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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

22.02.2010

"Die VVN-BdA als trojanisches Pferd?"

FDP- und CDU-Kampagnen gegen die VVN-BdA werden nicht hingenommen

In Stuttgart hetzten CDU-Politiker gegen Veranstalter einer Anti-Rechts-Veranstaltung, weil diese auch die VVN-BdA einbeziehen, und in Sachsen-Anhalt besteht die FDP-eigene Friedrich Naumann Stiftung und die Landeszentrale für Politische Bildung darauf, dass in der Gedenkstätte in Halle „Die VVN-BdA als trojanisches Pferd für das Engagement gegen den Rechtsextremismus“ diffamiert wird. In NRW schließlich lässt Innenminister Ingo Wolf (FDP) in den Schulen Schriften gegen Links und gegen die Losung „Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen“ verteilen.

In Baden-Württemberg hat daher die Netzzeitung „Stattweb“ einen Solidaritätstext mit der VVN-BdA verbreitet, der von verschiedenen demokratischen Gruppen erarbeitet wurde:

stattweb.de-News und -Mitteilungen, 22.Februar 2010

Redaktion StattWeb / StattZeitung erklärt sich solidarisch mit der VVN-BdA

Das heutige Treffen der Redaktion der StattZeitung - StattZeitung für Südbaden erklärt sich solidarisch mit der VVN-BdA Kreis Stuttgart und hat beschlossen, den offenen Brief gegen die Angriffe von 4 Stuttgarter CDU Stadträten zu unterzeichnen.

Im folgenden dokumentieren wir den offenen Brief an den Stuttgarter OB Schuster und an die Stadträtinnen und Stadträte und fordern unsere Leser auf, sich ebenfalls solidarisch zu erklären:

Sehr geehrter OB Schuster,

sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, wie uns bekannt wurde, haben vier CDU-Stadträte (Dr. Klaus Nopper, Alexander Kotz, Rudolf Joachim, Fabian Mayer) am 2. Februar einen Antrag an den OB gestellt und um Aufklärung darüber gebeten, dass bei einer Veranstaltung, die im Rahmen der Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“, eine Referentin mitwirkt, die Mitglied der VVN-BdA ist. Dieser Angriff richtet sich gegen die Veranstaltung des Stadtjugendring (SJR), die am 2. März im Club Schocken sein wird, sich mit der rechten Musikszene beschäftigt und den Titel „Rechtshörig?!? – die rechte Musikszene“ trägt. Die Referentin ist nicht nur eine profunde Kennerin der rechten Szene, die häufig zu Vorträgen eingeladen wird, sondern sie arbeitet auch seit vielen Jahren im Arbeitskreis „Antifaschistische Stadtrundfahrten und Stadtrundgänge“ mit.

Der Antrag der CDU-Stadträte ist überschrieben mit „Rechtsextremismus bekämpft man nicht mit Linksextremismus“. Für sie ist die VVN-BdA „linksextremistisch“ und deshalb sei es nicht zu akzeptieren, „dass solche Veranstaltungen in Kooperation und unter dem Schirm der Landeshauptstadt ausgerichtet werden.“

Wir wenden uns ganz entschieden gegen diesen Angriff auf die VVN-BdA und den Stadtjugendring als Veranstalter. Beide Organisationen leisten seit Jahren weit über Stuttgart hinaus wichtige Bildungs- und Aufklärungsarbeit über die Naziverbrechen. Das haben sie schon zu einer Zeit getan, als viele Stadtoberen dies noch lieber beschwiegen haben.

In der VVN-BdA haben sich nach der Befreiung die Opfer des Nazifaschismus zusammengeschlossen. Die Erfahrung Faschismus und das Glück, überlebt zu haben, waren ihnen Zeit ihres Lebens Verpflichtung. Die Opfer waren es, die über die Naziverbrechen nicht geschwiegen haben, obwohl die Mehrheitsgesellschaft damals lieber vergessen wollte. Die VVN-BdA hat lange bevor es in Ludwigsburg die Zentrale Stelle gab, Beweise gesammelt und maßgeblich dazu beigetragen, dass wenigstens ein Teil der Täter zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Die Spruchkammerakten in den Archiven sind voller historischer Belege dafür. Und die VVN-BdA hat sich Zeit ihres Bestehens für die Interessen der Opfer und für die Entschädigung der ZwangsarbeiterInnen eingesetzt.

Auch das lange bevor es die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ und den Entschädigungsfond gab. Sie war zentrale Anlaufstelle für alle NS-Opfer aus dem In- und ganz besonders aus dem Ausland. Sie erhielten Hilfe bei ihrem Gang durch den Bürokratendschungel. Ebenso war der Kampf gegen alte und neue Nazis schon immer ein zentrales Feld der VVN-Arbeit.

In den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten hat sich die Erinnerungslandschaft sehr zum Positiven verändert. Stadt und Land haben die Opfer endlich anerkannt und sich der historischen Schuld und Verantwortung gestellt. Das war nicht immer so! Endlich gibt es auf dem Gelände des Inneren Nordbahnhofs eine Gedenkstätte, es gibt die Ausstellung über den Widerstand des 20. Juli (Stauffenberg-Gedenkstätte) im Alten Schloss und hoffentlich bald einen Gedenk und Lernort im ehemaligen „Hotel Silber“. In fast allen Stadtteilen gibt es Stolpersteininitiativen, die die Opfer dem Vergessen entreißen und bleibende Spuren auf den städtischen Gehwegen hinterlassen. Es gibt die AnStifter, die Initiative „Hotel Silber“, die Stiftung Geißstrasse, das Mauthausen Komitee Stuttgart etc.pp. und es gibt viele Menschen, die sich den neuen Nazis in den Weg stellen. Im Zuge dieser Entwicklung wurde die VVN-BdA zu einer von vielen Gruppen und Organisationen und ihre Mitglieder arbeiten zum Beispiel bei den Stolpersteininitiativen und auch bei der Initiative „Hotel Silber“ mit. Das umfangreiche Archiv der VVN-BdA war und ist eine wertvolle Quelle für alle, die nach Spuren von Opfern und Tätern suchen.

Deshalb war, ist und bleibt die VVN-BdA eine kompetente Partnerin in der Erinnerung an die Naziverbrechen, in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Nazifaschismus und natürlich im Kampf gegen den Neofaschismus.

Am 8. Mai 2010 jährt sich die Befreiung vom Nazifaschismus und das Ende eines blutigen Vernichtungskrieges zum 65sten Mal. Dies nehmen wir zum Anlass, daran zu erinnern, dass wir diesen wichtigen Sieg jenen Menschen verdanken, die damals ihre ideologischen Differenzen überwunden und sich gegen die Nazimacht zusammengeschlossen haben.

Der opferreiche Kampf der Alliierten Streitkräfte und der zahlreichen Widerstands- und Partisanengruppen verdient nicht nur unsere Anerkennung, sondern er hat uns auch mit auf den Weg gegeben, dass man gegen alle ultrarechten politischen Tendenzen, egal wie sie sich nennen, zusammen stehen muss, wenn man nicht untergehen will.

Aus der Geschichte lernen!

Entgegen vieler Legenden, die besonders gern von konservativer Seite erzählt werden, wurde die Weimarer Demokratie nicht das Opfer rechter und linker Gegnerschaft. Der jungen Demokratie haben die Demokratinnen und Demokraten gefehlt und mächtige rechtskonservative Zirkel haben bereits 1918 systematisch gegen den Aufbau stabiler demokratischer Verhältnisse intrigiert. Spätestens Ende der 1920er Jahre haben sie dann zusammen mit Bankern und Stahlmagnaten die NSDAP offen und offensiv gefördert. Der Faschismus war ihnen damals lieber, als mehr Demokratie und mehr soziale Gerechtigkeit. Dabei ist es aus heutiger Sicht unerheblich, ob all jene, die die Nazis aus taktischen Erwägungen und für ihre jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Interessen unterstützt haben, auch wissen konnten, dass Europa wenig später von Konzentrationslagern übersät und von einem Vernichtungskrieg überzogen werden wird. Heute weiß die Welt, was Faschismus bedeutet.

Aber auch die deutsche ArbeiterInnenbewegung, die SPD, die KPD und alle anderen linken Organisationen tragen historische Verantwortung. Anstatt gegen den drohenden Faschismus zusammen zu stehen, haben sie sich gegenseitig bekämpft. Diese Uneinigkeit machte den Weg frei für die Nazidiktatur. Verantwortlich sind aber auch die Vielen, die zugeschaut und sich nicht eingemischt haben. Denn auch wer schweigt, macht sich mitschuldig.

Der deutsche Faschismus zog eine Blutspur durch Europa und die Wunden sind noch lange nicht verheilt. Viele Millionen Menschen wurden Opfer der menschenverachtenden NS-Ideologie, des Antisemitismus, des Rassismus und der politischen und sozialen Ausgrenzung. Nur wenig Verfolgte hatte das Glück die Hölle der Konzentrationslager und Zwangsarbeit zu überleben. Viele dieser Überlebenden haben sich nach der Befreiung in Opferverbänden, zum Beispiel in der VVN-BdA, zusammen erschlossen und es sich zur Lebensaufgabe gemacht, alles für eine zukünftige Welt ohne Krieg und Faschismus zu geben. Damit wir in einer besseren Welt leben können, haben sie über ihre Erfahrungen gesprochen, obwohl der Rückgriff in die Erinnerung, an das Grauen, immer sehr schmerzhaft war.

Zwei Botschaften lagen ihnen besonders am Herzen: Gegen den Faschismus müssen alle ideologischen Differenzen überwunden werden und alle, für die Menschlichkeit und Menschenwürde keine Worthülsen sind, müssen sich der faschistischen Gefahrfrühzeitig gemeinsam entgegen stellen. Alle die schweigen und alle die verharmlosen, tragen Verantwortung und machen sich mitschuldig. Denn wenn die Diktatur erst einmal errichtet ist, dann ist es zu spät.

Heute sind nur noch wenige unter uns, die den Faschismus erlebt haben. Ihre Botschaft muss uns Nachgeborenen Verpflichtung sein.

Einmal Faschismus war genug!!!

Wir lassen uns im Kampf gegen Neofaschismus heute nicht erneut entzweien!

Wir fordern die vier CDU-Stadträte auf, ihren Antrag umgehend zurück zu ziehen!

Von den Stadträtinnen und Stadträte erwarten wir eine unvoreingenommene Zusammenarbeit mit der VVN-BdA!

Solidaritätserklärungen bitte richten an:

baden-wuerttemberg@vvn-bda.de

vvn-bda-stuttgart@web.de

Quelle: Redaktionsbeschluss 21.02.2010 AutorIn: Redaktion StattWeb / StattZeitung Links

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