06.11.09
Sie dürfen nun wieder morden
66 Jahre später: Wieder
Straffreiheit für Mörder
Von Ulrich Sander
Aus Kriminalromanen kennen wir das: Der unschuldig Verurteilte
kommt aus dem Gefängnis, und „den Kommissar beschleicht ein
furchtbarer Verdacht: Läuft der wirkliche Mörder noch immer frei
herum? Schlägt er wieder zu?“
Tausende Mörder sind nach 1945 frei herumgelaufen. Wer Verdacht
schöpfte, galt als Nestbeschmutzer. Aber letztlich beruhigten auch
die sich. „Der wirkliche Mörder“ konnte ja kaum in die Lage
kommen, erneut zu morden. So er Wehrmachtsangehöriger war und dann
wieder Bundeswehrsoldat wurde, kam er nicht wieder in die
mörderische Situation wie vor 1945. Dafür sorgte eine starke
Friedensbewegung – sowohl staatlich realsozialistisch organisiert
wie auch in der weltweiten Zivilgesellschaft verankert.
Das ist heute anders. Zwar gehört die Generation der Täter der
Bundeswehr nicht mehr an, sie blieben straffrei und bekamen hohe
Pensionen. Aber die in ihrem Sinne Erzogenen - wie jener Oberst
Georg Klein -, sie dürfen nun wieder morden.
Ja, morden. Am Kundusfluss geschah in der Nacht zum 4. September
ein grauenvolles Massaker. Und der dafür verantwortliche
Befehlshaber Georg Klein sitzt in der Leipziger Kaserne der 13.
Panzergrenadierdivision und soll nach Meinung der Bundeswehrführung
straffrei ausgehen, wie z.B. Reinold Klebe. Seine „stolzen
Soldaten“ der 12. Kompanie des Gebirgsjäger-Regiments 98
löschten im August 1943 das griechische Dorf Kommeno aus, und er
befahl auch den Mord an rund 4000 italienischen Kriegsgefangenen auf
der Insel Kefalonia. Später wurde er Bataillonskommandeur der
Bundeswehr. Franz Josef Strauß setzte ihn ein. Die Anklage gegen
ihn wurde niedergeschlagen, wie gegen rund tausend andere
Bundeswehr- und Wehrmachtskiller. Auch gegen Klein soll möglichst
nicht ermittelt werden, fordert die Bundeswehrführung von der
Staatsanwaltschaft.
Der neue Bundeswehrminister von und zu Guttenberg ist durch die
Schule des Reinhold Klebe gegangen. Er war wie Klebe in Mittenwald
bei der Bundeswehr.
Im Koalitionsvertrag, an dem Guttenberg mitwirkte, kommt das Wort
Frieden zehnmal vor, aber nur als Phrase wie „Frieden und Freiheit“.
Friedenssicherung durch Truppenreduzierung und Abrüstungsschritte,
durch Rückzug der Truppen aus dem Ausland vor allem aus
Afghanistan, – kein Wort dazu. Deutsche „Friedensinstrumente“
sind laut Koalitionsvertrag nur NATO und Bundeswehr. Und deren
Methoden sind seit 1999 bekannt: Bomben und Raketen, das Töten von
Zivilisten. Und nun wieder die Massentötung.
Das Massaker des Oberst Klein war kein Versehen.
Bundeswehrsoldaten werden zu hemmungslos aggressivem Handeln
ermuntert. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Wolfgang
Schneiderhan, hat, wie die FAZ schon Anfang 2003 berichtete, ȟber
bisher Undenkbares« nachgedacht. Über die Frage nämlich, »ob es
richtig sein kann, nicht abzuwarten, ob man von einem anderen
angegriffen wird, sondern sich gegen diese mögliche Gefahr
vorauseilend zu schützen und selbst die Initiative zu ergreifen«.
Die Initiative wie die des Obersten Klein.
Für den Fall, dass Soldaten doch noch Hemmungen haben, nach
Schneiderhans und Kleins Rezept zu handeln, werden sie mit
permanenter Hetzpropaganda aufgestachelt. In Publikationen, die in
der Bundeswehr verbreitet werden, wird beispielsweise ein Ende der
Gerichtsverfahren gegen Wehrmachtskriegsverbrecher gefordert.
Bundeswehrgeneral a. D. Jürgen Reichardt äußerte in „Gebirgstruppe“
Nr.6/08, auch die heutigen Bundeswehrsoldaten könnten „in
Situationen“ geraten, in denen sie wie einst Hitlers Soldaten „überreagieren“.
Sie müßten dann befürchten, noch nach Jahrzehnten vor Gericht
gestellt zu werden. Deshalb solle Schluss sein mit der Verurteilung
der Wehrmachtsverbrechen und der Wehrmachtsverbrecher.
Und so kam dann der Bundeswehrsoldat nicht vor Gericht, der im
August 2008 in Kundus/Afghanistan eine Frau und zwei Kinder erschoss,
weil er sich von ihnen bedroht fühlte. Das Verfahren wurde im Mai
2009 eingestellt.
Das darf sich nicht wieder einbürgern. Auch das ist Auftrag
friedliebender Menschen: Wachsam sein gegen die Klebes und Kleins.
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