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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

10.04.2010

Frieden und Demokratie brauchen viel Ausdauer

Pfarrer i.R. Peter Strube aus Dortmund auf dem Ostermarsch Ruhr am Ostermontag 2010

Herzlich willkommen. Ihr seid großartig, friedensstiftend, Ihr habt einen langen Atem und eine gute Ausdauer. Wer sich heutzutage auf den Ostermarsch begibt, 50 Jahre nach der Gründung, der verdient viel Respekt und Anerkennung. Denn, das wissen wir, die Blütezeit der Ostermärsche, wo ich vor 50-60ooo Menschen reden durfte, sind vorläufig vorbei. Wer sich auf den Weg des Friedens begibt, ist erst mal verdächtig, er / sie könnte ferngesteuert sein.

Pfarrer i.R. Peter Strube aus Dortmund auf dem Ostermarsch Ruhr am Ostermontag 2010

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde.

Herzlich willkommen. Ihr seid großartig, friedensstiftend, Ihr habt einen langen Atem und eine gute Ausdauer. Wer sich heutzutage auf den Ostermarsch begibt, 50 Jahre nach der Gründung, der verdient viel Respekt und Anerkennung. Denn, das wissen wir, die Blütezeit der Ostermärsche, wo ich vor 50-60ooo Menschen reden durfte, sind vorläufig vorbei. Wer sich auf den Weg des Friedens begibt, ist erst mal verdächtig, er / sie könnte ferngesteuert sein.

Nicht mehr, wie vor den 90er Jahren vom Osten , sondern von Islamisten, Pazifisten, Friedensaktivisten und sonstigen Isten. Ja, liebe Freunde, die mildeste Form der Beachtung unserer Bewegung ist noch die der Ignorierung, Nicht-Beachtung. Was kommt denn in den Medien von den tausenden rüber, die sich wie ihr auf den langen, schweren Weg machen, für Frieden und Abrüstung, für soziale Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung und gegen den unverbesserlichen, weil im Kern falschen, abzulehnenden, durch nichts zu rechtfertigenden Neonazismus aufzustehen. Ein Zweizeiler in den TV-Nachrichten, ein kleines Nichts in einer der sog. Seriösen Sonntagszeitungen und am Dienstag ist ein kleiner Artikel in den Regionalzeitungen zu erwarten - ich würde mich um des Friedens willen freuen, wenn endlich der Frieden, die Suche nach dem Frieden und der Einsatz für den Frieden eine andere Resonanz fände als in der Vergangenheit. Wie sehr müssen wir doch immer wieder beklagen, mit welcher Ignoranz friedensrelevante Aktionen bedacht werden, eben gar nicht oder nur wenig vorkommen – dagegen die ach so wichtigen Entäußerungen von manchen Parlamentariern ihren Platz finden. Wenn ein Herr Westerwelle sich zu Hartz IV äußert und seine unsägliche Vorstellungen dazu von Talkrunde zu Talkrunde bevorzugt weiterverbreiten darf, dann ist das Demokratie der Machart: wer hat die Macht in den Medien oder über die Medien. Ob sich der Vorschlag der Justizministerin zur verfassungsrichterlich seit Jahren angemahnten wirklichen Pressefreiheit zu einer Demokratisierung der Medienlandschaft entwickelt, darf sehr bezweifelt werden. Wenn sich unser Kriegsminister von und zu Gutenberg mit medienfreundlichem Leidensgesicht dahinstellt und den Tod der deutschen Soldaten bedauert, in gleichem Atemzug verschweigt, daß den 42 Toten der BUWE Tausende und Abertausende Menschen in Afghanistan diesem nicht erklärten Krieg vorausgegangen sind und weiter folgen werden, dann ist dies Scheinheiligkeit in höchster Potenz.

Liebe Friedensfreunde, Medienschelte ist das eine, wobei wir wissen, dass manche Reporter nicht so können, wie siewollen, denn ihre Artikel werden gar nicht zugelassen. Aber was macht eine Zeitung, die sich einmal sehr kritisch gab und nun vor gut einer Woche mit einem Aufmacher die ganze bürgerliche Prominenz bediente: Linke Gewalt schwer im Kommen, noch mit einem großformatigen Bild auf der Titelseite untermalt. Im Grunde hätten sofort alle kritischen Leser diese Zeitung abbestellen müssen. Denn, auch wenn in der weiteren Berichterstattung eine gewisse Differenzierung vorgenommen wurde, ist der erste Eindruck, der sich beim flüchtigen Leser einstellt und bei dem, der nur das Titelblatt sieht, beherrschend und kaum zu revidieren. „Die Linken sind gewalttätig.“

Welche Manipulation einmal mehr. Da werden alle Krawalle, die nicht eindeutig der rechten Szene zuzuschreiben sind, auf die Linke verteilt. Da werden Autozerstörungen besorgter Bürger in Arbeitervierteln, in die sich Reiche einkaufen und die Preise schlagartig bei Mieten und Konsumwaren hochschnellen lassen, in die linke Ecke gedrückt. Ich gebe zu, daß ich Autozerstören auch nicht für ein geeignetes Mittel halte, die Öffentlichkeit auf Mietwucher und Kiezerhaltung aufmerksam zu machen, aber vielleicht sehen sich manche einfach nicht anders als auf diese Weise dazu in der Lage. Und die berechtigte Wut, daß immer wieder bei rechten Aufmärschen diese geschützt werden, kann ich auch verstehen, wenngleich ich auch da versuche, auch um der politischen Wirkung willen, Gewalt zu vermeiden.

Womit ich nicht verhehle, daß eine Betrachtung von Gewalt eine eigene Reflexion wert ist, wenn strukturelle Gewalt sowohl in unserem Land als auch weltweit ungleich viel mehr Tote erfordert als alle kleinen und großen Gewaltanwendungen bei Demos.

Und damit sind wir bei einem unserer Hauptthemen: die verfluchte Gleichsetzung von links und rechts, ja schlimmer noch: die weitere Hatz auf alles, was links ist, und die systematische Verharmlosung der rechten Gewalt. Da schreiben NPD Großkofeten an die Schulen, um ihre Vorstellungen zu verbreiten; da kündigt die NPD in aller Unverschämtheit an, auf den Schulhöfen ihre musikalischen Machwerke zu verteilen; da bewirbt sich eine seriös sich gebende Partei, selbst inzwischen vom Fernsehen etwas kritisch gesehene Partei wie pro NRW, um Posten im Landtag. Es ist inzwischen bekannt, die Rechten haben viele Gesichter, und sie sind nicht immer sofort zu erkennen; um so wichtiger, daß wir uns ihnen entgegenstellen, Solidarität mit den Menschen üben, die sich hier in Dorstfeld nicht mehr sicher fühlen, mit der Familie, sich schon aus berechtigter Furcht ihren Wohnort verlassen haben. Laßt mich erwähnen, daß mein Einstand in Dortmund vor über 30 Jahren damit begann, daß sich Menschen aus der Umgebung an mich wandten und ihre Ängste über konkrete Bedrohungen von rechten Gruppierungen formulierten . Es ist also kein neues, aber immer drängenderes Problem, daß wir in unserer Gesellschaft es immer noch nicht fertig gebracht haben, diesen ach so furchtbaren Schoß zu verschließen: der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem es kroch. Dieses Plakat aus den 70er/80er Jahren hat sich eingeprägt und ist aktueller denn je. Es muß endlich das Verbot der NPD her, die sonst so schnell verbietende Legislative ist mehr als dringend am Zug. Material gibt es die Hülle und Fülle – oder wollen wir ein zweites Mal am ersten Mai überfallen werden und die milden Urteile der Täter bis zur Straffreiheit klaglos hinnehmen. Was eigentlich, liebe Freundinnen und Freunde, muß noch geschehen in diesem Land, bis wir endlich aufstehen und aufbegehren, machtvoll und druckvoll .

Ebenfalls im Umfeld des letzten ersten Mais geschah es, daß der DGB- Vorsitzende Sommer es wagte, von möglichen sozialen Unruhen zu reden. Welche ein einhelliges Aufjaulen der gesamten Politikerelite, und als Lafontaine nachlegte, da war es endgültig vorbei: Da wird ja zu Widerstand aufgerufen. Ja, liebe Freunde, Widerstand ist unsere Pflicht und wir, das dürfen wir in aller Bescheidenheit sagen, sind diejenigen, die friedenspolitisch, sozialpolitisch, umweltpolitisch mit aufpassen, daß der Karren BRD nicht noch schneller und gewaltiger in den Abgrund fährt als geplant. Wir haben viele kleine Erfolge, ob Obamas Vision von einer atomwaffenfreien Welt ernst gemeint ist, lassen wir dahin gestellt sein – und auch seine sogenannte Friedensrede bei der Verleihung des Friedensnobelpreises läßt zu Recht große Zweifel zu, aber es ist immerhin mal gesagt worden und wir dürfen uns nicht damit begnügen, diese Vision abtauchen zu lassen.

Und auch der Vision einer sozialen Gerechtigkeit sollten wir nicht den Laufpaß geben, auch wenn unsere Landesregierung vor fast zwei Jahren beschlossen hat, die Mittel aus dem europäischen Sozialfond von 4,3, Millionen Euro nicht mehr den sehr wirksamen Hilfsangeboten für Arbeitslose in den Zentren und Beratungsstellen zur Verfügung zu stellen, sondern ersatzlos zu streichen. Hundertausende von Menschen sind in der Vergangenheit gut und menschenwürdig beraten worden, haben nicht das Gefühl von Bettelei und Bittstellerei vermittelt bekommen wie in vielen Argen, wo die meisten der Mitarbeiter auch zudem hoffnungslos überfordert sind mit dem permanent verschlimmbesserten Gesetzen und Verordnungen zu Hatz 4. Kaum ein anderes Gesetz ist so permanent berechtigter Kritik ausgesetzt gewesen, von Anfang an haben viele die fatalen Folgen dieser Diskriminierung von Arbeitslosen/Erwerbslosen voraus gesehen. Und es ist streckenweise noch schlimmer geworden. Wir haben oben schon unseren Herrn Außenminister des Inneren gehört, der ja meint, daß die Sätze gesenkt werden könnten und die Erwerbslosen doch bitte schön Schnee schippen können.

Allein auf unser ALZ (Arbeitslosenzentrum Dortmund) bezogen, das übergangsweise für knapp zwei Jahre gerettet wurde, dank einer anerkennenswerten Einsatzleistung von ARGE und Stadt, haben Mitarbeiterinnen tausende von Euros für die Ratsuchenden „rausgeholt“, also falsche Bescheide korrigieren können und vielen Familien zum Existenzbedarf verhelfen können.

Und noch mal zu Afghanistan: in Stichworten

Es hat nie eine Debatte gegeben. Die Anfänge. BRD und NATO haben sich danach gedrängt, mitmischen zu dürfen.

Das Mandat des Sicherheitsrates nach wie vor wackelig, umstritten

Vor 4-5- Jahren kündigte Bush Offensive an – danach begann der Guerillakrieg mit den Selbstmordattentätern – alle bisherigen kleinen Erfolge verpufften im Nichts

Krieg immer deutlicher also solcher auch öffentlich zu erkennen. Aber auch die kühnste und verschleierndste Sprachartistik kann vom Tatbestand des Krieges nicht ablenken.

Anfangs nach dem 9.11. haben einige gedacht, es könnte ein Umdenken stattfinden, nach Ursachen des Terrors gesucht werden, schwer getäuscht. Heute spricht keiner mehr davon, nur noch von Strategie – trotzdem. Der Widerstand der Bevölkerung zwingt zum Umdenken. Es gibt Pläne, vorsichtige Überlegungen, aus dem furchtbare n Krieg herauszukommen.

Debatte mit Kässmanns Silvester- Botschaft eröffnet – Ihr hat das Echo zugesetzt. Sicher auch ein Grund für ihren Rücktritt. Sie ist keine Heilige, hat aber etwas bewegt. Also: bitte auch Kirchen weiter in die Pflicht zum Widerstand nehmen

Weitere Stichworte:

Frieden als Überwindung von Krieg und Militär , militaristisches Denken

Soziale Gerechtigkeit weltweit als Grundvoraussetzung für Frieden

Bewahrung der Schöpfung – Klimakatastrophe

Aber auch die Ernährungsgewohnheiten . Genmanipulation amerikanischer Konzerne

Was können wir tun:

Ein großes Friedensfest feiern. Die Initiative zum Antikriegstag nicht den Rechten über lassen.

Ein breites Bündnis aller demokratischen Kräfte von der Antifa zu den Kirchen, von der linken bis zu den Umweltbewegungen, von Ostermarschierern zu den Sozialforen - ein breites klares Bündnis gegen rechts, gegen Armut, gegen Krieg, gegen Atomkraft aller Art, für eine friedliche Welt in sozialer Gerechtigkeit weltweit

Und das ist möglich, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde.

Wir brauchen weiter den langen Atem und die Sicherheit, das Richtige zu tun.

Laßt mich zum Abschluß noch ein Wort von Albert Einstein vortragen:

Die politische Apathie der Menschen in ruhigen Zeiten bewirkt, daß man sie so leicht zur Schlachtbank führen kann. Weil sie heute zu faul sind, nur durch ihre bloße Unterschrift ihren Willen zur Abrüstung zu bekunden, werden sie morgen bluten müssen.

Unser größter emotionaler Feind ist Apathie und Gleichgültigkeit, Resignation vor den furchtbar vielen Fallen eines wahnsinnigen, aber perfekten Systems des Kapitals mit Zuckerbrot und Peitsche.

Wir haben noch viel zu tun, marschieren wir weiter für Frieden und Gerechtigkeit.

Danke für Euern Einsatz und Eure Aufmerksamkeit.