16.02.10
Tritte nach links, Küsse für rechts
Über professorale Naziakzeptanz
Springers „Welt“ ist immer noch unzufrieden: „Familienministerin
Kristina Köhler (CDU) konzentriert sich auf den Kampf gegen den
Rechtsextremismus.“ Die „Welt“ wünscht sich „Rock gegen
links“ und so was. Jedoch „gerade zwei Millionen Euro“ gebe es
nun für den Kampf gegen Links und Islamisten. Was der „Welt“ zu
wenig ist, das reicht der rechtsaußen agierenden „Jungen Freiheit“
zunächst aus. Begeistert meldet sie: Köhler „will Initiativen
‚gegen Rechts’ vom Verfassungsschutz überprüfen lassen“.
Bald soll nach Plänen der Ministerin automatisch eine Überprüfung
erfolgen, wenn Antinazis Förderung beantragen.
In Dortmund, West-Mekka des neuen Faschismus, hat man sich
ebenfalls eine verdrehte Variante einfallen lassen. Wissenschaftler
um Prof. Heitmeyer aus Bielefeld präsentierten auf einem
Bürgerforum ihre sehr bemerkenswerte und kritische Studie zum
Rechtsextremismus in der Stadt. Doch diese Stadt lud auch Nazis ein.
Die Vertreter der anwesenden Antifagruppen waren entsetzt, als
Heitmeyer verlangte, die Rechtsextremen nicht auszugrenzen, das
mache sie nur attraktiv. Artig bedankten sich die anwesenden
Gewalttäter später auf ihrer Website für die Einladung ins
Rathaus: Das sei ein Schritt in die richtige Richtung.
Wie ja auch die Sanktionen gegen Antifaschisten durch Frau
Köhler Schritte in die richtige rechte Richtung seien. „Küßt
die Faschisten, wo ihr sie trefft,“ meinte dazu Kurt Tucholsky.
Die Bürgerforumsveranstalter sind offenbar noch nie von
Faschisten bedroht worden. Sie forderten die anwesende und geduldete
Nazikulisse immer wieder freundlich zur Diskussion auf, sie sollten
nur gewaltlos bleiben. Doch es gibt auch Absagen an die
ministerielle Rechts-Links-Gleichsetzung und die professorale
Naziakzeptanz. Das Bundesverfassungsgericht entschied: Wegen der
besonderen Geschichte Deutschlands gilt in der Frage der
Meinungsfreiheit für Nazis eine Ausnahme. "Angesichts des
Unrechts und des Schreckens, den die Naziherrschaft über Europa und
weite Teile der Welt gebracht habe", enthalte das Grundgesetz
in diesem Punkt eine Ausnahme vom Verbot, ein Sonderrecht gegen
bestimmte Propaganda zu schaffen. Denn "das Grundgesetz kann
weithin geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des
national-sozialistischen Regimes gedeutet werden." (Zitiert
nach dpa)
In Karlsruhe nannte man Nazipropaganda bisher „missliebig“.
Nun also doch: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Möge diese Erkenntnis auch in künftige Urteilssprüche
einfließen.
Ulrich Sander; Bundessprecher der VVN-BdA
aus: www.unsere-zeit.de/
von 12.02.2010
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