06.04.2010
Abschied von Jupp Angenfort
Am 30. März wurde in Düsseldorf der
Ehrenvorsitzende der VVN-BdA NRW Jupp Angenfort zu Grabe getragen.
Wir veröffentlichen nun auch die Rede, die Heinz Stehr,
Vorsitzender der DKP, bei der Trauerfeier hielt.
Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP: Rede zur Trauerfeier Jupp
Angenfort
Dienstag, 30. März 2010, Stoffeler Friedhof, Düsseldorf
Liebe Angehörige,
liebe Freundinnen und Freunde,
Nachbarinnen und Nachbarn,
Kameradinnen und Kameraden,
Kolleginnen und Kollegen,
Genossinnen und Genossen,
heute müssen wir uns von Josef, genannt Jupp, Angenfort
verabschieden, der am 13. März im 87. Lebensjahr in Düsseldorf
verstarb.
Die große Trauerfeier zeigt an, dass wir gemeinsam einen von
vielen geachteten Menschen verloren haben, dessen Tod uns auch
deswegen traurig stimmt, weil sein Leben uns so viel Gutes
vermittelt und sein Tod einen kaum zu ersetzenden Verlust markiert.
Jupp wird nach seinem Tod in Anzeigen, Briefen und Würdigungen
als mutiger, intelligenter, einfühlsamer und kämpferischer Mensch
beschrieben. Wer so viele positive Eigenschaften besaß oder
besitzt, gehört zweifelsohne zu jenen, die man als besonders
wertvolle Menschen wahrnimmt. Bestechend waren seine politischen
Analysen, seine Argumentation, verbunden mit Schlussfolgerungen dazu
und seine Ideen, um positive Veränderungen zu erreichen. Dabei
blieb er Zeit seines Lebens außerordentlich bescheiden. Zu seinem
Wesen gehörte es, vieles auch mit einer guten Portion feinsinnigem
Humor zu vermitteln.
Jupp Angenfort besaß Charisma und persönliche Ausstrahlung. Ein
Grundzug seines Wesens war Ehrlichkeit, gepaart mit Offenheit. Das
wussten seine Freunde und Genossen an ihm zu schätzen, und das
beunruhigte seine Gegner. Er war auf UZ-Pressefesten, Parteitagen
der DKP, Kundgebungen, Demonstrationen, öffentlichen
Veranstaltungen präsent. Mit seiner Ehefrau, Kampfgefährtin und
Genossin Mia war er immer und überall dabei, wenn es um soziale
Gerechtigkeit, den Kampf um Frieden, Demokratie und Antifaschismus
ging. Es ist zu hoffen, dass möglichst viele junge Menschen die
beeindruckende DVD "Josef, genannt Jupp" ansehen und ihre
Schlussfolgerungen ziehen werden für das eigene Leben.
"Jagt die braunen Richter fort - Freiheit für Jupp
Angenfort!" Auch diese Losung wurde in der Zeit der 68-er
Bewegung gerufen. Daran erinnert Guntram Schneider, DGB-Vorsitzender
von NRW, in seinem Kondolenzbrief an Ulrich Sander. Dort heißt es
weiter: "Ich spreche im Namen der nordrhein-westfälischen
Gewerkschaften der VVN-BdA meine tiefe Trauer und Anteilnahme
angesichts des Todes von Jupp Angenfort aus. Sein Leben war nicht
umsonst. Wir müssen jetzt unsere politische Praxis so gestalten.
damit wir den Idealen von Jupp Angenfort gerecht werden."
Wer die Biografie von Jupp kennt, der kann ermessen, welche
konkreter Anspruch damit formuliert wird. Nur einige kurze
Beispiele:
Nach dem Abitur 1942 muss Jupp Soldat werden. Am 7. Oktober 1943
gerät er in Kriegsgefangenschaft. Er wird Mitglied im
Nationalkomitee Freies Deutschland und zu einer Antifa-Schule in der
Sowjetunion delegiert. 1949 zurück in Düsseldorf, wird er 1950
Mitglied der KPD und der Freien Deutschen Jugend - FDJ. In der
Landesleitung der KPD lernt er Mia kennen und heiratet sie. 1951
wird er der jüngste Landtagsabgeordnete im NRW-Landtag. Das bleibt
er bis 1954. In dieser Zeit wird er Mitglied des Präsidiums und
Sekretariats der KPD.
Die FDJ wurde im Juni 1951 verboten, Funktionäre werden
verfolgt. Jupp wird am 12. März 1953 unter Bruch seiner Immunität
auf offener Straße entführt, in Untersuchungshaft gesteckt und in
einem Hochverratsprozess zu fünf Jahren Zuchthaus und zum Verlust
der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Für ihn gelten im
Münsteraner Zuchthaus besonders harte Haftbedingungen. Aber er
erhält auch umfassende Solidarität, Achtung und Unterstützung in
jener Zeit.
Als er am 4. April 1962 wegen eines Haftprüfungstermins nach
seiner zweiten Verhaftung fliehen kann, ist das ein besonderes
Ereignis, vor allem für uns junge Kommunistinnen und Kommunisten.
Jupp Angenfort bewies in dieser Zeit antikommunistischer Hysterie
und Verfolgung, dass es möglich war, Widerstand zu leisten und mit
mutigen Aktionen den Häschern eine Niederlage beizubringen. Es war
die Zeit des kalten Krieges, in der zehntausend Kommunistinnen und
Kommunisten in der zwölfjährigen Zeit des KPD-Verbots verfolgt,
verhaftet und verurteilt wurden.
Auf abenteuerliche Weise kehrte er aus der DDR in die BRD
zurück. Sein erster Weg war zu seiner Familie. Erneut wurde er
allerdings verfolgt und auch wieder eingesperrt. Eine Begnadigung
durch den KZ-Baumeister und Bundespräsidenten Lübke lehnte er ab.
Er und wir, die Mitglieder der KPD, erkämpften die Möglichkeit,
wieder legal als Kommunistinnen und Kommunisten in der DKP politisch
tätig werden zu können. Von 1969 bis 1989 war Jupp Mitglied des
Präsidiums der DKP. In den Jahren der Entwicklung der DKP bis Mitte
der 80-er Jahre leistete er einen Beitrag zur Formierung der DKP und
war er zugleich anerkannter Partner in und Mitgestalter von
zahlreichen Bündnissen. Ihm war die Zusammenarbeit
unterschiedlicher politisch orientierter Teile der Linken stets eine
besonders wichtige Aufgabe. Seine kommunistischen Überzeugungen,
die Erfahrungen im Jahrzehnte langen Kampf brachte er in einer Art
und Weise in Bündnisse und Bewegungen ein, die ihm viel Anerkennung
und auch Freundschaften einbrachte.
Die Zeit der Niederlage des Sozialismus in Europa 1989/90 war
auch für Jupp eine besondere Herausforderung. Vieles musste neu
durchdacht, diskutiert und auch verändert werden. Die
Grundüberzeugungen jedoch blieben. Die Erkenntnis dass eine
kapitalistische Gesellschaftsordnung unfähig ist, Frieden, soziale
Sicherheit, Gerechtigkeit, Freiheit, Demokratie und Fortschritt zu
garantieren, wurde auch durch den Zusammenbruch und die Zerschlagung
des Sozialismus in Europa nicht erschüttert. Eine Gesellschaft, die
humanistischen, sozialen und demokratischen Werten verpflichtet ist
und bleibt, kann nur existieren, wenn die Ausbeutung des Menschen
durch den Menschen überwunden wird und die Bedürfnisse und
Leistungen der großen Mehrheit der Bevölkerung Maßstab
politischer Entscheidungen werden.
Jupp blieb seinen Überzeugungen treu und half uns, die dann die
Verantwortung in der DKP übernahmen, in bis heute andauernden
schwierigen Zeiten, kommunistische Politik und die DKP als Partei zu
sichern. Wie notwendig eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus,
ist, zeigt der aktuelle Krisenverlauf. Sozialismus oder Barbarei! -
diese Losung Rosa Luxemburgs ist heute aktuelle Herausforderung.
Liebe Angehörige, Freunde und Genossen,
wir müssen uns von Jupp Angenfort verabschieden - und
versprechen zugleich, ihn nicht zu vergessen. Zu verschiedensten
Anlässen werden wir uns auf Jupp besinnen. Jene, die sich die DVD
über sein Leben und Wirken ansehen, werden von ihm lernen können.
Manche, die seine Artikel, Referate lesen können, werden
feststellen, wie aktuell seine Aussagen sind.
Wir leben jetzt in Zeiten von Veränderungen und Umbrüchen. Noch
ist unklar, in welche Richtung sich die Verhältnisse ändern
werden. Aber unsere Zuversicht bleibt: Irgendwann wird sich durch
aktives Handeln, durch neue Einsichten, auch die Bundesrepublik
Deutschland zum Positiven verändern müssen. Katastrophen wie jene,
die auch in der Vergangenheit Jupps Leben geprägt haben, müssen
wir verhindern. Und dann, in einer Zeit positiver Veränderung, wird
auch Zeit und Gelegenheit sein, öffentlicher als es jetzt möglich
ist, an unseren Genossen Jupp Angenfort zu erinnern. Zum Beispiel
durch die Benennung einer Straße oder eines öffentlichen Gebäudes
nach ihm.
Er wird in unserem Denken und Handeln unter uns bleiben.
Salut Jupp!
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