01.06.2010
Ungemeldete Meldungen machten die Angriffe auf
Köhler möglich
Er hatte die aggressive
deutsche Militärdoktrin richtig beschrieben. Wir veröffentlichen
weitere ungemeldete Meldungen.
Der Rücktritt Bundespräsident Horst Köhlers ist
eng verbunden mit der Verblödung durch die Medien und mit der
Heuchelei der Oberen von den Grünen und der SPD. Die Medien haben
nie gemeldet, dass das, was Köhler sagte, die tatsächliche
offizielle Militärdoktrin Deutschlands darstellt, und „Rot-Grün“
hat diese mit auf den Weg gebracht - und tut nun empört. Wenn
demnächst mal ein Oberer sagt, die Bundeswehr bereite den Krieg im
Innern vor, dann wird wieder das Geschrei groß sein – denn die
Beschlüsse dazu wurden gefasst, aber kaum veröffentlicht und
beachtet.
Dazu hat Ulrich Sander von der VVN-BdA eine
größere Arbeit für ein Papy Rossa Buch geschrieben – anbei eine
Kurzfassung der Einleitung.
Kaum einer merkte es - eine
Heimatarmee zum Einsatz im Innern entstand
Von Ulrich Sander, VVN-BdA-Bundessprecher
Der Rücktritt Köhlers ist eng verbunden mit den
Fehldarstellungen durch die Medien und die heutigen wie ehemaligen
Regierungsparteien über die gültige deutsche Militärdoktrin.
Köhler hat ausgesprochen, was diese deutsche Militärdoktrin
ausmacht. Sein Rücktritt soll nun diese amtliche imperialistische
Militärdoktrin wieder verschleiern. Doch bereits in den ersten
Verteidigungspolitischen Richtlinien seit Ende der
Blockkonfrontation - und dann auch in den weiteren Richtlinien und
auch in den "Weißbüchern" des Kriegsministeriums -
standen Sätze wie: "Vitale Sicherheitsinteressen" sind u.
a. "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des
ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller
Welt." Der Begründer der neuen deutschen Militärdoktrin war
der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr Klaus Naumann. Laut
Naumann hat die Bundeswehr "für deutsche Interessen" zu
kämpfen und für das, was er dafür laut "Spiegel" Nr.
3/93 hält: "Es gibt zwei Währungen in der Welt:
Wirtschaftliche Macht und die militärischen Mittel, sie
durchzusetzen." SPD-Kriegsminister Rudolf Scharping hat
21.01.2001 auf dem Programmforum "Sicherheit für
Deutschland", mit dem die SPD ihren Wahlkampf eröffnete, ganz
unverblümt formuliert: "In 25 Jahren ist das Gas in der
Nordsee alle, aber in der Region um Afghanistan und im Kaukasus ist
alles vorhanden. Und ob dort regionale Sicherheit entsteht, ist im
Interesse aller, die in Zukunft aus der Region Energie beziehen
wollen."
Die von Kühler ausgesprochene Doktrin ist zwar
grundgesetzwidrig, da hat Jürgen Trittin ja recht, aber er
verschweigt, dass alle Regierungsparteien diese Doktrin aus den
Stäben der Generalität gebilligt und angewendet haben. Auch die
Medien haben kaum einmal durchblicken lassen, dass das, was Köhler
sagte, die tatsächliche offizielle Militärdoktrin Deutschlands
darstellt. "Rot-Grün" hat all das mit auf den Weg
gebracht und gibt sich nun empört. Wenn demnächst mal ein Oberer
sagt, die Bundeswehr bereite den Krieg im Innern vor, dann wird
wieder das Geschrei groß sein. Aber die die Beschlüsse dazu wurden
gefasst, jedoch kaum veröffentlicht und beachtet.
Unter der Bezeichnung LÜKEX 2010 - länderübergreifende
Krisenmanagement-Übung - fand jetzt die vierte Übung dieser Art in
der Nachfolge der WINTEX-Übungen aus der Zeit des Kalten Krieges
statt. "Übung für Atom-Anschlag am Flughafen"
titelte der Kölner Stadtanzeiger seinen Bericht - wo es doch wohl
"gegen" heißen müsste. Oder? Gemeint war: Der
"weltweite Terror" wird nicht nur in Afghanistan und am
Horn von Afrika bekämpft, sondern auch bei uns zu Hause. Und
"Terroristen" sind laut Bundeswehrdokumenten auch
Demonstranten, Globalisierungsgegner und ähnliche. Nicht nur in
Afghanistan spielt zudem die Polizei als Bundeswehrhilfstruppe eine
große Rolle, sondern auch im Inland soll die Bundeswehr mit der
Polizei zusammenwirken. Zwischen 1000 und 1500 Polizisten und
Soldaten waren gemeinsam in Köln im Einsatz.(1)
Mit den Zeitungsüberschriften ist es so eine Sache. Mit den
wirklichen und den nicht erschienenen. Spätestens am Samstag, dem
19. Februar 2005 wäre folgende Schlagzeile in den Zeitungen fällig
gewesen - sie unterblieb jedoch: "Bundeswehrkader um
Millionen Reservisten vergrößert - Einsatzalter auf 60 Jahre
angehoben".
Am 17. Februar 2005 war des Nachts vom Bundestag das "Gesetz
über die Neuordnung der Reserve der Streitkräfte und zur
Rechtsbereinigung des Wehrpflichtgesetzes" beschlossen worden.
Ohne mündliche Aussprache - und fast ohne Berichterstattung der
Medien. Der Kern des Gesetzes ist die Anhebung des Alters auf 60
Jahre, bis zu dem Reservisten zu Einsätzen - nicht nur zu Übungen
- mobilisiert werden können. Reservistinnen und Reservisten wurden
in den Umbau - man sagt hier "Transformation" - der
Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer weltweit agierenden
Interventionsarmee aktiv einbezogen. Mit § 6c des Gesetzes wurde
der Einsatz der Bundeswehr im Inneren der Bundesrepublik Deutschland
geregelt. Er wies Reservistinnen und Reservisten entsprechende
Aufgaben zu.(2)
Die zweite unterbliebene Schlagzeile wäre am 29. August 2009
fällig gewesen. Sie hätte lauten müssen: "Bundesregierung
will mit Bundeswehr Streiks bekämpfen".
Eine Antwort der Bundesregierung an die "Linke" im
Bundestag vom 28.8.09 besagte eindeutig, dass die Kampfbedingungen
der Gewerkschaften erheblich eingeschränkt werden. Zumindest im
öffentlichen Dienst steht Streikbruch mittels Bundeswehr auf der
Tagesordnung. Denn in der Antwort der Bundesregierung an den
Bundestag schließt das Bundesverteidigungsministerium nicht aus,
dass die ZMZ-Kommandos (Zivil-Militärische
Zusammenarbeitskommandos) bei Demonstrationen zum Einsatz kommen.
Dies obliege den Landesbehörden. Selbst der bewaffnete
Militäreinsatz anlässlich von Streiks im Transport-, Energie- oder
Gesundheitswesen sowie bei der Müllabfuhr wird nicht ausgeschlossen
- eine Entscheidung darüber sei "dem jeweiligen Einzelfall
vorbehalten".(3)
Die Bundestagsabgeordnete der Partei DieLinke Ulla Jelpke dazu:
"Die Bundesregierung hält sich damit alle Optionen für den
Militäreinsatz im Inneren offen. Die ZMZ-Kommandos wirken gleichsam
als militärische Vorauskommandos, die schleichend in die zivilen
Verwaltungsstrukturen einsickern. Das Konzept der ZMZ läuft damit
letzten Endes auf einen offenen Verfassungsbruch hinaus."
Eine weitere Schlagzeile hat es wirklich gegeben:
"Militarisierung schreitet voran", meldet Neues
Deutschland am 31. Mai - auf Seite 14 unter "Aus den
Ländern". Berichtet wird über Verträge der Bundeswehr mit
den Job Centern Arge und den Schulministerien der Länder, die den
Zweck verfolgen, Schüler und Berufsanfänger militaristisch zu
indoktrinieren und anzuwerben. Ein Thema, das weit größere
Beachtung verdient.
Denn der heutige globale Kapitalismus steuert weltweit "auf
einen autoritären Ausweg" zu, schreibt Conrad Schuhler(4). Die
Teilung in Menschen im Überfluss und solche in Not und Unsicherheit
fände sich zunehmend in den "Wohlstandsgesellschaften"
selbst: Einerseits gute Arbeit, Mitgestaltung und Konsum für
Wenige, andererseits sinnentleerte Arbeit, Kommandostrukturen und
Existenzminimum für Viele. Die soziale Spaltung reißt weiter auf,
die Zahl der "Verlierer" wird national und global weiter
zunehmen. Zäune um die Wohlstandsinseln zu errichten, werde nicht
genügen. "Die wachsenden Massen der Armen und
Hoffnungslosen", so Schuhler, "müssen unter Kontrolle
gehalten werden, und die Kontrollmaßnahmen werden um so mehr Zwang
enthalten, je mehr das Einverständnis oder das bloße Stillhalten
der Verlierer abnimmt. National müssen aus der Logik dieser Art von
Kapitalherrschaft Elemente des Polizei- und Überwachungsstaates,
international der immer totaleren militärischen Kontrolle
erwachsen."
Dass in Deutschland der Einsatz der Bundeswehr im Innern und die
Verschmelzung aller Sicherheitssysteme - vor allem Militär und
Polizei - mit immer größerem Nachdruck von den politischen und
ökonomischen Eliten gefordert wird, beleuchtet diese Entwicklung
ebenso wie die Behauptung, dass man in Afghanistan keinen
altmodischen Krieg, sondern militärische und polizeiliche
Entwicklungshilfe beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft
führen müsse. "Solche und ähnliche Aufgaben nach innen und
außen werden der Bundeswehr und der NATO nicht ausgehen.
EU-Strategen sehen die Hauptlinien, die zu militärischen Konflikten
führen, nicht mehr zwischen den Staaten, sondern zwischen den
Klassen in den einzelnen Gesellschaften. Hier müsste ‚der Westen'
überall jederzeit militärisch eingreifen können, um in den
betreffenden Ländern Ordnungen in seinem Sinne durchsetzen zu
können."(5)
(1) Kölner Stadtanzeiger 4. 1. 2010.
(2) Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode, 17.2.09, Protokoll Seite
14757 bis 14761.
(3) BT-Drucksache 16/13847 vom 26. August 2009.
(4) Conrad Schuhler in "Wirtschaftsdemokratie und
Vergesellschaftung - Zu einer solidarischen Gesellschaft jenseits
des Kapitalismus", isw Report Nr. 79, München 2010, Seite 16.
(5) dito.
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