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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

29.10.09

"Union und FDP bagatellisieren [..] die Gefahr, die vom gewalttätigen Rechtsextremismus in Deutschland ausgeht"

Ulla Jelpke (DieLinke): Koalition kündig Konsens gegen rechts

Fr., 23.10.2009:

„Die Koalitionspartner von Union und FDP haben den gesellschaftlichen Konsens gegen Rechtsextremismus aufgekündigt“ erklärt die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke. Sie reagiert damit auf Pressemeldungen, nach denen die bisher zur Bekämpfung des Rechtsextremismus aufgewendeten Mittel auch zur Bekämpfung von so genanntem Linksextremismus und Islamismus verwendet werden sollen. Die Rechtsextremismus-Expertin der Fraktion weiter:

Union und FDP bagatellisieren mit ihrem Beschluss die Gefahr, die vom gewalttätigen Rechtsextremismus in Deutschland ausgeht. Die Koalition ignoriert, dass seit 1993 141 Menschen Opfer rechter und rassistischer Gewalt geworden sind. Sie bagatellisiert die von Jahr zu Jahr steigenden Zahlen von gewalttätigen Angriffen durch Rechtsextreme.

Noch 2001 haben alle im Bundestag vertretenen Parteien gemeinsam beschlossen, stärker gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Gewalt vorgehen zu wollen (s.u.). Ergebnis waren unter anderem die Programme für Vielfalt und Toleranz, die Modellprojekte beim Kampf gegen Rechtsextremismus unterstützt haben.

Angesichts der Haushaltslage dürfte klar sein, dass bei einer Ausdehnung dieser Programme auf die Bekämpfung des „Linksextremismus“ und des Islamismus im Ergebnis weniger Mittel für den Kampf gegen Rechts zur Verfügung stehen werden. Die künftige Bundesregierung schwächt damit bewusst den Kampf gegen die Gefahr von rechts aus rein ideologischen Motiven.

Pläne der neuen Koalition: - Eine Meldung aus dem Bundestag

Bekämpfung des Extremismus bleibt wichtige Aufgabe

Die Bekämpfung von Extremismus und Fundamentalismus wird auch für die neue Bundesregierung eine wichtige innenpolitische Aufgabe sein. Die Auseinandersetzung mit allen Formen antidemokratischer Bestrebungen soll auch in den nächsten Jahren offensiv geführt werden.

Nach dem aktuellen Stand der Verhandlungen, ist im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP der Start eines Anti-Extremismusprogramms vorgesehen. Die bisherigen Programme, die sich auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus konzentriert haben sollen ergebnisoffen auf den Prüfstand gestellt werden.

Damit will die neue Regierung offenbar der sich veränderten sicherheitspolitischen Lage Rechnung tragen und auf die zunehmende Bedrohung durch islamistische Fundamentalisten sowie auf die steigende Gewalt von Teilen der linksextremistischen Szene reagieren. Inwieweit auch die zunehmenden Querfront-Tendenzen - also die zumindest punktuelle Zusammenarbeit von radikalen Islamisten sowohl mit Rechts-, als auch mit Linksextremisten - bei der Ausarbeitung der neuen Programme eine Rolle spielen wird, ist noch unklar. Innerhalb der neuen Koalition scheint man sich einig zu sein, das sich die neuen Bundesprogramme sowohl gegen Rechts-, als auch gegen Linksextremismus, sowohl gegen Antisemitismus als auch gegen Islamismus richten. Insbesondere der Antisemitismus ist nicht nur die wichtigste ideologische Grundlage des Rechtsextremismus, sondern nimmt auch bei islamistischen Organisationen und bei Teilen des Linksextremismus einen wichtigen Stellenwert ein. Zumal der Antisemitismus oftmals auch die entscheidende Scharnierfunktion zwischen den verschiedenen Extremen ist.

Kritiker der neuen Pläne werfen diesen vor, den Rechtsextremismus zu bagatellisieren, indem die verschiedenen Formen des Extremismus gleichgesetzt werden. Kritik der bisherigen Praxis kontern, das die alleinige Fixierung auf den Rechtsextremismus nicht nur die anderen Erscheinungsformen des antidemokratischen und gewalttätigen Extremismus unberücksichtigt ließen, sondern auch die vorhandene Überschneidung zwischen den Extremen.

Der Text im Entwurf für den Koalitionsvertrag im Wortlaut:

Bekämpfung des politischen Extremismus

Gewalttätige und extremistische Formen der politischen Auseinandersetzung nehmen wir nicht hin. Extremismen jeder Art, seien es Links- oder Rechtsextremismus, Antisemitismus oder Islamismus, treten wir entschlossen entgegen. Die Grundwerte der pluralen Gesellschaft, insbesondere die freie Entfaltung der Person, Meinungs-, Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, sind konstitutive Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Sie gilt es zu schützen und zu verteidigen. Die Ursachen von Extremismus wollen wir mit einem langfristigen Engagement und einer nachhaltigen Prävention bekämpfen. Aussteigerprogramme gegen Extremismus werden wir weiterentwickeln, ihre Finanzierung sicherstellen und dabei Schwerpunkte in gefährdeten Regionen setzen. Die Aufgabenfelder des Fonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt sowie des Bündnisses für Demokratie und Toleranz sollen auf jede Form extremistischer Gewalt ausgeweitet werden.

http://www.haolam.de/?site=artikeldetail&id=110

Bundestagsdrucksache 14/5456 vom 06.03.2001

Antrag

der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS

Gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Rechtsextremismus hat sich in Deutschland im Jahr 2000 erschreckend ausgebreitet. Nach amtlichen Erkenntnissen wurden allein von Januar bis September 2000 rund 10 000 rechtsextremistisch motivierte Straftaten registriert - so viele wie im gesamten Jahr 1999. In der Zeit von 1990 bis 2000 kamen nach Medien-Berichten 93 Menschen durch rechtsextremistische Gewalttaten ums Leben.

In der Bundesrepublik Deutschland werden in bestimmten Regionen von rechtsextremen und fremdenfeindlichen Personen oder Gruppen Plätze und Orte vereinnahmt, an denen ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger und Andersdenkende nicht geduldet werden.

Die Schändung jüdischer Friedhöfe sowie Übergriffe auf und Einschüchterung von Minderheiten und Menschen anderer Herkunft sind Besorgnis erregend und erfordern entschlossenes politisches Handeln.

Der Deutsche Bundestag wird Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt niemals als Normalität betrachten.

Er dankt all jenen Initiativen, Verbänden und Medien, die die vom Rechtsextremismus ausgehenden Gefahren verstärkt in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt haben. Er dankt all jenen Menschen, die mit einer Vielzahl von Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen ihre Ablehnung des Rechtsextremismus und ihre Solidarität mit den Opfern rechtsextremistischer Gewalt zum Ausdruck gebracht haben.

Der Deutsche Bundestag verurteilt Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt und wird zusammen mit der Bundesregierung und der gesamten Gesellschaft in einem parteiübergreifenden Konsens die Auseinandersetzung kontinuierlich und offensiv führen.

Niemand darf wegen seiner Behinderung, Herkunft, Hautfarbe, Sprache, seines Glaubens, seiner ethnischen Zugehörigkeit oder sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Diese Diskriminierung von Minderheiten, ob offen oder verdeckt, muss entschieden bekämpft werden.

Der Deutsche Bundestag will Zivilcourage stärken und appelliert vor allem an die Städte und Gemeinden, sich für Gemeinsinn, ein solidarisches Zusammenleben aller Menschen und für Demokratie und Toleranz zu engagieren. Vorurteilen oder Ausschreitungen von Personen oder Personengruppen kann gerade vor Ort durch ein couragiertes Auftreten aller Bürgerinnen und Bürger besonders wirksam begegnet werden. Solches Handeln verdient öffentliche Unterstützung, auch seitens der staatlichen Ebenen.

Der Deutsche Bundestag steht auf der Seite der Opfer von Straf- und Gewalttaten. Im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt kommt deshalb dem Opferschutz ein besonderer Stellenwert zu.

Der Deutsche Bundestag tritt Vorurteilen und rechtsextremer, ausländerfeindlicher, antisemitischer und gewaltbereiter Propaganda entschlossen entgegen.

Der Deutsche Bundestag wird alles daran setzen, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt wirksam zu bekämpfen.

Der Deutsche Bundestag unterstützt daher die Bundesregierung bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus durch ein breites gesellschaftliches Bündnis "Für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt". In diesem Bündnis sollen neben den Bundesministerien, der Ausländerbeauftragen und dem Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, den Ländern und den Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Medien, Sportverbänden, der Wissenschaft, den Initiativen und den Stiftungen auch alle demokratisch orientierten gesellschaftlichen Gruppen und besonders auch die Organisationen der von rechtsextremer Gewalt betroffenen Gruppen, örtliche sowie regionale Initiativen und Bündnisse, die sich gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt engagieren, zusammengeführt und vernetzt werden.

1. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, als einen Beitrag in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus den Schutz potenzieller Opfer von Straf- und Gewalttaten zu verbessern. Zur Einrichtung eines Härtefall-Fonds für Opfer rechter Gewalt wurden im Bundeshaushalt 2001 zehn Mio. DM zur Verfügung gestellt, für Maßnahmen der Opferbetreuung fünf Mio. DM. Dazu sollen neben anderen Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen weitere Anlaufstellen modellhaft entwickelt und erprobt werden, die konkrete rechtliche und soziale Unterstützung bieten und die Öffentlichkeit über das Ausmaß von Diskriminierung und rechtsextremer Gewalt informieren können.

Der Deutsche Bundestag appelliert an die Länder, im Umgang mit in Deutschland lebenden ausländischen Opfern rechtsextremistischer Gewalt hinsichtlich der Lebensbedingungen der Betroffenen, wozu auch ihr Aufenthaltsstatus gehört, Sensibilität zu zeigen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert zu prüfen, ob neben den bereits bestehenden zahlreichen Rechtsschutzmöglichkeiten in der Bundesrepublik Deutschland die Abgabe einer Erklärung nach Artikel 14 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1966 empfehlenswert ist, um das dort vorgesehene Individualbeschwerdeverfahren auch für die Bundesrepublik Deutschland verbindlich zu machen.

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, sich gemeinsam mit dem Deutschen Bundestag für die Integration der hier lebenden Migrantinnen und Migranten einzusetzen. Die beschlossene Reform des Staatsangehörigkeitsrechts leistet hierzu einen wichtigen Beitrag. Darüber hinaus müssen weitere rechtliche Schritte zum Abbau von Minderheitendiskriminierungen folgen. Eine Reform des Arbeitserlaubnisrechts ist ein wichtiger Schritt zum notwendigen Abbau der Diskriminierung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern.

3. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die sozialen, politischen und gesellschaftlichen Bedingungen, die Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt begünstigen, zu verändern.

Der Deutsche Bundestag hält deshalb für erforderlich

  • die Fortführung des "Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit". Er fordert die Bundesregierung auf, sich im Rahmen des Bündnisses für Arbeit für die Erschließung neuer Beschäftigungsfelder und Ausbildungsmöglichkeiten für gering qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Bekämpfung von Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit, insbesondere durch die Verbesserung von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, einzusetzen.
  • die verstärkte Förderung und Qualitätssicherung der nationalen Freiwilligenprogramme. Er befürwortet zudem die gezielte Ausweitung des Kreises der Freiwilligen besonders um benachteiligte Jugendliche, Migrantinnen und Migranten, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie Projekte mit Jugendlichen zweier Staaten, sowie rechtliche Regelungen, die besonders sozialversicherungsrechtliche Hemmnisse des freiwilligen Engagements abbauen werden. Darüber hinaus sollen die Hemmnisse für Freiwillige aus dem europäischen und nichteuropäischen Ausland abgebaut werden.
  • das Programm "Xenos - Leben und Arbeiten in Vielfalt". Mit ihm sollen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz durch konkrete Projekte bekämpft werden. Im Mittelpunkt stehen hierbei Maßnahmen gegen Ausgrenzung und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und im Bereich der schulischen und beruflichen Bildung.
  • das Programm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend "Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten". Es trägt der Tatsache Rechnung, dass Kinder und Jugendliche in sozialen Brennpunkten stärkeren Gefährdungen ausgesetzt sind als in anderen Sozialräumen. Erstmals werden damit Maßnahmen des Kinderund Jugendplanes des Bundes in Zusammenarbeit mit Ländern, Kommunen sowie Trägern aus allen Bereichen vernetzt und umgesetzt.
  • das beschlossene Gesetz, welches Kindern ein Recht auf gewaltfreie Erziehung einräumt und körperliche Bestrafung, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen für unzulässig erklärt. Die zu dem Gesetzentwurf geplanten flankierenden Maßnahmen sind sinnvoll. Im Rahmen eines Aktionsprogramms sollen Eltern und Gesellschaft auf den Paradigmenwechsel in der Erziehung hingewiesen und sensibilisiert werden sowie Hilfen zur Verbesserung der Erziehungskompetenz hin zur gewaltfreien Konfliktbewältigung gegeben werden.

4. Der Deutsche Bundestag will besonders Jugendlichen Zukunftschancen eröffnen. Es ist unverzichtbar, jedem Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen. Die Bundesregierung wird deshalb in ihren Bemühungen um den Abbau der Jugendarbeitslosigkeit unterstützt. Mit dem "Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit" haben seit 1999 mehr als 200 000 Jugendliche die Chance auf Ausbildung, Arbeit und Qualifizierung erhalten.

Der Deutsche Bundestag appelliert an Bund und Länder, ihre Aufgaben in Bildung und Erziehung verstärkt wahrzunehmen. Die Schule prägt junge Menschen nach der Familie unmittelbar und unterstützt oder zerstört gewachsene Wertüberzeugungen der Gesellschaft.

5. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, in Zusammenarbeit mit den Ländern und Trägern der Jugendsozialarbeit zum Beispiel durch Modellprojekte dafür zu sorgen, dass insbesondere in Gebieten, in denen Rechtsextremisten so genannte "national befreite" oder "ausländerfreie" Zonen schaffen wollen und bei denen die Gefahr besteht, dass diese Bestrebungen erfolgreich sind, in der Jugendarbeit geschützte Räume geschaffen werden können, in denen sich demokratisch orientierte Jugendliche aufhalten können, ohne der Gefahr einer Bedrohung von Rechtsextremen ausgesetzt zu sein. Ziel muss sein, in diesen Gebieten die volle Bewegungsfreiheit auch für Minderheiten oder Gegner der Rechtsextremen wieder herzustellen.

In Zusammenarbeit mit den Ländern und freien Trägern sollen auch die bisherigen Konzepte der Sozialarbeit, besonders der akzeptierenden Jugendarbeit mit rechtsgerichteten Jugendlichen und Jugendgruppen, die in Zusammenarbeit mit den Ländern und den öffentlichen und privaten Trägern der Jugendarbeit entwickelt wurden, einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Entscheidend ist eine aktive Jugendarbeit für alle Jugendlichen. Dazu müssen zunächst präventiv der Schutz und die Betreuung von demokratisch orientierten Jugendlichen gewährleistet sein. Zudem ist eine gezielte Betreuung von Jugendlichen sicherzustellen, die durch rechtsextreme, fremdenfeindliche, antisemitische oder gewaltsame Tätigkeiten aufgefallen sind oder bei denen eine Sympathisierung mit dieser Szene droht. Mit Jugendlichen, die entsprechend auffällig geworden sind, ist eine besonders intensive Jugendarbeit erforderlich, um ihnen die Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen. Der Deutsche Bundestag appelliert darüber hinaus an die Bundesregierung und die Länder, Programme zu entwickeln und anzubieten, die Ausstiegswilligen ein Herauslösen aus dem rechtsextremistischen Umfeld ermöglichen.

Insbesondere ist im Rahmen der Gesetze darauf hinzuwirken, dass Rechtsextremen und Neonazis in öffentlich finanzierten Einrichtungen keine Räume und Infrastruktur für ihre Tätigkeit zur Verfügung gestellt werden, und zu prüfen, wie Jugendeinrichtungen gezielt betreut werden können, die von rechtsextremen Gruppen dominiert werden.

Im Rahmen der Maßnahmen der Jugendpolitik sind besonders präventive Formen der Jugendarbeit, wie sie beispielsweise in vielen Fußball-Fanprojekten und in Sportvereinen, die eine intensive Jugendarbeit betreiben, durchgeführt werden, zu fördern. Der Deutsche Bundestag tritt dafür ein, diese Ansätze der präventiven Jugendarbeit mit ausreichenden finanziellen und personellen Mitteln zu unterstützen. Die im Zuge der Haushaltsberatungen für das Jahr 2001 beschlossene Bereitstellung von 30 Mio. DM an zusätzlichen Mitteln für die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist ein richtiger Schritt.

6. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die Aufklärung, Ausbildung und Beratung der mit Rechtsextremismus befassten Stellen zu verbessern. Der Deutsche Bundestag setzt sich dafür ein, in Zusammenarbeit mit den Ländern Modelle dezentraler Beratungsstellen, ähnlich den mobilen Beratungsteams Brandenburg, zu entwickeln und zu fördern. Hierfür stehen im Bundeshaushalt 2001 fünf Mio. DM zur Verfügung.

Aufgabe dieser Stellen soll insbesondere die Beratung und Ausbildung kommunaler oder schulischer Einrichtungen und die Unterstützung von Initiativen, die sich bei der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus engagieren, sein.

7. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, bei der Entwicklung wirksamer Strategien gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus bei Kindern und Jugendlichen auch die Sozialisationsinstanzen Familie und Schule stärker als bisher zu berücksichtigen. Große Verantwortung trägt neben den Eltern die Schule, die ihre Erziehungsfunktion weit über die Vermittlung von bloßem Sachwissen stellen muss. Die Bundesregierung wird gebeten, Möglichkeiten zu prüfen, durch eine Erweiterung der Zahl von Auslandsstipendien für Jugendliche und junge Erwachsene die Chancen für Auslandskontakte und -erfahrungen zu vergrößern.

8. Der Deutsche Bundestag setzt sich dafür ein, dass Bildung, Weiterbildung und Aufklärung über Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt intensiviert werden. Hierzu ist die demokratische und staatsbürgerliche politische Bildung in Schulen, Hochschulen und sonstigen Bildungseinrichtungen des Bundes und der Länder zu fördern und auszubauen. Die Fortbildung und Sensibilisierung von Lehrern, Polizei und Verwaltung im Umgang mit Rechtsextremismus sind ebenfalls auszubauen. Vor allem die Bundeszentrale für politische Bildung soll nach der Neuausrichtung ihrer Arbeit die Aktivitäten vor allem in den neuen Bundesländern verstärken sowie insbesondere ihre Materialien und Angebote zielgruppenspezifischer für die junge Generation gestalten. Inhaltlich soll sie sich stärker an den konkreten Erfordernissen politischer und gesellschaftlicher Verhältnisse orientieren, wobei Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewaltphänomene in unserer Gesellschaft in besonderem Maße zu berücksichtigen sind. Der Deutsche Bundestag unterstützt die Bundeszentrale für politische Bildung und die politischen Stiftungen bei diesen Bemühungen und wird sich für ausreichende finanzielle Mittel einsetzen.

9. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, wissenschaftliche Forschungsvorhaben im Bereich der Bekämpfung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt zu unterstützen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine empirische Studie zur Verbreitung rechtsextremen Denkens in der Bundesrepublik Deutschland in Auftrag zu geben, die der in den Jahren 1979/1980 für das Bundeskanzleramt angefertigten "1. Empirische Grundlagenstudie zur Verbreitung rechtsextremen Denkens in der Bundesrepublik Deutschland" vergleichbar ist.

Das neue Stiftungsrecht kann durch Förderung von Wissenschaft und Forschung, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur, Religion, Völkerverständigung, Jugendhilfe, Altenhilfe und des demokratischen Staatswesens dazu beitragen, die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt zu intensivieren.

10. Der Deutsche Bundestag würdigt die Ergebnisse des Europäischen Rates von Tampere am 15./16. Oktober 1999 als wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer verstärkten supranationalen Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa. Er würdigt insbesondere die Bemühungen um eine weitere Implementierung der durch den Amsterdamer Vertrag eingeführten Antidiskriminierungsklausel in Artikel 13 EGV. Er unterstützt die Zielsetzung des "Aktionsprogramms der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen" für die Jahre 2001 bis 2006.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, gemeinsam mit dem Parlament alle Bemühungen auf europäischer Ebene zu unterstützen und voranzutreiben, um Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt zu bekämpfen. Er unterstützt das vom Europäischen Parlament vorgeschlagene Aktionsprogramm zur wirksamen Ahndung entsprechender Handlungen oder Straftaten. Der Deutsche Bundestag wird sich für eine weitere Rechtsangleichung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union einsetzen, die mit den gesetzlichen Mitteln des demokratischen Rechtsstaates deutlich macht, dass die Gesellschaft Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassenhass und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht hinnimmt. Darüber hinaus unterstützt der Deutsche Bundestag auch die weiteren Initiativen auf europäischer Ebene, wie zum Beispiel die Europäische Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bei ihrem Bemühen um Datenvergleiche sowie bei der Erarbeitung und Evaluation von spezifischen Strategien im Kampf gegen Rassismus.

11. Der Deutsche Bundestag tritt dafür ein, die Bekämpfung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt auch in der Medienpolitik voranzutreiben. Er begrüßt in diesem Zusammenhang das Engagement der Verbände der Medien- und Werbeindustrie, ihre Möglichkeiten zu nutzen, um ein differenziertes und realistisches Bild von Minderheiten und Migrantinnen und Migranten in Fernseh- und Hörfunksendungen wiederzugeben. Zudem appelliert der Deutsche Bundestag an die Verleger- und Journalistenverbände, Fernseh- und Radiosender und die Arbeitgeber der Medienindustrie, für Angehörige von Minderheiten den Zugang zu Medienberufen noch weiter zu verbessern.

Der Zeitschriften- und Buchhandel sowie die Verlage werden ersucht, rechtsextremistische Zeitungen, Zeitschriften und Literatur weder herzustellen, zu verlegen noch zu verbreiten.

12. Der Deutsche Bundestag unterstützt die Bemühungen des Bundesministeriums des Inneren und des Bundesministeriums der Justiz sowie der Innenund Justizministerien der Länder, rassistische Straftaten im Zusammenhang mit dem Medium Internet zu verfolgen und zu verhindern, und tritt vor allem für eine Stärkung der Strafverfolgung auf europäischer und internationaler Ebene ein, da nur so ein gezielter Erfolg gewährleistet werden kann. Zudem fordert der Deutsche Bundestag auch Personen des öffentlichen Lebens auf, das Internet ebenso wie Funk- und Printmedien als Plattform für Initiativen gegen Rassismus intensiv zu nutzen.

13. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, der "inneren Wehrhaftigkeit" der Bundeswehr eine besondere Unterstützung und Förderung zu gewähren, vor allem durch eine offene, nichthierarchisch angelegte Kommunikation, die eingebettet sein muss in ein attraktives Programm zur politischen Bildung innerhalb der Bundeswehr. Die Bundeswehr darf keine attraktive Einrichtung für Personen mit rechtsextremer Gesinnung sein. Der Deutsche Bundestag unterstützt das Bemühen, die Bundeswehr für demokratische Diskussions- und Entscheidungsprozesse weiter zu öffnen. In der Bundeswehr ist kein Platz für ausländerfeindliche Gewalt befürwortende und intolerante Grundhaltungen.

14. Zur Bekämpfung des Rechtsextremismus bedarf es auch der dauerhaften Erinnerung an die Verbrechen des NS-Gewaltregimes, an den Widerstand, der ihm geleistet wurde, an die Opfer und vor allem an die Ursachen, die zu dieser Gewaltherrschaft geführt haben. Der Deutsche Bundestag würdigt die Arbeit und Informationstätigkeit der Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Diejenigen, die nicht wissen, wie leicht Menschen sich verführen oder zumindest zur Passivität bringen lassen und wozu Menschen im Fanatismus fähig sind, sind neuerlichen Gefahren gegenüber weniger wachsam und weniger widerstandsfähig als diejenigen, denen die Verbrechen der Vergangenheit und die Katastrophen unserer jüngeren Geschichte vor Augen stehen.

15. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, den organisierten Rechtsextremismus und die so genannte "Neue Rechte" mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaates zu bekämpfen. Erforderlich dafür ist,

  • dass keine Zuschüsse von Bundesbehörden und -institutionen an Organisationen, Stiftungen und Verlage gewährt werden, die rechtsextremes Gedankengut fördern oder verbreiten bzw. organisierten Rechtsextremismus in den eigenen Reihen dulden;
  • dass Wissenschaftler, die im In- oder Ausland rechtsextreme Vorstellungen publiziert haben, nicht an akademischen Austauschprogrammen des Bundes teilnehmen dürfen.

16. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, das weitere Vordringen rechtsextremistischer Ideologien durch gezielte Aufklärungsarbeit über rechtsextremistische, fremdenfeindliche und antisemitische Agitation auch in kultischen, heidnischen und esoterischen Bereichen zu verhindern.

17. Ebenso muss die Finanzierung von rechtsextremistischen Organisationen, Institutionen, Vereinen und Verbänden überprüft werden. Hierunter fallen die Prüfung des Finanzgebarens und die Überprüfung der Gemeinnützigkeit bei den örtlichen Finanzbehörden.

18. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie analog zur Europäischen Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zur frühzeitigen Erkennung von Problemlagen und der Sensibilisierung der Öffentlichkeit die Einrichtung einer entsprechenden Beobachtungsstelle in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt werden könnte. Deren mögliche Aufgaben wären unter anderem die Dokumentation und Analyse rechtsextremer Tendenzen, die Information der Öffentlichkeit, die Durchführung einer Dunkelfeldanalyse, um das tatsächliche Ausmaß rechtsextremer Gewalt zu erfassen, eine Zusammenarbeit mit der Europäischen Beobachtungsstelle und die regelmäßige Berichterstattung im Deutschen Bundestag über ihre Arbeit, Ergebnisse und Erfahrungen sowie Erkenntnisse in Hinblick auf Ursachen und Gegenstrategien.

19. Der Deutsche Bundestag tritt dafür ein, dass die Bekämpfung von Gewaltstraftaten ein Schwerpunkt der Strafverfolgung wird. Er bittet die insoweit zuständigen Länder, dieses Anliegen zu unterstützen und hierzu Konzepte zu entwickeln, die im Rahmen des geltenden Rechts vermehrt Schwerpunktermittlungen und auch präventive Bestreifungen von bekannten Treffpunkten rechtsextremer Gewalttäter ermöglichen. Bei Gewaltstraftaten sollte eine möglichst zeitnahe Reaktion auf die Straftaten erfolgen. Bei der Organisation der Justiz sollte daher für einen zeitnahen Beginn eines Gerichtsverfahrens Sorge getragen werden. Ferner sollte die Ahndung von Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender mit rechtsextremistischem Hintergrund zum Anlass genommen werden, die Beschuldigten zur Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit anzuhalten.

20. Der Deutsche Bundestag fordert alle Bürgerinnen und Bürger auf, Vorurteilen und rechtsextremer Propaganda zu widersprechen, Zivilcourage zu zeigen und sich in Vereinen und Initiativen zu engagieren, die Integrationsarbeit oder Aufklärungsarbeit über Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder Gewalt leisten. Darüber hinaus unterstützt der Deutsche Bundestag die Entwicklung und Förderung von Integrationskonzepten und deren Umsetzung. Die soziale Integration bleibt für Bund, Länder und Gemeinden eine der zentralen politischen Aufgaben der nächsten Jahre.

Migrationspolitik beinhaltet nicht allein die Regelung der Zuwanderung, sondern die nachhaltige Integration des bereits eingewanderten Bevölkerungsteils. Die Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben spielt dabei eine entscheidende Rolle.

21. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, im Deutschen Bundestag Bericht über die aktuellen und geplanten Maßnahmen und Aktivitäten der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt zu erstatten. Er ermuntert die Bundesregierung ihren diesbezüglichen Einsatz zu verstetigen und wird sie dabei unterstützen.

22. Der Deutsche Bundestag fordert die demokratischen Parteien in Deutschland auf, Wahlkämpfe nicht auf dem Rücken von Minderheiten bzw. Menschen anderer Herkunft zu führen.

Berlin, den 6. März 2001

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion
Roland Claus und Fraktion