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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

08.11.09

Für die Verwirklichung von Grundgesetz und Landesverfassung und für Rathäuser ohne Militär

Grußansprache von Ulrich Sander auf dem Landesparteitag der Partei DieLinke am 7. November 2009 in Hamm/Westf.

Heute vor 70 Jahren hat Georg Elser versucht, Adolf Hitler in die Luft zu sprengen. Er verfehlte ihn um 13 Minuten. Elser, ein süddeutsche Arbeiter, verdient unserer aller Würdigung. Wir gedenken seiner in Hochachtung. Die Arbeiterbewegung täte gut daran, den Tag des Hitlerattentats zu einem Gedenktag zu machen, der eben solchen Rang haben müsste wie der 20. Juli.

Zwei Jahre guter Zusammenarbeit von DieLinke und VVN-BdA liegen hinter uns. Wir freuten uns über die Unterstützung von NoNPD, der Kampagne der VVN-BdA für das NPD-Verbot. Wir standen und stehen zusammen in unseren Städten gegen die Nazis. Wir freuten uns über die Arbeit der Linken mit unserem Plakat "Keine Nazis und andere Rassisten in die Parlamente". Diese Kampagne hat ja geholfen, wenn auch nicht genug. Wir halfen gemeinsam, Stolpersteine für die Opfer zu legen, und wir haben in etwa ein Dutzend Städten damit angefangen, auch Erinnerungstafeln an die Verbrechen der Täter zu schaffen, dies im Rahmen unserer Rallye "Verbrechen der Wirtschaft 1933 - 1945". In der nächsten Wochen wird wieder eine Veranstaltung zu diesem Thema stattfinden, und zwar in Südwestfalen, in Kreuztal, um an die Verbrechen Flicks zu erinnern. VVN und Gewerkschaften sind Mitveranstalter.

In Nordrhein-Westfalen hat als einzige parlamentarische Kraft die Partei DieLinke grundlegende Vorschläge zur Verwirklichung der Landesverfassung und gegen die klammheimliche Verankerung der Bundeswehr in den Städten und Gemeinden zum Zwecke des Militär-Einsatzes gegen die Bevölkerung gemacht. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten unterstützt die antimilitaristischen und verfassungsgemäßen Positionen, wie sie in den Papieren der LINKEN zum Ausdruck kommen. Auf einer Landesausschusssitzung der VVN-BdA verurteilte diese entschieden die Kampagne der Landesregierung und großer Teile der Medien, die das Ziel verfolgen, die Einhaltung des Grundgesetzes und der Landesverfassung sowie ihre Verwirklichung zu einer verfassungswidrigen Handlung umzufälschen, ja sie zu kriminalisieren. (Wer Enteignungen z.B. der Energiekonzerne fordere, "steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, polterte der NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers." Süddeutsche Zeitung 15. Oktober 2009)

Weiter wurde auf die Erfahrungen hingewiesen, die Demokraten mit der NRW-FDP machten. Da bei der schwarz-gelben Koalition auf Bundesebene die NRW-FDP eine führende Rolle spielt, ist es abwegig zu glauben, die FDP würde eine bürgerrechtlich-demokratische Komponente darstellen. Geprägt wird die Politik von einer NRW-FDP mit nie aufgearbeiteten rechtsextremen Skandalen (NSDAP-FDP-Naumann-Kreis, Fall Achenbach mit seiner Adolf-Hitler-Spenden-Vergangenheit, Lambsdorff-Flick-Skandal, Möllemanns Instrumentalisierung des Antisemitismus für die FDP usw.). Wir haben die Veröffentlichung der Partei DieLinken über die Geschichte der FDP und anderer bürgerlicher Kräfte und ihrer Nazigrößen in ihren reihen sehr begrüßt.

Die Lehren aus Krieg und Faschismus erfordern die Einhaltung der Landesverfassung, die besagt: "Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden. Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten." So steht es in Artikel 27, und da steht nicht nur etwas von der Möglichkeit, dies zu tun, sondern von der Verpflichtung, vom "Sollen". Weiter gibt es den gültigen Mitbestimmungsartikel 26: Es "wird das Recht der Arbeitnehmer auf gleichberechtigte Mitbestimmung bei der Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung anerkannt und gewährleistet." Also nicht nur betriebliche Mitbestimmung, sondern Mitbestimmung der Arbeitnehmer über die gesellschaftliche Ordnung. Und "jedermann hat ein Recht auf Arbeit", heißt es in Artikel 24. In diesem Verfassungsartikel heißt es auch, dass "im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens ... das Wohl des Menschen" steht; der "Schutz der Arbeitskraft hat Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes". Der Mensch geht vor Profit. All diese Verfassungsbestimmungen stellen eine Lehre aus der Zeit 1933-1945 dar. Deshalb bekräftigen wir sie gemeinsam als Antifaschistinnen und Antifaschisten. Grundgesetz und Landesverfassung widerspricht es auch, dass unter der Federführung des Landesinnenministers Ingo Wolf (FDP) grundlegende Bürgerrechte geschmälert werden. Er sorgte dafür, dass NRW Vorreiter bei der Schaffung der Onlinedurchsuchungssysteme zur Bespitzelung der Bürger in bisher nicht gekanntem Maße wurde. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Bespitzelungssystem vorerst gestoppt. Der Landesinnenminister - Vertreter einer Partei, die sich demagogisch und contrafaktisch Bürgerrechtspartei nennt - war es auch, der das Versammlungsgesetz immer wieder zum Schutze von Naziaktivitäten einsetzte und mit V-Leuten die Naziumtriebe schützte. Er hat außerdem gemeinsam mit der Generalität die oberste Kommandogewalt in NRW bei der Zusammenlegung von Polizei und Bundeswehr im Rahmen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) inne.

Der Tendenz, Konflikte weltweit militärisch zu lösen, folgte - in NRW, aber nicht nur dort - die Militarisierung der Innenpolitik. Beides mit verheerenden Folgen auch für das eigene Land, für die Gesellschaft, für die Kommunen. Auch die Landkreise und kreisfreien Städte in NRW sind indirekt und direkt betroffen. In ihnen wurden Bundwehrkommandostäbe der Zivil-militärischen Zusammenarbeit" (ZMZ) eingerichtet.

Mit dieser ab 2006 neu geordneten "Zivil-militärischen Zusammenarbeit" und dem neuen Reservistengesetz können hunderttausende ehemalige Soldaten zum Einsatz im Äußeren und Inneren herangezogen werden.

Die Frage, was mit ZMZ in den Kommunen und Regionen bezweckt wird, wurde nun unmissverständlich im Gefolge von Recherchen der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (DieLinke) und der Vertreter aus der VVN-BdA beantwortet. Bundeswehr, Innenminister und die meisten Medien haben bisher verschwiegen, was am 28. 8. 09 in einer Antwort der Regierung auf Fragen der Abgeordneten herauskam: Der Einsatz der Bundeswehr gegen Streikende und Demonstrierende im Rahmen der Zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) ist nicht mehr auszuschließen. Die Entdemokratisierung der Gesellschaft mittels ZMZ findet auch ihren Ausdruck in der Aufwertung der Rolle der Militärs bei der "Berufsberatung". Jugendliche ohne Arbeits- und Ausbildungsplatz werden zunehmend in den Arbeitsagenturen unter Druck gesetzt, um in der Bundeswehr zu dienen. Die Reservistenverbände - sie arbeiten ohne Abgrenzung zu den Rechtsextremisten - erhielten Auftrieb durch die Heraufsetzung des Reservistenalters auf 60 Jahre. Die Bundeswehrreservisten werden an bezeichnenderweise an Feldjägerschulen und in Pioniereinheiten ausgebildet. Zivile Verwaltungsstrukturen werden militärisch unterwandert und durchsetzt. Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, Rotes Kreuz und andere bisher zivile Organisationen und Strukturen werden militarisiert. Den Schulen werden Offiziere als Lehrer im Staatsbürgerkundeunterricht aufgezwungen.

Leider haben die Medien - auch die der Partei DieLinke - die Enthüllung von Ulla Jelpke, MdB und Mitglied der VVN-BdA, vernachlässigt. Die Ankündigung der Regierung, bei Streiks Soldaten gegen die arbeitenden Menschen einsetzen zu wollen - dazu soll kein Informationsbedarf bei Linken bestehen?

Die VVN-BdA ruft die Kommunen des Landes und die Friedens- und Antifabewegung auf, sich der Militarisierung von Kommunen und Regionen zu widersetzen. Sie fordert die Umschichtung der Rüstungshaushalte zugunsten von Kommunen, Sozialem, Bildung und Umwelt. Sie fordert: Bundeswehr raus aus aus Afghanistan, aber auch raus aus den ARGEN und Schulen! Keine zivil-militärische Zusammenarbeit! Keine Bundeswehr ins Rathaus! Aufkündigung der ZMZ durch die Städte und Landkreise. Sie fordert die Einhaltung und Verwirklichung grundlegender Verfassungsbestimmungen, wie sie nach dem Krieg in Grundgesetz und Länderverfassungen eingingen.

Wir sind sicher, dass wir mit der Partei DieLinke in diesem Ringen gemeinsam vorgehen und gemeinsam handeln werden.

Ich wünsche diesem Parteitag Erfolg zum Wohle unseres Landes.

Ulrich Sander
Landessprecher der VVN-BdA NRW