Logo VVN/BdA NRW

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

02.04.2010

Und wir werden nicht Ruhe geben, bis es heißt: "Jung, wir haben dir Unrecht getan. Entschuldige…"

Trauerrede von Bärbel Beuermann (DieLinke NRW) für Jupp Angenfort

Trauerfeier Jupp Angenfort am 30. März 2010"Und wir werden nicht Ruhe geben, bis es auch ganz offiziell aus dem NRW-Landtag heißt: "Jung, wir haben dir Unrecht getan. Entschuldige…"", sagte Bärbel Beuermann, Spitzenkandidatin der LINKEN NRW auf der Trauerfeier für Jupp Angenfort in Düsseldorf in Anspielung auf eine seiner Aussagen in der WDR-Dokumentation "Als der Staat rot sah – Justizopfer des Kalten Krieges".

Angenfort, 1951 der jüngste Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag, war nämlich 1954 trotz seiner Immunität, die er als Landtagsabgeordneter besaß, wegen Hochverrats angeklagt und zu einer Zuchthausstraße von 5 Jahren und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt worden. Er starb im Alter von 86 Jahren in seiner Geburtsstadt in Düsseldorf.

An der Trauerfeier nahmen mehr als 100 Repräsentanten der Linken und der Gewerkschaftsbewegung, darunter der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Düsseldorfer Stadtrat Frank Laubenburg und Edith Fröse, Mitglied des Landesvorstandes teil.

Weitere Informationen über das Leben und Wirken von Jupp Angenfort gibt es in dem Film "Josef genannt Jupp".

Die Rede von Bärbel Beuermann im Wortlaut:

Trauerrede für Jupp Angenfort zur Trauerfeier am 30.03.2010 in Düsseldorf

Liebe Angehörige,
liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Kameradinnen und Kameraden,
liebe Genossinnen und Genossen,

ich möchte euch mein herzliches Beileid aussprechen, ganz persönlich und auch im Namen der Partei DIE LINKE. Wer Jupp Angenfort kannte, der wird vor allem seine markante, unverwechselbare Stimme in Erinnerung behalten. Druckreife Sätze waren sein Markenzeichen, in Ruhe vorgetragen, für alle verständlich und doch ausdifferenziert.

Durch den Film "Josef genannt Jupp", dem von Olaf Klein, Christel Priemer und Ulrich Sander gefertigten Portrait wird uns diese Stimme erhalten bleiben, werden wir uns an Jupp sehr gut erinnern können. Den Verlust aber vermag auch dieser Film nicht zu mildern.

Was mich - und sicher viele andere - heute am Stärksten bedrückt, ist, dass die Bundesrepublik Deutschland es nicht vermocht hat, sich bei Jupp Angenfort für all das, was ihm angetan wurde, zu entschuldigen.

"Aber wenn wenigsten einer käme und sagte:

"Jung, wir haben dir Unrecht getan. Entschuldige ..."

Das sagt Jupp Angenfort in der WDR-Dokumentation "Als der Staat rot sah - Justizopfer des Kalten Krieges". Das Unrecht begann früh.

Nach seiner Schulzeit wurde er in die Wehrmacht eingezogen und musste an dem verbrecherischen Krieg gegen die Sowjetunion teilnehmen.

Jupp aber lernte nicht nur die Schrecken des Krieges kennen. Ihm ging auf, warum und von wem sie geplant und verursacht werden: von jenen, die an Rüstung verdienen. Von jenen, die sich von einer militaristischen Gesellschaft den größten Profit versprechen. Schon in der Kriegsgefangenschaft begann er seine Arbeit für das Nationalkomitee Freies Deutschland, sein Beitrag gegen Krieg und Nationalsozialismus.

Mit wie vielen Hoffnungen auf eine bessere Welt wird Jupp 1949 nach Düsseldorf zurückgekommen sein? Ein friedliches Deutschland schwebte ihm vor, ein Land, dass diejenigen zur Rechenschaft zieht, die den nazistischen Terror möglich gemacht haben, ein Land, in dem die kapitalistischen Strukturen, die den Faschismus erst möglich gemacht hatten, endgültig zerschlagen werden. Und: die Hoffnung auf privates Glück und ein schönes Leben.

Sie haben ihm, Jupp, schon Unrecht getan, als sie die Nazis wieder einsetzten in hohe und höchste Ämter - oder dort gleich sitzen ließen.

Sie haben ihm, Jupp, Unrecht getan, als sie wieder loslegten mit der Militarisierung Deutschlands - und ihm, Jupp, verboten, für eine Volksbefragung gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik zu arbeiten.

Sie haben ihm, Jupp, Unrecht getan mit dem Verbot der Freien Deutschen Jugend (FDJ).

Und mit ihm haben sie hunderttausenden, ja Millionen von Menschen Unrecht getan, weil die Wurzeln des Faschismus nicht ausgerottet wurden.

Und Jupp wurde dann in den Folgejahren derjenige, den sie vorführen, den sie brechen, den sie zerstören wollten mit der ganzen Macht des Staatsapparats.

Jupp wurde, weil er sich nicht abbringen ließ von seinen Überzeugungen und Grundsätzen, auch zum Symbol der demokratischen linken Opposition in de Bundesrepublik. Das ist kein leichtes Leben. Das ist nur schwer aus- und durchzuhalten, für Jupp, für Mia für die Kinder. Das sollten wir nicht vergessen, was es heißt, eingekerkert und von der Familie getrennt zu werden. Davor, dass Jupp seinen Weg weiter gegangen ist, gilt ihm höchster Respekt und Dank. Ihm und allen Angehörigen, GenossInnen und FreundInnen, die ihm dabei geholfen haben.

Ja, sie haben ihm Unrecht getan.

Sie haben ihn - trotz seiner Immunität, die er als Landtagsabgeordneter besaß - auf offener Straße festgenommen - so, dass es auf die Passanten wie das wirkte, was es wirklich war: eine kriminelle Entführung.

Sie haben ihm damit Unrecht getan.

Sie haben ihn wegen Hochverrats angeklagt und vom Bundesgerichtshof wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens, wegen Geheimbündelei und Zugehörigkeit als Rädelsführer zu einer verfassungsfeindlichen Vereinigung zu einer fünfjährigen Zuchthausstrafe verurteilt.

Sie haben ihm damit Unrecht getan.

Unrecht, für das es nie eine Entschuldigung gab, von einer Rehabilitation ganz zu schweigen.

Doch dieses Unrecht war kein Zufall, kein Fehler auf moralischer Ebene, wie auch die aktuelle Situation zeigt. Es war Absicht und Strategie, diejenigen ausschalten zu wollen, die Faschismus und Krieg bekämpfen wollten.

Nazis laufen, geschützt von Polizei und Gerichten, durch unsere Städte, antifaschistisches Engagement wird kriminalisiert. Das Eiserne Kreuz als Tapferkeitsmedaille ist wiederauferstanden. Die Bundeswehr wirbt an Schulen und ARGEn um Kanonenfutter. Deutschland ist der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt.

Im Kampf gegen diese Zustände wird uns Jupp fehlen, mit seiner Ruhe, seinen Erfahrungen, mit seinem Wissen.

Er wird aber auch da sein. Weil er und seine Lebensgeschichte, seine Lebensleistung für uns Verpflichtung sind. Und weil Jupp weder zerbrach noch verbittert wurde, sondern mit viel Elan weitermachte.

Wir werden nicht Ruhe geben, bis die Zustände in unserem Land sich ändern.

Und wir werden nicht Ruhe geben, bis es auch ganz offiziell aus dem nordrhein-westfälischen Landtag heißt:

"Jung, wir haben dir Unrecht getan. Entschuldige ..."

Und hinzugefügt wird: Jupp, Du hattest Recht. Eine bessere Welt ist möglich!