30.04.2010
Gedenktafel für katholischen Widerstandskämpfer
und ehemaligen VVN-BdA-Präsidenten Dr. Rossaint eingeweiht
Am 28. 4. 2010 erfolgte die Einweihung der
Gedenktafel für Kaplan Dr. Joseph Cornelius Rossaint,
Widerstandskämpfer und ehemaliger VVN-BdA-Präsident, an „seiner“
Kirche St. Mariä Empfängnis. Bei dieser Gelegenheit hielt Jürgen
Schuh, Sprecher der VVN-BdA Düsseldorf, die folgende Ansprache:
„Heute, vor 73 Jahren, am 28. April 1937 wurde
Kaplan Dr. Joseph Cornelius Rossaint vom 2. Senat des
NS-Volksgerichtshofes zu Berlin wegen Hochverrats zu 11 Jahren
Zuchthaus verurteilt. Kaplan Dr. Rossaint war am 29. Januar 1936 von
der Gestapo verhaftet worden. Seine letzte Heilige Messe vor der
Verhaftung hielt er hier in dieser Kirche, wo er fünf Jahre wirkte.
Bereits seine Tätigkeit in Oberhausen als Kaplan
war von der Sorge um den Frieden geprägt. So fand 1931 im April/Mai
die Aktion „Die katholische Jugend gegen den Nationalsozialismus“
statt. In von ihm verbreiteten Flugblättern hieß es: “12
Millionen Tote im Weltkrieg 1914/18! Denkt immer daran! Nie mehr
Krieg!“ und “Verabscheut den Krieg in jeder Form! Denkt an die
Bergpredigt!“
Heute, vor 73 Jahren, am 28. April 1937 wurde Kaplan Dr. Joseph
Cornelius Rossaint vom 2. Senat des NS-Volksgerichtshofes zu Berlin
wegen Hochverrats zu 11 Jahren Zuchthaus verurteilt. Kaplan Dr.
Rossaint war am 29. Januar 1936 von der Gestapo verhaftet worden.
Seine letzte Heilige Messe vor der Verhaftung hielt er hier in
dieser Kirche, wo er fünf Jahre wirkte.
Bereits seine Tätigkeit in Oberhausen als Kaplan war von der
Sorge um den Frieden geprägt. So fand 1931 im April/Mai die Aktion
„Die katholische Jugend gegen den Nationalsozialismus“ statt. In
von ihm verbreiteten Flugblättern hieß es: “12 Millionen Tote
im Weltkrieg 1914/18! Denkt immer daran! Nie mehr Krieg!“ und “Verabscheut
den Krieg in jeder Form! Denkt an die Bergpredigt!“
Im Rahmen seiner Tätigkeit als Kaplan war er bemüht, auf die
Gefahren aufmerksam zu machen, die vom Hitlerfaschismus für den
Frieden ausgingen. Insbesondere verwies er auf die enge Verbindung
von faschistischem Staat, Militär und Rüstungsindustrie. 1933
schrieb er in einem Artikel: „Es gibt zwei Gruppen von
Menschen, die an einer Heeresmacht und Krieg ein größtes Interesse
haben: das ist das Militär und die Rüstungsindustrie…“.
Das sollte sich schnell bewahrheiten.
Kaplan Rossaint hoffte, dass die vom Faschismus ausgehende Gefahr
für den Frieden durch gemeinsames Handeln der Andersdenkenden
gebannt werden könne. Dies schloss für ihn im Jugendbereich das
Zusammengehen mit sozialdemokratischen und kommunistischen
Organisationen ein.
Dr. Rossaint versuchte, über weltanschauliche, religiöse und
politische Grenzen hinweg das zu realisieren, was Faschismus und
Weltkrieg hätte verhindern können. Kern war die Idee gemeinsamen
Handelns von Antifaschisten verschiedener Richtungen. Ein Gedanke,
der gerade in der heutigen Auseinandersetzung mit Neonazis und
Rassisten aktuelle Bedeutung erhält.
Die entstehenden Kontakte der katholischen Sturmschar und dem
Jungmännerverband in Oberhausen, Düsseldorf und Köln mit dem
Kommunistischen Jugendverband endeten abrupt mit der Verhaftung von
zahlreichen Funktionären des KJVD und der folgenden Verhaftung von
Dr. Rossaint und seinen Mitstreitern.
Im berüchtigten „Berliner Katholikenprozeß“ erhielt Kaplan
Dr. Rossaint von allen Angeklagten mit elf Jahren Zuchthaus die
Höchststrafe. Für den NS-Gerichtshof scheint bei der Festlegung
der Strafe der Gedanke gemeinsamer Widerstandsarbeit von Christen
und Kommunisten als große Gefahr für den NS-Staat gesehen worden
zu sein.
Bis zur Befreiung im Mai 1945 verbrachte Dr. Rossaint fast neun
Jahre im Kerker. In diesen langen Jahren lernte er die Solidarität
unter seinen Mithäftlingen – darunter wieder die Kommunisten -
kennen und schätzen.
Die Hitler-Regierung hatte wenige Wochen vor Kriegsende den
Befehl gegeben, alle politischen Gefangenen aus den Zuchthäusern zu
ermorden. Auf der Todesliste im Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen
stand auch der Name Rossaint. Es ist Angehörigen der
Zuchthausverwaltung zu verdanken, dass Rossaint nicht zu den 71
Mordopfern gehörte, die am 13. April (kurz vor Einmarsch der
US-Truppen) in der Wenzelnbergschlucht bei Solingen-Landwehr
ermordet wurden.
Joseph Rossaint sah wie viele seiner Leidensgenossen 1945 die
große Chance eines völligen Bruchs mit der faschistischen und
militaristischen Vergangenheit, die große Chance eines
demokratischen Neuanfangs.
Zunächst meldete er sich in seinem Erzbistum Köln zurück und
bat um Wiederaufnahme seines Priesteramtes. Kardinal Frings ließ
mitteilen, dass dies an zwei Bedingungen geknüpft sei:
- Keine politische Betätigung;
- Abbruch der Beziehungen zu Nazigegnern aus der Haftzeit, (von
denen die meisten Kommunisten waren).
Die Antwort Rossaint’s: Auf diese Bedingungen könne er nicht
eingehen, weil sie in völligem Gegensatz zu seinen Erfahrungen in
der Nazizeit stünden.
So blieb ihm die Ausübung des Priesteramtes versagt.
Die Hoffnungen von Joseph Rossaint und tausender überlebender
Häftlinge aus Zuchthäusern und Konzentrationslagern auf ein neues
antifaschistisches Deutschland verflogen schnell.
Bei der Gründung der VVN-NRW am 26. Oktober 1946 stellte der
damalige Ministerpräsident Dr. Rudolf Amelunxen von der
katholischen Zentrumspartei fest:
“Man erlebt heute bei manchen Zeitgenossen eine fast
unglaubliche Fühllosigkeit und Verhärtung. Die sogenannten
Kazettler werden ungern gesehen und als unbequem empfunden. Man
lehnt sie vehement ab als Radikalisten oder Extremisten, die ihr
Schicksal sich eigentlich selbst durch ihr ewiges Krakeelen zu
verdanken hätten.“
Die Restauration der alten Besitz- und Machtverhältnisse, die
den Faschismus ermöglicht hatten, begann schnell. Alte Nazis saßen
in Politik, Wirtschaft, Justiz und Polizei bald wieder fest im
Sattel. Für Antifaschisten war die Tatsache ein Skandal, dass im
von Konrad Adenauer mitgeleiteten Auswärtigen Amt mehr Nazis saßen
als im Auswärtigen Amt unter Hitler.
Der VVN brachten ihre massiven Proteste gegen Nazis in höchsten
Ämtern ein zeitweiliges Verbot ihrer Wochenzeitung „Die Tat“
und ein Verbotsverfahren ein. Das Verfahren wurde eingestellt, weil
die zuständigen Richter selbst hochbelastete NS-Juristen waren.
Rossaint begann eine vielschichtige journalistische und
politische Tätigkeit. Der Gedanke der sozialen Gerechtigkeit war
für ihn als Christen ein wichtiges Motiv. So widmete er sich dem
Wiederaufbau, dem Wohnungsbau und der Bodenreform. Er gründete den
„Bund Christlicher Sozialisten“. Es war seine Absicht, das auf
der Bergpredigt beruhende Christentum mit den Ideen des Sozialismus
zu verbinden und ein neues Gesellschaftsmodell zu entwickeln,
welches auf den Lehren aus Krieg und Faschismus beruht.
1945/46 war er beteiligt an der Gründung der Freien Deutschen
Jugend NRW. Am 26. Oktober 1946 an der Gründung des Landesverbandes
der VVN-NRW, und am 17./18. März 1947 war er Gründungsmitglied der
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes auf gesamtdeutscher
Ebene.
Dort formulierte er:
“Es muss endgültig verhindert werden, dass jemals wieder
von Deutschland eine Bedrohung des Weltfriedens ausgehen kann!“
Daraus ergaben sich folgerichtig die Schwerpunkte seines
Engagements: Kampf gegen die Remilitarisierung, gegen die
Wiederaufrüstung, Verbot von Atomwaffen, gegen Notstandsgesetze und
Berufsverbote, gegen Abbau von demokratischen und Bürgerrechten,
gegen Neonazismus und Rassismus. Diesen Maximen blieb er bis zu
seinem Tode am 16. April 1991 treu.
Ab 1959 war er Vizepräsident, dann Präsident der VVN.
Die Umbenennung der VVN 1971 in „Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes – Bund der Antifaschisten“ und damit die Öffnung
der Organisation für die jüngere Generation ist maßgeblich ihm zu
verdanken.
Zahllose Publikationen und eine große Anzahl wissenschaftlicher
Arbeiten stammen aus seiner Feder. Großes Ansehen genoss er in
Deutschland aber auch durch seine Auftritte in fast allen
europäischen Ländern. Viele nationale und internationale
Auszeichnungen belegen das. Der Name Rossaint hatte und hat in allen
europäischen Verfolgtenorganisationen von Moskau bis Madrid einen
guten Klang.
Wenn uns sein Leben und Wirken eine Botschaft vermitteln sollte,
dann ist es diese:
Der Kampf um Frieden und Demokratie, gegen menschenverachtende
faschistische Ideologie und Praxis ist eine universelle Aufgabe für
jeden Menschen guten Willens. Und zwar unabhängig von
Weltanschauung und Religionszugehörigkeit.
Das hat uns Joseph Rossaint vorgelebt.
Wem noch vergönnt war, ihn zu kennen – Pfarrer Kaulmann und
einige von uns (ich selbst auch) - wird das sicherlich bestätigen.
In dankenswerter Offenheit hat Stadtdechant Monsignore Rolf
Steinhäuser in der gemeinsamen Veranstaltung der katholischen
Kirche, der Mahn- und Gedenkstätte und der VVN-BdA zum 100.
Geburtstag von Dr. Joseph Cornelius Rossaint 2002 ausgeführt:
“Wir ehren damit einen Mann, der ganz gerade und aufrecht
war, der sich auch unter Druck nicht hat verbiegen und korrumpieren
lassen. …Heute stehe ich als Vertreter der Kirche traurig vor der
Tatsache, dass ein Mann der Kirche und des Glaubens in der Kirche an
seiner Gewissensüberzeugung gescheitert ist.
In der Nazizeit wie im Nachkriegsdeutschland hat ihn seine
Wahrhaftigkeit und seine Konsequenz an den Rand der Kirche geführt,
die sich 1937 von ihm distanzierte und deren politische Linie nach
1945 auch keinen Platz für ihn kannte….Ich freue mich über den
Gedanken, das Gedächtnis an Kaplan Rossaint in Düsseldorf wach zu
halten, indem man eine Gedenktafel für ihn anbringt…“
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
wir sind sehr froh, dass die Worte von Stadtdechant Rolf
Steinhäuser heute Realität werden und wir diese Gedenktafel heute
einweihen und der Öffentlichkeit vorstellen können.
Bevor wir die Tafel enthüllen, möchte ich Ihrem Bruder Dr. J.
C. Rossaint und unserem Freund und Kameraden Jupp Rossaint als Wort
des Dankes einen kleinen Aphorismus von Kurt Tucholsky widmen:
“Denn nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr
Charakter,
als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden
und laut zu sagen: NEIN!“
Und jetzt übergeben wir diese Gedenktafel der
Öffentlichkeit.
Ich danke Ihnen.
Presseschau:
In Nazizeit verfolgt
Gedenktafel für Kaplan
VON MICHAEL BROCKERHOFF - zuletzt aktualisiert: 29.04.2010 -
07:45
Düsseldorf (RP) Sein Mut und seine Geradlinigkeit sind
bewundernswert, aber von diesen herausragenden Eigenschaften des
Düsseldorfer Kaplans Joseph C. Rossaint wurde jahrzehntelang kaum
Notiz genommen. Erst am Mittwoch, 19 Jahre nach seinem Tod, wurde an
der Marienkirche, an der Rossaint von 1932 bis 1936 Kaplan war, eine
Gedenktafel enthüllt.
Dabei war Rossaint in aller Welt bekannt, allerdings nur einige
Wochen während eines Schauprozesses, den die Nationalsozialisten in
Berlin inszeniert hatten und über den weltweit berichtet wurde. Die
Kontakte Rossaints zu kommunistischen Widerstandskämpfern standen
im Mittelpunkt, das Regime wollte mit dem Prozess beweisen, dass die
Kirche mit Staatsfeinden paktierte.
"Aber die Kontakte Rossaints waren nicht Teil eines
organisierten großen Netzwerks der Kirche, sondern waren durch die
persönlichen Lebensumstände Rossaints entstanden", erläutert
der Kirchenhistoriker Ulrich Brzosa. Der Priester und überzeugte
Pazifist war von der Gestapo observiert worden, weil er in der
Jugendarbeit mit der katholischen Sturmschar und mit seinem
Engagement für den Friedensbund Deutscher Katholiken auf die
Verbrechen des Regimes aufmerksam machte.
Von Kontakten zu Kommunisten – Roissant hatte sie während
ihrer Haft besucht – erfuhr die Gestapo eher zufällig, so Brzosa.
Sie verhaftete ihn 1936. Wegen dieser Kontakte wurde er 1937 zu elf
Jahren Zuchthaus verurteilt.
Die Kirche ging auf Distanz zu ihm, auch nach dem Zweiten
Weltkrieg sollte sich Rossaint nicht politisch betätigen und den
Kontakt zu den ehemaligen Weggefährten abbrechen. Das wollte er
nicht und verzichtete daher grundsätzlich auf ein Amt in der
Kirche. Er setzte sich publizistisch für Völkerverständigung und
Pazifismus ein, war auch Mitbegründer des Verbands der Verfolgten
der Nationalsozialisten (VVN).
http://www.rp-online.de/duesseldorf/duesseldorf-stadt/nachrichten/Gedenktafel-fuer-Kaplan_aid_850766.html
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