12.11.09
Rückfall in alte Zeiten
Kein Programm gegen
Rechtsextremismus
In der neuen „Antifa“
berichten wir von der Absicht der neuen Bundesregierung, die Mittel
für die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus
herunterzufahren und auch gegen „Linksextremismus“ und „Islamismus“
einzusetzen.
Dazu erklären Experten:
Rückfall in alte Zeiten
Kein Programm gegen Rechtsextremismus
Zehn Wissenschaftler schelten die geplante Umwandlung der
Programme gegen Rechtsextremismus durch die Bundesregierung in einer
öffentlichen Erklärung als "nicht akzeptabel." Die
VVN-BdA berichtet darüber.
Zehn renommierte Rechtsextremismusexperten haben in einer offenen
Stellungnahme die Pläne der Bundesregierung zur
Extremismusbekämpfung kritisiert. Diese seien "aus vielerlei
Gründen problematisch", heißt es in dem Papier. Die Mittel
für die Programme gegen Rechtsextremismus zu reduzieren sei
"nicht akzeptabel."
CDU und FDP haben vereinbart, dass die staatlich finanzierten
Anti-Rechts-Programme künftig in ein „Extremismusbekämpfungsprogramm“
umgewandelt werden; sie sollen sich gleichermaßen gegen linken und
rechten Extremismus sowie gegen Islamismus richten.
"Das bedeutet weniger Geld für die Bekämpfung des
Rechtsextremismus", sagt der Soziologe Fabian Virchow. Er ist
einer der Unterzeichner des Dokuments. "Daher erstarkt der
Rechtsextremismus in vielen Regionen Deutschlands", sagt der
Autor des Buches "88 Fragen und Antworten zur NPD", es sei
daher nötig die Mittel mindestens auf dem bisherigen Niveau zu
belassen, besser noch sie zu erhöhen.
Bisher fördert die Bundesregierung zwei deutschlandweite
Programme mit 24 Millionen Euro im Jahr. Hinzu kommen etwa eine
Million Euro für das Bündnis für Demokratie und Toleranz und
300.000 Euro für den Fond "Härteleistungen für Opfer
rechtsextremer Übergriffe." Das Papier gegen das neue Programm
initiierte der Marburger Erziehungswissenschaftler Benno Hafeneger,
unterschrieben haben neben Virchow unter anderem noch der
Bewegungsforscher Roland Roth und der Kölner Politologe Christoph
Butterwegge.
In Ihrem Papier führen die Wissenschaftler fünf Argumente an,
weshalb sie die Neuausrichtung des Programms für Unsinn halten.
Erstens entspreche die Deutung der Bundesregierung, wonach
Rechts- und Linksextremismus, sowie Islamismus von gleicher
Bedeutung seien nicht der Realität. So sei "in der jungen
Generation z.B. nicht erkennbar, dass sich ein gewalttätiger
Linksextremismus ausbreitet, der demokratische und
menschenrechtliche Grundsätze ablehnt."
Die Autoren verweisen zudem auf Studien, laut denen
"antidemokratische Einstellungen nur unter einer kleinen
Minderheit muslimischer Jugendlicher verbreitet sind.
Dagegen kamen seit 1993 etwa 140 Menschen durch Gewalt von
Rechtsextremisten ums Leben, in vielen Regionen sei die NPD
inzwischen kommunal verankert und rechtsextreme Orientierungen
nachweisbar bei Jung und Alt weit verbreitet.
Zweitens ignoriere das Gleichsetzen von Rechts- und
Linksextremismus "vielschichtige Trennlinien und
Unterschiede." Die Extremismen sollten nicht verharmlost aber
auch "nicht aufgerechnet. missbraucht und gegeneinander
ausgespielt werden."
Drittens sei es unwahrscheinlich, dass die Kommunen in
wirtschaftlich schlechten Zeiten Programme weiterführen würden,
die der Bund künftig nicht mehr finanzieren will. Verstärkend
wirke noch, dass das Reduzieren der Mittel ein falsches Signal an
die Kommunen sei. Die Bundesregierung sende damit die Botschaft aus,
dass "solche Programme, Projekte und Initiativen wohl nicht so
wichtig sind." Dies sei fatal, weil sich vielerorts erst in
jüngster Vergangenheit die Einsicht durchgesetzt habe,
Rechtsextremismus sei ein Problem.
Die Unterzeichner des Textes warnen vor einem "Rückfall in
Zeiten, die vorüber schienen."
Viertens sei zu befürchten, dass künftig ausgerechnet die
Gruppen, "die sich entschieden gegen rechtsextreme Landnahmen
wenden und oft mit dem Etikett "Antifa" belegt werden,
selbst zum Objekt von Extremismusprogrammen gemacht werden."
Fünftens sei die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ein
Schwächen der Anti-Rechts-Initiativen von Neonazis als ermutigendes
Signal verstanden würde. Schließlich könnten diese ihre
Aktivitäten dann unbehelligter fortsetzen.
Die taz fragte beim verantwortlichen Familienministerium nach
einer Stellungnahme zu den erhobenen Vorwürfen, bisher blieb diese
allerdings aus.
(www.taz.de
vom 10.11.2009)
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