schäden aufkommen, die sie anrichten! Wir brauchen eine Millionärssteuer und rigide Finanzmarktkontrollen. Dazu zählt das Verbot von Kreditausfallversicherungen und dass eine Finanztransaktionssteuer eingeführt wird. Die Politik des Sozial- und Lohndumpings muss beendet werden, wir brauchen einen flächendeckenden Mindestlohn und ein Konjunkturprogramm, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.”

Zwei von Wagenknechts Hauptverbündete, Oskar Lafontaine und Lothar Bisky, haben ihre Ämter als Co-Vorsitzende niedergelegt und sich aus der Bundespolitik zurückgezogen. Aber sie bleibt optimistisch über die Zukunft von „Die Linke“. „Wir sind in 13 von 16 Landtagen vertreten und fest im deutschen Parteiensystem verankert“, sagt sie. „Die neue Führung sollte auf dem Weg weitergehen, den Oskar Lafontaine maßgeblich geprägt hat. Wir stehen für soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft, gegen Sozial- und Arbeitsplatzabbau und sind eine konsequente Friedenspartei.”

Sie selbst werde sich konsequent für eine sozial gerechte Politik stark machen: „Die derzeitige Krise zeigt, wie dringend notwendig und wie absolut zeitgemäß es ist, über Alternativen zum Kapitalismus nachzudenken”, sagt sie. Obwohl sie sich und ihre Partei als Opfer von „falscher Berichterstattung“ sieht, werde sie nicht das Handtuch werfen: „Es ist vielleicht nicht immer ein Vergnügen. Aber ich bin nicht zum Vergnügen in der Politik, sondern um etwas für diejenigen zu erreichen, die ‘Die Linke’ gewählt haben und die von uns erwarten, dass wir uns für eine sozial gerechte Politik stark machen.”

Dabei könnte es ihr helfen, wenn sich die Erkenntnis herumspräche, die dem konservativen bayerischen Politiker Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU), Großvater seines Namensvetters, dem amtierenden deutschen Bundesverteidigungsministers, zugeschrieben wird. „Kommunist sein kann jemand aus Menschenliebe. Nazi nicht!”

Bitte beachten. Dieser Text in Englisch wurde auch in ATLANTIC TIMES, ASIAN TIMES und AFRICAN TIMES veröffentlicht:

http://www.german-times.com/index.php?option=com_content&task=view&id=32312&Itemid=12